Unbekannte Sicht
Ich warf ein Blick auf mein Handy; das tat ich öfters in letzter Zeit. Doch egal wie sehr ich auf den Bildschirm starrte, es änderte sich nichts. Langsam wurde ich immer und immer nervöser. Warum kam nichts mehr?
Seufzend erhob ich mich aus meinem Bett - nur um mich gleich wieder darauf zu schmeißen, als das Klingeln einer Nachricht zu vernehmen war. Zu meiner Enttäuschung war es nur ein Kumpel, der irgendwas bei mir vergessen hatte. Wochenlang hatte ich nichts mehr von ihr gehört. Auch wenn ich sie nicht persönlich kannte, machte ich mir Sorgen um sie. Keine Frau hatte es verdient, so behandelt zu werden. Keine!
Ich spielte schon länger mit dem Gedanken, zur Polizei zu gehen und denen die ganzen Nachrichten zu zeigen, um diesem Horror ein Ende zu setzen. Das Einzige, was mich davon abhielt, waren die vielen Unsicherheiten: würde meine Aktion sie in Gefahr bringen? Lebte sie noch bei diesem Typ oder war sie entkommen? Lebte sie überhaupt noch?
All dies schwirrte in meinem Kopf umher wie eine Schar ausgehungerter Vögel, ja verfolgte mich sogar in meinen Träumen - genauso wie die Bilder von den ganzen Verletzungen. Erneut öffnete ich den Chat.
Y/n's Sicht
Jungkook blieb noch für ein paar Runden Mario Cart, ging dann aber nach Hause. Taehyung begann aufzuräumen, sodass ich mir Jimin vorknöpfen konnte. Er hatte sich nicht unhöflich benommen, doch normal schien er auch nicht. Irgendwas stimmte mit ihm nicht und ich wollte wissen, was genau das war.
"Hey Jimin, alles gut? Du warst heute so still...", begann ich das Gespräch. Jimin sah mich einen Moment schweigend an, als müsse er überlegen, was er mir sagen könne.
"Wenn du dich unwohl fühlst, weil Jungkook noch ein Fremder ist, dann sag es mir ruhig", fuhr ich fort, ohne ihm auch nur die Chance zu geben, die erste Frage zu beantworten."Es ist nichts besonderes... mach dir keine Sorgen", weichte er vom eigentlichen Grund ab. Misstrauisch hob ich die Augenbraue. "Sicher, dass es nichts ist?", hakte ich weiter nach.
Meine Entschlossenheit entlockte ihm einen Seufzer. "Ach, ich weiß es doch auch nicht warum ich mich in letzter Zeit so komisch aufführe. Es ist nur... ich fand es merkwürdig wie nah du und Jungkook euch schon standet, obwohl du ihn ja gerade erst getroffen hast", erklärte er endlich, seine Hand schüchtern in den Nacken gelegt.
"Was meinst du mit ‚in letzter Zeit'? Seit wann fühlst du dich so komisch?". Diesmal war meine Stimme noch einen Ton besorgter als zuvor - und Jimin wurde noch nervöser. "Ich ähm... würde dir das lieber wann anders erzählen", gestand er, die Wangen bereits rot angelaufen.
Ich seufzte. Am besten beließ ich es dabei und wechselte das Thema. Gerade wollte ich mich ihm erneut zuwenden um ein neues Gespräch zu beginnen, doch erstarrte daraufhin, als Jimin mich plötzlich umarmte. Mein Herzschlag beschleunigte sich augenblicklich bei dem plötzlichen, engen Kontakt. Wie so oft wenn einer der beiden sich an mich schmiegte oder auch nur anlehnte musste ich die sich langsam anbahnende Panik unterdrücken, die sich wie ein Parasit in meinem Kopf verankert hatte und auf jede Gelegenheit wartete, mich quälen zu können. Nach einem kurzen Moment der Beruhigung lehnte ich mich an ihm und erwiderte die Umarmung zögernd. Unsicher, wie ich reagieren sollte, legte ich meine Stirn an seine Halsbeuge. Warum roch er nur so gut!? Er roch so anders als Carter. So viel sanfter und vertrauter. Alles an ihm war sanfter und vertrauter als Carter es in all den Jahren jemals gewesen war. Es war, als wäre Jimin schon immer in meinem Herzen fest verankert. Wie ein Sonnenstrahl, nur überschattet von all den düsteren Wolken meiner Vergangenheit, die selbst der kräftigste Wind nicht fortzuwehen wagte.
Auch wenn ich es Jimin gegenüber nicht zugeben würde, aber ich genoss diesen Moment sehr; so sehr, dass ich einfach nur die Augen schloss und so lange still stand, bis Jimin langsam seine Arme wieder fallen ließ. Mit hochrotem Kopf trennten wir uns und ich verschwand hastig ins Zimmer, ohne das auch nur ein Ton unsere Lippen verließ.
