Philosophische Gedanken einer Toten

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Bailey pov. ~ Nalivia_135

Alles war schwarz. Kein Wunder, der Tod war nun mal schwarz. Welche Farbe hätte er auch sonst haben sollen? Pink? Türkis? Eine wirklich sehr tiefgründige Frage. Weshalb war der Tod schwarz? Also nicht, dass er Afrikaner war oder so...

Doch ein violetter Sensenmann hätte es doch auch getan, oder? Aber irgendwann wurden meine geistreichen Monologe zu... äh... geistreich und bevor ich mich noch zu Tode langweilte, weil ich meinen eigenen Gedankengängen nicht mehr folgen konnte, sah ich mich etwas gründlicher um.

Meine Umgebung war immer noch schwarz. Und das fand ich schlecht.

Oh man... ich konnte nicht einmal die scheiß Umgebung beschreiben, ohne gleich rassistisch rüber zu kommen. Gott möge mir verzeihen. Und den würde ich vielleicht bald persönlich kennen lernen, denn ich war ja tot.
Oder?
Ja, ich fühlte mich ziemlich tot. Keine Ahnung, wie man sich tot fühlen kann, denn wenn man tot ist dann fühlt man eigentlich nichts, aber genau diese ruhige, gefühlslose Gleichgültigkeit zeigte mir, das ich ganz sicher tot war. War das zu viel Tod in einem Satz? Na und, verklagt mich doch! Ich bin eh tot!

Wobei ich mich gar nicht mehr daran erinnern konnte, wie ich gestorben war. Wenn ich so recht überlegte, konnte ich mich an fast gar nichts aus meinem Leben erinnern. Nur solche dummen unwichtigen Sachen waren in meinem fluffigen Geisterhirn hängen geblieben. Kleine Ausschnitte eines Lebens, von dem ich nichts mehr wusste.

Als ich 14 war, fuhr meine Mutter mit mir im Hochsommer an so einen 0815 Baggersee. Dort bin ich dann durch die Gegend gelaufen, mit einem überteuerten Magnum-Eis in der Hand und habe mit einer Freundin telefoniert. Wie hieß sie noch gleich? Mathilde? Nein, irgendwas anderes. Mer...ylen? Hm, konnte sein.

Jedenfalls erzählte ich Mathilde-Merylen, wie hässlich alle Jungs an diesem See waren. Es war schon sehr seltsam, dass ich mich an jedes Detail dieses Gespräches erinnern konnte, aber ihr Name mir entfallen war.
Sie sagte mir: „Das glaube ich dir nicht! Irgendeinen heißen, blonden, volleyballspielenden Typen wird es sicher geben!"
Und ich antwortete: „Was? Blond? Lieber Himmel, nein! Wenn schon, dann schwarzhaarig, aber selbst dann... nein. Einfach nur, nein"

Hm, anscheinend war ich zu Lebzeiten kein sonderlich romantischer Mensch gewesen. Wie dem auch sei, die Geschichte endete damit, dass ich Mathilde-Merylen einen Vortrag darüber hielt, wie dumm und sinnlos das gesamte männliche Geschlecht war. Dann konzentrierte ich mich nicht mehr auf den Weg und stolperte in einen Vertreter des dummen und sinnlosen Geschlechts. Tja, und dieser absolut nicht heiße, blonde Nicht-Volleyballspieler hatte dann mein wirklich teureres Eis im Gesicht kleben.

Die Moral der Story? Kaufe niemals für 3.50€ ein lausiges Magnum-Eis an einem 0815 Baggersee, denn es wird ohnehin in der unattraktiven Visage eines pubertierenden Milchbubis landen.

Mann, das mit den philosophischen Moralweisheiten hatte ich wirklich drauf! Wenn es im Himmel einen Computer gab, oder auch nur Stift und Papier, dann würde ich anfangen ein Buch zu schreiben. Über die Moral. Es wird bestimmt ein Bestseller. Und falls nicht, konnte ich immer noch Drehbuchautorin werden.

Ja, das war's! Ich würde mit meinen toten, nicht vorhandenen Geisterfingern eine Geschichte schreiben, die von epischen Schlachten handelte, mit dummen, goldgeilen Männern und noch dümmeren Mädchen, die sich in letzter Sekunde vor ihren Liebsten warfen und dann elendlich verreckten. Wow, ich war ein Genie! Wo kamen nur diese Ideen her? Wahnsinn, was sich ein totes Hirn alles ausdenken konnte!

Doch mir war klar, dass ich mich nicht meine ganze gespenstige Existenz lang in diesem schwarzen Nichts aufhalten konnte. Moment, war da nicht ein Licht? Ganz weit weg. Ah Klasse, der Tod erfüllte aber auch alle Klischees. Als nächstes kam Gott in Form eines alten, harmlos aussehenden Mannes und würde mich nach meinen Sünden fragen. Dabei konnte ich mich an keine einzige Sünde erinnern. Abgesehen von dem Magnum Eis im Gesicht von Milchbubi. War das eine Sünde? Ne, Gott ist da bestimmt nicht so kleinlich. Doch die anderen winzigen Ausschnitte meines anscheinend ziemlich langweiligen Lebens zeigten, dass ich meistens nicht sehr nett war. Wahrscheinlich war ich sogar sehr zickig. Aber das wird bestimmt nicht der Auslöser für eine Gratisfahrt in die Hölle ohne Rückfahrgelegenheit sein.

Ich ging oder flog oder schwebte oder wie-auch-immer-man-sich-im-Geisterzustand-fortbewegte auf das Licht zu. Je näher ich kam, desto mehr konnte ich erkennen, was der Grund für dieses Leuchten war.

