Neighbor

Kapitel 4

,,Hol mich da raus'' war das erste, was ich sagte, als ich in das Auto von Nick einstieg.
Überrascht schaute er mich an.
,,Wieso? Hattest du den ersten Kontakt mit einer weiblichen Person nach langer Zeit wieder?'' scherzte er.
,,Nein, aber dafür mit einem absoluten Vollidioten'' entgegnete ich ihm.

,,Das hört sich interessant an, erzähl mir mehr'' kam es grinsend von ihm.
,,Grins nicht so blöd, der Typ ist...ich hab nicht einmal Worte dafür.''
,,Ach komm, lern ihn doch erst einmal richtig kennen'' schlug er vor.

,,Nein danke, der Typ wäre eher ein Fall für dich'' scherzte ich.
,,Wieso das?'' fragte er verwundert.
,,Er scheint dickköpfig, ist laut und hat irgendetwas Arrogantes an sich.''
,,Aua'' schmollte er und grinste.

,,Im Ernst aber, er ist jetzt schon total nervig'' nuschelte ich genervt.
,,Also als ich da war, hat man absolut nichts gehört.''
,,Weil er wahrscheinlich nicht da war'' antwortete ich ihm.
,,Wenn er da ist, hörst du das, vertrau mir'' fügte ich hinzu.
Er grinste nur vor sich hin und fand es vermutlich amüsant.

Ich versuchte den Gedanken an meinen neuen Nachbar abzulegen und mich seelisch auf den ersten Tag in der Uni vorzubereiten.
,,Und, schön nervös?'' kam es von Nick.
,,Nö'' entgegnete ich ihm, er grinste nur wieder blöd.

Ich war verdammt nervös.
Es war der allererste Tag an der Uni.
Ich würde die Leute kennenlernen, mit denen wir quasi zusammen studieren würden, unsere Dozenten - einfach alles.

Es fühlte sich an, als würde man erneut in die Schule gehen oder sie wechseln.
Als wäre man der Neue und alle Augen würden auf einen gerichtet sein.
Ich hasste es im Mittelpunkt zu stehen, ich verkroch mich viel lieber.

Als Nick auf dem Campus parkte und wir nach dem richtigen Gebäude suchten, schaute ich mich um und war umso froher, dass wir zusammen studierten.
Alleine wäre ich hier vermutlich total aufgeschmissen gewesen.

Als wir den Saal betraten, staunte ich nicht schlecht.
So welche Säle kannte ich nur aus Serien oder Filmen.
Nun selbst in einem zustehen war wirklich unglaublich.

Nick und ich suchten uns unseren Platz weiter mittig der ganzen Reihe.
So saßen wir nicht unbedingt ganz nah am Dozenten, aber auch nicht zu weit oben.
Die Mitte war also perfekt.

Nach und nach füllte sich der Saal.
Anfangs schaute ich mir die Leute an, die meisten waren echt unterschiedlich.
Bei ein paar dachte ich, dass sie im falschen Gebäude wären und bei den anderen konnte man ihnen wirklich ansehen, dass sie IT studierten.

Als ich mir Nick anschaute, fiel mir erst wirklich auf, dass er auch nicht wie jemand aussah, der sich im IT-Studium befinden würde.
Nick war sportlich gekleidet und sah auch sportlich aus.
IT-Freaks hielt man schon immer eher für Nerds.

Als ich mich selbst anschaute fiel mir auf, dass ich selbst nicht einmal so nerdig aussah.
Meine Haare sahen andauernd verwüstet aus und hingen in fast allen Richtungen, was aber dann auch wieder so aussah, als wären sie mit Absicht so gestylt.

Meine Kleidung war ziemlich dunkel.
Ich trug eigentlich fast nur schwarze Klamotten, daher stachen meine weißen Schuhe auch immer so heraus.

Aber dafür, dass ich so aussah, war ich charakterlich ziemlich anders.
Ich war oft hilflos und auf Hilfe angewiesen, in manchen Situationen echt eine Pussy und verkroch mich 24/7 in meiner Wohnung.
Fremde würden mich wahrscheinlich für den totalen Draufgänger halten, dabei war ich das komplette Gegenteil davon.

,,Guten Morgen, mein Name ist Herr Ludwigs. Ich werde für Ihren gesamten Aufenthalt im Studium Ihr Ansprechpartner und Dozent sein. Sollte es also Schwierigkeiten geben oder Hilfe benötigt werden, haben sie keine Hemmungen davor mich anzusprechen'' ertönte die Stimme des Mannes vorne.

,,Heute geht es nur darum Ihnen weis zu machen, wie es hier ablaufen wird'' fing er erneut an.
,,In Seminaren werden sie alle zusammen, wie gerade auch, hier sitzen, zuhören und lernen.''
,,In den praktischen Phasen werden sie in zwei Gruppen eingeteilt und werden dort das gelernte versuchen umzusetzen'' fuhr er fort.

,,In Gruppen geteilt?'' entfuhr es mir leise, was nur Nick zu hören schien.
,,Keine Sorge, wir kommen bestimmt in eine'' versuchte mich Nick zu beruhigen.
,,Hoffentlich...'' murmelte ich.

,,Die Gruppen wurden bereits festgelegt, ich werde ihnen die erste vorlesen und danach die zweite'' kam es nun von ihm.
Er fing nach und nach an, Namen aufzurufen. Nick seiner war auch schon gefallen und langsam bekam ich die Angst, dass ich nicht in seiner sein würde.

,,Kommen wir zur zweiten'' rief Herr Ludwigs nun.
,,Wir sind nicht in einer...'' nuschelte ich sofort zu Nick und versuchte nicht auszuflippen.
,,George Graham'' hörte ich meinen Namen.
Er zählte weitere Namen auf, doch ich hörte schon gar nicht mehr zu, da ich in gedankenversunken war.

,,Sie haben meinen nicht erwähnt'' rief irgendein Student in den Saal hinein.
,,Nennen Sie mir bitte Ihren Nachnamen?'' entgegnete Herr Ludwigs ihm.
,,Carter, Clay Carter'' antwortete dieser.

Clay?
Bei dem Namen Clay musste ich sofort an meinen Nachbar denken, doch die Wahrscheinlichkeit, dass er IT studieren uns ausgerechnet mit in diesem Saal sitzen würde, war ziemlich gering.

Als ich mich umdrehte und Reihe für Reihe umschaute, blieb ich bei jemanden hängen.
Ich traute meinen Augen nicht - es war wirklich mein Nachbar.
Der nervige Typ aus der 33 studierte mit mir im selben Jahrgang IT!

Wer hätte das gedacht...😂