Inzwischen hatte Taehyung ein neues Bett, welches nun von mir ganz allein eingenommen wurde. Ich ließ die Tage wie in Review passieren und mir wurde bewusst, dass ich so wie es jetzt war, nicht wahrhaft glücklich werden konnte. Nein, dafür saß das alles zu tief; ich konnte nicht einfach weiterleben, als wäre Carter und das Feuer, welches mir meine Familie raubte lediglich ein böser Traum, der sofort verschwand, sobald ich die Augen aufschlug. Nein, mit dieser Last würde ich mich nur selbst in einen endlos tiefen Abgrund der Angst und Verzweiflung stoßen - und alle um mich herum im Prozess mit hinunterziehen. Allein der Gedanke versetze mir einen Stich. Ich musste stärker werden, um meine Vergangenheit zu überwinden. Stärker, für alle, die gerade an meiner Seite standen und meine Schlachten für mich zu kämpfen versuchten: Taehyung, Angelique, Jungkook, Doktor Kim, Jimin. Ja, sogar der Fremde, der mir seine Nummer gegeben hatte, als er sah, dass ich am Ende war.
Die Tage vergingen wie im Fluge. Angelique hat mir die Nummer von einem Psychologen gegeben, der mir bei der Verarbeitung von den vergangenen Ereignissen helfen sollte. Heute hatte ich endlich einen Termin beim besagten Psychologen. Die Dame am Empfang lächelte mich an. „Zu Doktor Choi oder zu Doktor Kim?", fragte sie, bevor ich auch nur den Mund zur Begrüssung öffnen konnte. „Doktor Kim", antwortete ich einfach.
„Jung Y/n?", fragte etwas später eine männliche, sanfte Stimme. Als ich aufsah, stand ein riesiger Mann mit einem sanft, freundlichen Lächeln vor mir, welches seine Grübchen an den Wangen präsentierte. Sein blondes Haar war an den Seiten kurz rasiert und er trug ein schwarzes Poloshirt mit einer grauen Anzugshose.
Ich bejahte und folgte ihm dann in sein Büro. Das besagte Zimmer war das Gegenteil vom dem, was ich erwartet hätte: es war weder düster, noch klinisch weiß. Stattdessen waren die Wände in einem warmen gelb gestrichen. Die Möbel waren hauptsächlich aus hellem Holz und die Sessel sahen sehr bequem aus. Eingerahmte Auszeichnungen und Bücherregale gefüllt mit Büchern, kleinen Pflanzen und kunstvollen Figuren zierten zwei gegenüberliegende Wände. Dazwischen stand ein großer Schreibtisch vor dem noch größeren Fenster, durch das die warmen Strahlen der Sonne schien. Doktor Kim - ironischerweise der Zweite Doktor in Folge mit dem Familienname „Kim" - ließ mich mit einer ausladenden Geste seiner Hand zuerst eintreten, was mich noch nicht ganz geheuer war. Kaum hatte ich die ersten Schritte ins Innere gemacht, drehte ich mich rechtzeitig um, um zu beobachten, wie die Tür sanft ins Schloss fiel. Er würde uns doch nicht etwa einschließen, oder? Der bloße Gedanke daran rief böse Erinnerungen an eine verschlossene Wohnungstür und ein Telefonat mit einem wütenden Carter, sowie ein beinah-Selbstmord, der in einer Inszenierung dessen überging. Eine Lähmung breitete sich in meinem Körper aus, erlaubten nur einen Schauer nach den anderen über meinen Rücken zu tänzeln.
Tausende ‚was wäre wenn's schirrten mich durch den Kopf, ihre bildliche Versionen vernebelten meine Sicht. Würde er mich jetzt auch einsperren? Ich kannte Doktor Kim doch gar nicht. Oh Gott, worauf hatte ich mich bloß eingelassen? Ich war ihm schutzlos ausgeliefert. Was, wenn er mich schlug? Was, wenn er mich berührte? Was, wenn er mich- „Jung Y/n?" Seine tiefe Stimme schnitt den schier endlosen Gedanken die Worte ab und zwangen meinen Fokus zurück auf den Mann, dem ich meine dunkelsten Gefühle offenbaren sollte, die nicht einmal Jimin oder Taehyung kannten.
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The Fire of your Desire
FanfictionJung Y/N und ihr Freund ziehen wegen seines Jobs zusammen nach Seoul. Alles scheint perfekt: Y/N ist mit ihrer Liebe zusammen, sie beide haben einen Job, eine tolle Wohnung... Doch das Glück hält nicht lange an, als ihr Freund sich auf einmal abnor...