Auf den ersten Blick war die Gegend wunderschön und malerisch. Das Leuchten kam aus einem Tor. Ich konnte nicht sehen was dahinter lag, da war nur dieses sanfte, beruhigende Licht. Zwischen mir und diesem Tor lag ein kleiner See. Es war vielmehr ein Teich oder ein Tümpel, nicht besonderes eigentlich, aber er zog mich wie magisch an. Ich konnte ja eine kleine Pause machen und dann weiter gehen. Das Wasser war klar, rein und unendlich tief. Man konnte keinen Grund sehen, doch die Oberfläche schimmerte in dem unglaublichsten blau, das ich je gesehen hatte. Eisblau. Irgendwie hatte ich das unbestimmte Gefühl etwas ganz wichtiges Vergessen zu haben. Oder viel mehr jemanden. Aber so sehr ich auch nachdachte, ich kam einfach nicht drauf.

Fasziniert berührte ich die Oberfläche des Sees mit meiner Geisterfingerspitze und schrak heftig zurück, als ich plötzlich den Kopf eines alten Mannes im Wasser sah. Also kein abgehackter Kopf, sondern das Spiegelbild eines Kopfs. Ah cool, das war also Gott. Alle Klischees erfüllt.

„Na endlich, Bailey! Ich dachte schon du kommst nie! Wo warst du so lange", fragte Gott empört.
„Tut mir leid, ich habe noch etwas über Magnum-Eis philosophiert", antwortete ich ihm.
„Über Mag...? Wie auch immer... Ich bin hier um dich zurück zu bringen. Wobei ich dir den Weg nur zeigen kann, ihn gehen musst du selbst. Du musst dich von alleine erinnern", sagte Gott rätselhaft.
„Hä, wohin zurück? Ich dachte ich komm jetzt in den Himmel! Oder halt in die Hölle"
„Nun, wenn du unbedingt willst, die Tür steht dir offen", meinte er.

Ich sah zu dem Tor, aus welchem das weiße Licht kam und wieder zurück zu Gott.
„Wo bin ich eigentlich gerade? Ist das hier die Eingangshalle in den Himmel, oder so?"
„Du befindest dich in der Ebene zwischen Leben und Tod. Die Gestaltung dieses Zwischenraums wird ganz alleine von deinem Unterbewusstsein gesteuert", meinte der alte-Mann-Gott. Ist ja geil! Ich sah mich ein weiteres Mal um und bemerkte einige Veränderungen. Über dem weiterhin eisblauem See schwebte ein grünes Neonschild mit der blinkenden Aufschrift: EXIT. Am Himmel-Tor prangte ein riesiges, pinkes Graffiti und zeigte den Schriftzug: HIER GEHT'S ZUR PARTY! Also mein Unterbewusstsein hatte wirklich Stil. Oder auch nicht. Allerdings verstand ich den Nutzen des EXIT- Schildes nicht. Doch Gott klärte mich darüber auf.

„Du hast jetzt die Wahl, Bailey. Entweder du betrittst die andere Seite und bleibst für immer dort, oder du kehrst jetzt zurück. Entscheide dich schnell, es bleibt nicht mehr viel Zeit"
„Wie meinst du das mit dem zurückkehren? Etwa wieder leben?"
„Ganz genau, Bailey"

Unentschlossen sah ich vom See zum Tor und wieder zurück. Dann schüttelte ich den Kopf und stand auf.
„Ne, eigentlich hab ich kein Bock drauf. Ich geh jetzt auf die Party. Wir sehen uns!" Ich winkte Gott mit meiner nicht vorhandenen Geisterhand zu und war schon dabei zu gehen, als er mich mit lauter Stimme aufhielt.

„DU WIRST ES NICHT WAGEN EINFACH ZU GEHEN! Ich will nicht umsonst so viel Kraft darauf angewandt haben um in diese Ebene eindringen zu können. Erinnere dich, Bailey. Bailey, Bailey, Bailey..."
„Ist gut! Ich weiß schon wie ich heiße!", motze ich Gott an und blieb stehen. Das konnte einem echt auf die Nerven gehen! Doch es rief irgendwas in mir wach...

Ich hörte jemanden meinen Namen rufen. Immer und immer wieder, voller Verzweiflung. Da war etwas. Eine Erinnerung. So weit weg und doch zum Greifen nah! Ich blickte auf den See. So unglaublich blau. Wie Eis.
Eis.
Ich spürte ich Kälte, die meine Beine hochkletterte und mein totes Herz in Beschlag nahm.
Wie Eis.
Und wie diese Augen, die ich glaubte vor mir zu sehen.
Wie Eis...

Erschrocken taumelte ich zurück, dem Wasser entgegen. Quälende Schmerzen zwangen mich in die Knie. Es fühlte sich an, als würde eine Klinge in meine Brust fahren. Und ich erinnerte mich wieder. Erinnerte mich an alles. Und vor allem erinnerte ich mich an ihn. Nach Luft schnappend kippte ich vornüber und ließ mich in den See fallen. Die Kälte drang in mich hinein, doch es war nichts gegen den heißen Schmerz, der in meiner Brust wütete. Und schon wieder wurde es schwarz um mich herum.

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Hallöchen Mellyns!
Hier bin ich wieder uuund es geht weiter! Mir fällt grad auf, das es eine Art Bailey-Marathon ist, da es schon wieder aus ihrer Perspektive geschrieben wurde.

Ich hoffe es stört euch nicht...

Das folgende Kapitel wird wieder aus 'meiner' (also Baileys) Perspektive sein. Sorry, ich kann mich nun mal schlecht kurz fassen :) *seufz*

Bis dahin Tschüss und 'auf wiederlesen'

~Nalivia_135

Gurken kommen selten alleine (Hobbit FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt