Nachdem ich meine Schmerztabletten genommen hatte, ging Angelique wieder und überließ mich meinen Gedanken. Allmählich fing ich an, zu überlegen, wie das alles mit Carter überhaupt angefangen hatte.
Im Kinderheim war ich ganz allein, niemand wollte mit mir zu tun haben. An einem schönen Abend im August saß ich allein auf der Schaukel des kleinen Spielplatzes. Dies war mein Lieblingsplatz, denn hier kam kaum jemand hin; sodass ich diesen Platz ganz für mich allein hatte.
Gerade dachte ich an meine Familie und eine Welle der Traurigkeit erfasste mich. Schon bald rannten mir still Tränen das Gesicht hinunter, unaufhörlich, als hätte jemand vergessen, seinen Wasserhahn zuzudrehen."Hey Y/n", erklang eine mir fremde Stimme. Jemand kam zu mir? Jemand kannte meinen Namen? Ich drehte mich nach links und rechts, doch sah niemanden, sodass mir nur noch der Blick nach hinten blieb. Doch auch dort konnte ich keine Menschenseele ausmachen.
"Vor dir", hörte ich erneut, diesmal mit einem amüsierten Unterton in der Stimme. Erneut wandte ich mich nach vorne und als Ergebnis blickte ich direkt in die neugierigen Augen meines Gegenüber, wodurch ich vor Schreck rückwärts von der Schaukel plumpste.
"Autsch", murrte ich beim Aufstehen und rieb mir den schmerzenden Hintern, einerseits wegen des Aufpralles und andererseits um den Sand abzuwischen. "Alles gut, du must doch nicht vor mir flüchten", lachte der Junge weiter.
Skeptisch trat ich ein paar Schritte zurück und musterte ihn von oben bis unten. Er war kein Kind aus dem Kinderheim, oder war er möglicherweise neu? Wie auch immer, ich musste mir eingestehen, der Junge vor mir sah nicht schlecht aus. Er hatte braunes Haar und noch braunere Augen, sein Körper war definiert, aber für sein Alter noch nicht zu muskulös und er überragte mich haushoch.
"Was willst du?", piepste ich verunsichert. "Ich habe dich hier allein sitzen sehen und da ich so nett bin, dachte ich mal, ich leiste dir ein wenig Gesellschaft", prahlte er, sehr von sich überzeugt. Seine offene Art verwirrte mich, da ich das komplette Gegenteil von ihm war.
Anfangs traute ich ihm nicht. Warum sollte jemand wie er mit so einem hoffnungslosen Fall wie mir Zeit verbringen wollen? Ich fragte ihn das nicht, ich wollte den Jungen nicht noch mehr Gründe geben, sich doch von mir abzuwenden. "Hey, du ähm...", wollte ich ihn ansprechen. "Carter. Nenn mich Carter", funkte er dazwischen.
"Okay Carter. Wohnst du auch hier im Heim?", fragte ich. "Nein, ich wohne bei meiner Mutter". "Was ist mit deinem Vater?", hakte ich interessiert nach. "Hat uns verlassen. Er und meine Schwester sind nach der Scheidung zu meinem Onkel gezogen.", berichtete Carter mir mit Enttäuschung in den Augen. Doch dann schüttelte er mit dem Kopf und schon wandelte sich der enttäuschte Blick in Neugierde um.
"Und du? Was ist mit deinen Eltern?", drehte er nun das Gespräch um. "Ich ähm..." Überrumpelt stotterte ich herum, nicht wissend, wie ich diese Frage beantworten sollte. "Schon gut, du kannst es mir wann anders erzählen", beschwichtigte er mich und wechselte dann das Thema.
Jeden Tag redeten wir mehr - und jeden Tag empfand ich mehr. Natürlich würde ich alles tun, um es zu verstecken, aber das funktionierte nicht bei ihm, wie ich im Nachhinein feststellen musste. "Y/n", rief er mich eines Tages. "Könnte es sein, dass du mehr willst als nur Freundschaft?"
Ich wusste, er war direkt, aber dass er mich einfach aus dem Nichts nach meinen Gefühlen für ihn fragen würde? Sofort lief ich rot an und senkte meinen Blick. Was sollte ich darauf erwidern? Dass ich noch nie sowas empfunden hatte, außer für ihn?
"Also habe ich recht", grinste er triumphierend. Verlegen druckste ich herum, unentschlossen, ob ich es weiter leugnen oder zugeben sollte. Schlussendlich nickte ich schicksalsergebend. Bitte wende dich nicht von mir ab, flehte ich gedanklich, aus Angst, den einzigen Menschen zu verlieren, denn ich jetzt noch hatte.
"Die Sache ist, ich will auch mehr von dir", gestand Carter nun auch ohne die geringste Spur an Verlegenheit. Mit großen Augen schaute ich zu ihm auf. Er hatte sich in jemanden wie mich verliebt? Das war zu schön um wahr zu sein. Mit einer Umarmung besiegelten wir indirekt den Beginn unserer Beziehung.
Drei Jahre später war es so weit: mein achtzehnter Geburtstag stand vor der Tür. Wie jeden Tag trafen wir uns bei der Schaukel auf dem Spielplatz. Bis heute war es mir ein Rätsel, warum bisher kein einziges Kind hier spielen wollte.
Auch wenn der kleine, mit Sand bedeckte Bereich nicht viel mehr als eine Wippe, ein kleines Klettergerüst und eben die Schaukel aufwies, so war es doch noch immer eine kleine Freude sich auf solchen Geräten auszutoben.
Carters Ankunft ließ meine Gedanken so plötzlich verschwinden, als hätte er mit einem Dartpfeil auf einen Luftballon geworfen. Die Euphorie explodierte förmlich in mir und sofort fiel ich meinem Freund in die Arme, meine Lippen von seinen gierig umschlossen.
Kaum hatten wir uns voneinander gelöst, hielt er mir ein kleines Geschenk hin. Bisher hatte ich jedes Jahr Schmuck von ihm bekommen - wobei er sich immer wieder mit dem Wert zu steigern schien, als würde er sich selbst herausfordern, ein teureres Geschenken zu kaufen als im Jahr zuvor. Diesmal fand ich aber weder schwere Kolliers, goldene Ohrringe noch mit Diamanten besetzte Ringe sondern einen Schlüssel.
Perplex nahm ich ihn aus der Schatulle und betrachtete ihn von allen Seiten. Er lag kühl und still in meiner Hand und fast kam es mir so vor, er wartete nur darauf, dass ich seinen Zweck erkannte. "Wofür genau ist der?", fragte ich immer noch den Schlüssel anstarrend. Hatte der Gegenstand aus Stahl eine hypnotisierende Eigenschaft, dass ich nicht von ihm wegsehen konnte?
"Das ist eine weitere Anfertigung von meinem Hausschlüssel. Du bist jetzt volljährig, also dachte ich, es wäre an der Zeit, dass du aus diesem Heim rauskommst. Findest du nicht?"
Dies war der Beginn von einem Märchentraum, welcher sich über die Jahre in einen Albtraum verwandelte.
DU LIEST GERADE
The Fire of your Desire
Fiksi PenggemarJung Y/N und ihr Freund ziehen wegen seines Jobs zusammen nach Seoul. Alles scheint perfekt: Y/N ist mit ihrer Liebe zusammen, sie beide haben einen Job, eine tolle Wohnung... Doch das Glück hält nicht lange an, als ihr Freund sich auf einmal abnor...