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So langsam schleichend spürt sie es, möchte es dennoch so lange hinauszögern, wie es nur geht. Sie mag den Tag gar nicht beginnen, lieber noch im Schlummermodus verweilen. Mit geschlossenen Augen fühlt sie die Wärme, die sie umgibt und lässt den gestrigen Tag gedanklich Revue passieren.
Ein herrlicher und wunderschöner Tag war es, heute wird es anstrengend für sie. Emotional. Auch wenn sie weiß, dass Frau Winter auf ihrer Seite steht und sie bei ihr gut aufgehoben sind, bedeutet es emotionaler Stress für sie. Das Wissen darum – sie muss grinsen, – vermag es jedoch einen leichteren Umgang damit zu finden. Die Austausche mit Elmar sind Goldwert. Als würde er immer zur rechten Zeit mit ihr über die richtigen Dinge schreiben.
Okay, mit einem wohligeren Gefühl kann sie nun dem Tag begegnen. Zunächst dreht sie sich zu Alice und küsst ihr auf die Stirn.
„Guten Morgen Schlafmütze."
„Wer ist hier heute die Schlafmütze?"
Dann richtet sie sich zur Bettkante und knuddelt Woody in einem Anflug von Energie, die sie gerade durchströmt, um dann aufzustehen.
In der Zwischenzeit, als Ronja ihnen das Frühstück zubereitet, versorgt Alice Nika und macht sich im Bad frisch.
Punkt für Punkt, Schritt für Schritt, eins nach dem anderem, das wird schon, sagt sich Ronja selbst zu.
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Bestimmt zehn Mal hat sie kontrolliert, dass ihre Mappe in ihrer Tasche ist und Alice nachgefragt, wohl eher damit genervt, ob sie auch alles hat. Offensichtlich haben sie alles Nötige.
Auf geht es. Den Weg über zum Hafen achtet Ronja sorgfältig auf ihren Atem. Zum einen, damit sie keine Panikattacke bekommt oder hyperventiliert und zum anderen, weil sie sich damit gut ablenken kann.
Als sie ankommen, saugt sie die Luft noch einmal achtsam ein und setzt sich beim Ausatmen hin.
Kurz darauf kommt Elmar, der von einer freudigen Aura umgeben zu sein scheint, was Ronja auch wieder ruhiger macht.
„Hey Elmar."
„Hallo ihr drei."
„Hallo Elmar."
„Heute zu dritt zur Beratung?"
„Da liegst du mal wieder vollkommen richtig."
„Und was ist mit dir? Du scheinst dich zu freuen?!"
„Ja auf morgen."
„Was ist denn morgen?"
„Hat Ronja nicht erzählt?"
„Was hat mir Ronja nicht erzählt?" Alice grinst dabei, was Ronja auch nicht entgeht, denn sie kann es am Ton heraushören.
„Elmar, erzähl es unserer Nichtsahnenden, der ich vergessen habe, es zu berichten."
„Morgen fahre ich mit Joe Boot, auf seiner Luca."
„Ach, das ist ja toll."
„Ja, finde ich auch."
„Das freut mich sehr für dich."
„Danke Alice."
„Hast du meine Mail gelesen, Elmar?"
„Ja."
„Gut. Sie kann einfach anrufen, wenn du das auch okay findest."
„Danke. Bis bald Alice. Bis morgen Ronja und ... nicht so viele Sorgen."
„Danke dir. Bis morgen Elmar."
„Bis bald Elmar."
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Auf dem Weg zur Beratungsstelle wartet Ronja darauf, dass Alice sie fragt, warum sie das nicht erzählt hat und wie es sein kann, dass Joe mitten in der Woche einen Bootsausflug machen kann und auf einige weitere Fragen. Doch keine einzige dieser Fragen davon kommt. Nicht mal eine Bemerkung. Vielleicht, weil es gleich um so viel geht oder weil Alice eben diese einfühlsame Persönlichkeit ist, wie Ronja es von Anfang an wusste. Eventuell auch beides zusammen. Sie ist ihr einfach dankbar dafür.
Als hätte Frau Winter nie schlechte Laune, begrüßt sie sie auch heute überaus freundlich. Es ist aber keine überschwängliche Höflichkeit, die mensch direkt für unecht halten würde. Nein, Frau Winter wirkt generell sehr authentisch in ihrem Auftreten und das sagt Ronja sehr zu. Sie hat das Gefühl, dass Frau Winter auch unangenehme Wahrheiten ansprechen würde und damit kann sie besser umgehen als verschleierte Lügen, die einen in den Abgrund bringen.
Die Mappe vor sich liegend, wartet Ronja auf die einleitenden Sätze von Frau Winter. Auch wenn Ronja Bescheid weiß, fasst sie das Beratungsgespräch von vorheriger Woche grob zusammen, damit Ronja von ihr aus auf dem aktuellen Stand ist und erklärt ihnen, – wie die Formalien es verlangen – den Verlauf und Ablauf der Stiefkindadoption mit ihrer Besonderheit. Die Besonderheit mit dem Namen 'Unbekannter Kindsvater'.
„Haben Sie, eine von Ihnen, noch Fragen dazu?"
„Wenn wir Ihnen heute alles geben, – und ich hoffe, dass wir alles dabei haben, – dann ist damit der Antrag eingereicht?"
„So gesehen, ja."
„Was bedeutet das?"
„Na ja. Also, wenn ich ihn weitergeleitet habe, dann ist er formell eingereicht. Das wollte ich lediglich damit sagen. Ich bekomme vom Gericht eine Eingangsbestätigung, die ich Ihnen natürlich mitgebe. Das Datum, wann ich es eingereicht habe, teile ich dann Frau Becker nächste Woche Montag mit. Aber Sie können davon ausgehen, dass ich es heute noch mache und unsere interne Poststelle wird es dann morgen rausschicken."
„Okay. Danke. Und Ihre Stellungnahme wird auch benötigt. Alice erzählte mir, dass Sie bereits eine angefangen haben?"
„Ja genau. Die werde ich ebenso zeitgleich, aber gesondert absenden."
„Okay, dann ist für mich alles klar so weit."
„Na, dann lassen Sie uns nun alle Unterlagen sichten, – aber ich gehe auch davon aus, dass Sie alles dabei haben, – damit wir den Antrag fertigmachen können."
Draußen vor der Tür überkommt Ronja ein Schwall an Erleichterung. Sie fühlt sich um einiges leichter und befreiter. Der Antrag wird nun eingereicht. Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Nika auch offiziell ihre Tochter ist. Glück durchströmt sie nun und Freude. Aufgrund ihrer eigenen kleinen gegründeten Familie, die sie so sehr liebt.
Sie zieht Alice zu sich heran und nimmt sie in den Arm.
„Ronnie, ich weiß, das muss furchtbar sein. Aber ich hoffe, dass du weißt, dass du für mich natürlich Nikas Mama bist. Auch bis zur Gerichtsentscheidung, die das ja wohl genauso sehen werden."
„Danke dir. Und ja, ich weiß, dass du es so siehst."
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Beruhigter schlendern sie Hand in Hand Richtung ihr Zuhause, nutzen jedoch einen kleinen Umweg, da sie die warme angenehme Luft noch ein wenig genießen mögen.
Plötzlich spürt Ronja, wie sich Alice ihre Hand anspannt und dann rasch aus Ronjas herauswindet. Da Woody stoppt, muss Alice kurz zuvor stehen geblieben sein.
Ronja dreht sich etwas. „Was ist los, Al? Ist alles in Ordnung?"
„Da ... Da ..."
„Alice. Pssscht. Ganz ruhig."
„A...ber ... da ..."
Ronja macht sich langsam Sorgen, Alice beginnt zu zittern und gleichzeitig scheint sie sehr angespannt zu sein. „Alice. Was ist denn auf einmal? Kann ich etwas tun?"
„Da ..."
„Was ist da?"
„Er."
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Impressionspunkte
Romance◇𝗥𝗼𝗺𝗮𝗻𝘁𝗶𝗸 & 𝗔𝗸𝘁𝘂𝗲𝗹𝗹𝗲 𝗟𝗶𝘁𝗲𝗿𝗮𝘁𝘂𝗿◇ Vier Menschen - alle mit ihrer ganz besonderen Impressionsweise - haben zueinandergefunden, wodurch einzigartige Bindungen zwischen Ronja, Alice, Elmar und Joe entstanden. Ab und zu gelangen...