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Er ging noch einen Schritt weiter auf mich zu.
Noch eine Stufe.
Und dann stand er auf der letzten Stufe vor dem Türspalt.
Er sah auf den Boden.
Er sah das Salz.
Er schien zu suchen.
Nach einer Lücke.
Ich konnte meinen Blick nicht abwenden.
Ich hatte Angst.
Panische Angst.
Er wirkte sehr wütend.
Verdammt wütend...
Ich hoffte so sehr keine Lücken gelassen zu haben.

Er hob seinen Kopf und starrte zu mir. Ich sah in sein nicht vorhandenes Gesicht und erzitterte. Er sah mir felsenfest in die Augen und der laute Donner grollte über uns. Blitze schlugen ein und das Gewitter wurde noch viel lauter.
Es war viel zu laut und ich fühlte mich ganz und gar unwohl. Er schlug mehrmals gegen die Wand rechts von ihm und es ertönte wieder dieser hasserfüllte Laut.
Wütend... Das beschreibt ihn nicht mal ansatzweise...

Ich kniff meine Augen fest zusammen und hielt mir die Ohren zu. Ich hatte ihn ziemlich wütend gemacht.
Normalerweise hätte ich noch einen meiner Kommentare dazu abgegeben oder diese Puppe heimlich verflucht, doch ich hatte viel zu viel Angst. Ich konnte nicht mehr klar denken.
Falls ich in dem Moment überhaupt nachgedacht habe...

Die Tische und Stühle kippten alle plötzlich um und einige flogen quer durch den Raum. Es folgten laute polternde Geräusche.
Alles war in Bewegung, als würde ein Sturm hier drin toben. Ich konnte gerade noch einem Stuhl ausweichen, welcher auf mich zu geschleudert wurde. Zu meinem Glück blieb ich und auch das Salz von der Schleuderaktion verschont.

Es war grauenvoll.
Ich wusste nicht, was ich machen sollte oder wie lange das noch andauern würde. Ich hatte mein Zeitgefühl verloren. Ich wusste nicht wie lange ich noch hier aushalten musste.
Scheiße, scheiße, scheiße!

Ich sah zu der Tür, doch der Dämon war nicht mehr da. Ich hatte Angst, dass er schon irgendwo im Raum war und sich versteckte. Aber das war eher unwahrscheinlich, denn ich war ja vom Salz geschützt.
Die ganze Lage im Raum beruhigte sich langsam und alles lag wieder auf dem Boden.
Einige Puppen waren noch zerfetzter, als sie es vorher schon waren. Auch der makellosen Puppe, welche mit mir gesprochen hatte, fehlte ein Auge und einige Nähte waren aufgerissen.
Ich stand langsam auf und ging zur Tür. Es war ganz sicher noch nicht 3.33 Uhr. Ich wollte eigentlich auf mein Handy sehen um die Uhrzeit herauszufinden, aber Handys galten als störend und ich hatte nicht vor ihn zu provozieren.
Es ist vielleicht schon 3.33 Uhr... Wer weiß wie lange dieses Theater angehalten hat...

Ich ging etwas sicherer auf die Tür zu.
Naja... Auf die Lücke. Ich war mir nicht wirklich sicher, ob es ungefährlich war die Salzgrenze zu übertreten, also blieb ich ca. 5 cm davor stehen. Ich blickte die Treppe hinunter, doch ich konnte dort nichts sehen.
Es war auch nicht kalt und die Kerze brannte noch immer. Mein Blutdruck beruhigte sich langsam wieder. Und auch vom Gewitter war nichts mehr zu hören.
Ich hatte das Gefühl, dass es schon vorbei war.
Ich war beruhigt und verdammt froh.
Ich holte mein Handy raus und drückte auf einen Knopf, doch das Licht blieb aus.
Anscheinend geht mein akku sehr schnell leer... Oder dieses Chaos vorhin hat mein Handy irgendwie beeinflusst. Naja, ich guck's mir Zuhause mal genauer an. Aber jetzt nichts wie raus hier!

Ich streckte meinen Kopf langsam über die Salzgrenze und sah noch einmal genauer über die Treppen. Dort war tatsächlich nichts mehr.
Ich atmete tief durch und fühlte mich gleich viel besser.
Ich hatte das Spiel nicht nur unversehrt überlebt, ich hatte es auh gewonnen. Ich konnte endlich nach Hause gehen und würde Ben warscheinlich bald wieder sehen.
Ich plante schon, wie ich ihm alles erzählen würde, als mich plötzlich etwas am Arm zog und versuchte mich aus dem Raum zu ziehen.
Mir blieb die Luft weg.
Alles ging viel zu schnell.
Die Stelle an meinem Arm, welcher von dem etwas umgriffen wurde war eiskalt und schmerzte heftig. Ich konnte mich zum Glück noch an der Wand, wo die Tür früher war, festhalten und verhindern, dass ich die Treppe runter fiel und mir das Genick brach.
Der Druck auf meinem Arm ließ allerdings nicht nach und der mechanische Schrei ertönte erneut. Die Kerze spielte verrückt und mir wurde eiskalt. Ich versuchte mich aus dem griff zu befreien und zappelte wie ein unkontrollierter Käfer, der auf dem Rücken lag. Ich spürte mehrere Schnitte an meinem Arm und es tat höllisch weh. Es fühlte sich an, als würde mein arm gleichzeitig brennen und gefrieren. Ich schrie auf und ließ mich auf den Boden fallen und zog mich mit aller Kraft in den Raum zurück.
Plötzlich ließ der Druck komplett nach und ich fiel nach hinten, auf den Rücken. Ich blieb kurz liegen und kniff die Augen zu. Meine Schulter war ausgekugelt und auf meinem Arm waren viele Schnitte zu sehen.
Als hätte ich mich geritzt oder so...
Es schmerzte bei jeder Bewegung und auch wenn ich nichts tat, durchzuckten kleine Blitze meinen Arm. Ich hörte rein gar nichts mehr, bis auf meine eigenen Atemzüge.
Nach einiger Zeit griff ich mit der rechten Hand nach meinem Handy und es funktionierte tatsächlich wieder. Es war 3.43 Uhr. Ich war gerettet.
Keine Geister mehr...
Keine eigenartigen Situationen mehr...
Und die Opfergabe werde ich auch vergessen...

Ich fühlte mich gleich viel besser und vergaß den Schmerz in meinem Arm. Aber nur für kurze Zeit. Als ich mich aufrichtete fing der Schmerz direkt wieder von neuem an. Trotzdem stand ich auf und lief langsam die Treppen runter.
Es passierte nichts und ich hoffte einfach endlich meine Ruhe zu haben.
Ich ging nach ganz unten, wo mir der Leichengeruch in die Nase stieg.
Ich beeilte mich und ging nach draußen. Der Heimweg fiel mir nicht wirklich schwer.
Mit Leichtigkeit fand ich den Weg nach Hause, schloss auf und ging lautlos in mein Zimmer. Das war das schlimmste, was mir je passiert ist. Ich werde das nie im Leben wieder vergessen können."

Ich beende den letzten Satz und blicke in die Runde. Ich ernte nur verstörte, ängstliche, unbeeindruckte und manchmal auch interessierte Blick von den Deppen hier.
Keiner sagt etwas.
Ziel erreicht?
Einige scheinen wenigstens neugierig geworden zu sein.
Nicht mals der Gruppenleiter, wessen Namen ich vergessen hab, ich nenne ihn jetzt einfach Aidan, sagt etwas. Er sieht nur amüsiert zu mir und lächelt leicht.
Er wird es auf jeden Fall nicht sein...
Schade...
Er würde mehr bringen, als einer dieser Gestörten hier.
Naja...

Mein Name ist Christian Adams und ich sitzte hier gerade tatsächlich in einer Selbsthilfegruppe... Aber nicht weil ich psychisch krank bin, abhängig oder etwas in der Art... Nein, das hat einen ganz anderen Grund...

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Noch nicht das Ende :)

Das MitternachtsspielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt