Kapitel 21

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"Also, du möchtest den Arbeitsvertrag kündigen", murmelte Taehyung, den Blick auf seine Unterlagen gerichtet. Die Papiere hatte er gerade rausgelegt.

"Genau". Er blickte mir prüfend in die Augen, als würde er dort die Antwort finden, warum ich so plötzlich von ihm weg wollte. Oh, ich betete, dass er mir tatsächlich die Wahrheit aus den Augen ablesen konnte.

Natürlich war mir klar, dass das nicht ganz aufgehen würde. Daher musste ich diesen Zettel jetzt fallen lassen. Ich legte meine Hände unter dem Tisch zusammen und begann, mit dem Saum meines Ärmels zu spielen. Unauffällig linste ich dann zu Carter, der mit verschränkten Armen und steinernen Gesichtsausdruck neben mir saß. Gerade starrte er Taehyung an, was mir die Chance gab, den Zettel unter dem Haargummi herauszuziehen und ihn unterhalb des Tisches in Taehyungs Richtung zu werfen.

Da Carter in dieser Zeit keine Reaktion zeigte, ging ich davon aus, dass Schritt eins erfolgreich war. Nun musste Tae das nur noch lesen und dementsprechend reagieren.

"Gut, dann einmal hier unterschreiben". Taehyung reichte mir den Vertrag mitsamt einem Stift und zeigte damit auf eine schwarze, dünne Linie, die für den Arbeitnehmer gedacht war.

Zögernd nahm ich ihm den Stift ab und setzte zum Schreiben an, wurde aber von Taehyungs plötzlicher Frage unterbrochen: "Darf ich fragen, wie es so plötzlich zur Kündigung kommt?"

"Ich ähm". Carters Blick bohrte sich nun in meinem Schädel hinein, was mich sehr unter Druck setzte. "Ich brauchte diesen Job nur als Überbrückung", log ich. Obwohl ich wusste, dass ich das niemals ernst meinen würde, fühlte ich mich unglaublich schlecht, als ich sah, wie verletzt Taehyung durch meine Worte war.

Nachdem ich unterschrieben hatte, verabschiedeten wir uns voneinander und Carter ließ mich zuerst gehen. Draußen angekommen zog er mich erneut ins Auto. Dort hielt er mir seine Faust hin. Erst zuckte ich verschreckt zusammen, doch als er länger nichts anderes tat, kam mir in den Sinn, dass er mit was geben wollte. Verwirrt öffnete ich meine Hand, damit er das Etwas darin fallen lassen konnte.

Es war ein kleiner Zettel. "Dir ist da was in dem Büro heruntergefallen", sprach er beängstiget scheinheilig. Das durfte doch nicht wahr sein. Ungläubig entfaltete ich das weiße Blatt - und sofort nahm mein Gesicht dessen Farbe an.

"Dachtest du ernsthaft, ich sehe das nicht?" Wie? Wie war das möglich? Hatte er neuerdings Superkräfte, von denen ich nichts wusste? Jetzt würde auch Option drei nicht mehr in Frage kommen; so viel war sicher. Also blieben nur noch zwei Optionen über: nachts seinen Schlüssel klauen und abhauen oder das Fenster...

Letztes Mal hatte Carter weniger auf mein Gesicht eingeschlagen - diesmal trafen seine Fäuste jeden Teil meines Körpers. Sogar seinen Gürtel ließ er wie eine Peitsche auf mich niedersausen. Immer wieder wunderte es mich, wie die Nachbarn mein Geschrei und Geschluchze nicht wahrnehmen konnten. Wer weiß, vielleicht hörten sie es, ignorierten es bloß.

Sobald ich die Kraft fand, aufzustehen, eilte ich ins Badezimmer und übergab mich in die Toilette. Es passierte nicht zum ersten Mal, also überraschte es mich nicht sonderlich. Sogar Gewicht hatte ich verloren. Das lag wohl auch daran, dass ich immer weniger essen konnte.

Langsam war die Idee, einfach aus dem Fenster zu springen und das alles zu beenden gar nicht so verwerflich. Doch der einzige Grund, warum ich das nicht übers Herz brachte, war, dass ich Taehyung dann in dem Glauben, ich hätte ihn nur ausgenutzt, zurücklassen würde. 

Also hielt ich weiter durch. Für Taehyung. Für den Fremden. Sogar für Jimin. Dann blieb mir noch eine Sache übrig: der nächtliche Fluchtversuch. Zunächst überprüfte ich aber jede Ecke des Apartments, ob er einen der Schlüssel vielleicht doch hier versteckte oder ob er wirklich alle immer mit zur Arbeit nahm.

Enttäuscht musste ich feststellen, dass letzteres zutraf. Da ich dem Fremden nicht mehr schreiben konnte, fing ich an, Briefe an ihn zu schreiben. Logischerweise konnte ich sie aus mehreren Gründen nicht abschickten, angefangen damit, dass ich weder den Namen, noch die Adresse von dem Typ hatte. 

Sollte ich die Briefe vielleicht aus dem Fenster werfen und darunter die Nummer von ihm schreiben, in der Hoffnung, jemand würde sie weiterleiten? Nein, zu riskant. Die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg war zu gering. 

Seufzend rollte ich mich in mein Bett ein. "Wo seid ihr Mom, Dad und Hobi-Oppa", schluchzte ich traurig. Wäre dieser Brand damals nur nicht gewesen... dann sähe mein Leben heute ganz anders aus. Ich vermisste sie wirklich sehr. War es schon Zeit, zu ihnen zu gehen? Nein, leider musste ich noch ein bisschen in dieser Hölle aushalten. Nur noch ein ganz kleines bisschen.

The Fire of your DesireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt