Kapitel 13

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Zwei Tage später kamen sie der Lösung des Problems näher. Devin hatte gerade das Haus verlassen und war auf dem Weg zum Alphahaus, weil wieder einmal ein Antrittsbesuch eines frischgebackenen Alphas anstand, als er plötzlich von hinten angerempelt wurde. Er stolperte drei Schritte vorwärts und hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten.

»Ungeschickt wie immer! Wenn das mal nicht unser Omegapinscher ist!«, tönte eine höhnische Stimme hinter ihm.

Aufgebracht fuhr Devin herum und wollte gerade zu einer Beschimpfung ansetzen, als er sich unterbrach. Vor ihm stand ein alter Bekannter in der Amtstracht der Mondwölfe.

»Alan!«

»Höchstpersönlich«, sagte der grinsend.

»Was tust du denn hier?«

»Man hat beschlossen, dass du einen Leibwächter aus Lunapolis brauchst. Jessie dachte, es wäre besser, wenn das zu Anfang jemand übernimmt, den du kennst und magst.«

»Und da schickt er dich? Na ja, er meinte ja auch, dass mir dieses komische Kleid steht. Einfühlungsvermögen war noch nie seine Stärke.«

Alan lachte.

»Apropos, wo ist denn deine Robe, Gesegneter? Jessie hat gesagt, ich soll unbedingt Fotos machen!«

»Dein Patriarch ist ein Arsch!«, fauchte Devin beleidigt.

»Na, na. Lass das nicht die Ältesten hören.«

»Wieso soll ich plötzlich einen Leibwächter brauchen?«

Alan zuckte mit den Schultern.

»Es gab da einen Vorfall. Rufus ist in Lunapolis aufgetaucht, kurz danach war Hektik und geheime Besprechungen.«

»Welchen Vorfall meinst du? Doch nicht etwa, weil ich mit Kyle mal drei Tage ungestört sein wollte?«

»Ach, die Geschichte, als du wieder läufig warst und mit Kyle in den Wald ausgebüchst bist? Ich hab davon gehört. Wegen so etwas würde doch nicht der Ältestenrat tagen. Nein, es geht um was anderes, aber mehr weiß ich auch nicht. War alles sehr geheim.«

»Ich geb dir gleich läufig! Du spielst immer noch deine Rolle als Schulrüpel, was?«

»Von alten Gewohnheiten ist schwer lassen«, antwortete Alan grinsend. »Aber was anderes: Hast du eine Matratze für mich in deinem Zimmer?«

»Was? Wieso?«

»Na, ich soll dir Tag und Nacht nicht von der Seite weichen.«

»Das ist nicht dein Ernst!«

»Muss auch keine extra Matratze sein. Wenn dein Bett breit genug ist, können wir beide da drin schlafen. Ich wollte schon immer mal mit einem Gesegneten ins Bett gehen. Aber ich muss dich warnen: Ich bin ein Deckenklauer.«

Fassungslos starrte Devin den feixenden Alpha an.

»Ich bringe Jessie um und die Mondwölfe können mir allmählich gestohlen bleiben!«

»Ach komm schon! Es gibt Schlimmeres. Wenn es sich einrichten lässt, werde ich in einer Woche oder so vom Ausbilder unserer Wächter abgelöst. Auch ein Bekannter von dir: Mr. Bowler. Der kann dir dann zum Einschlafen etwas über Vektorrechnung erzählen.«

Das hätte Devin gerade noch gefehlt. Sein ehemaliger Sport- und Mathematiklehrer in seinem Schlafzimmer!

»Vielleicht ist das gar nicht nötig.«

»Wie meinst du das?«

»Kyle und ich hatten überlegt, wieder zurück zur Wolfsburg zu gehen. Hier ist es nicht so toll.«

Er erzählte Alan von ihren bisherigen Erlebnissen.

»Hm, ich verstehe. Das müsste sich einrichten lassen. Was machst du jetzt?«

»Termin beim Alpha.«

»Dann geh du mal zu deiner Verabredung, ich telefoniere in der Zeit ein bisschen.«


Anderthalb Stunden später war die Besprechung vorüber und Alan empfing ihn vor der Tür.

»Alles geregelt, Devin. Lunapolis hält das für eine ausgezeichnete Idee und Rufus freut sich auf euch. Er lässt ausrichten, dass auch ein paar andere Schüler da seien. In drei Tagen fahren wir los.«

»Verdammt, bist du schnell! Ich muss ein paar Leuten Bescheid sagen. Kyle weiß auch noch nichts von seinem Glück. Komm mit!«

So machten sie sich auf den Weg zu den Richardsons. Kyle war erstaunt, Alan zu sehen, aber sofort Feuer und Flamme, als er das mit der Wolfsburg erfuhr. Kyles Mutter hörte sich den Plan an und schenkte Devin ein »Gut gemacht«-Lächeln, als sie die Reaktion ihres Sohnes sah.

»Ich werde gleich anfangen zu packen heute Abend! Wer von den anderen ist denn schon in der Wolfsburg, Alan?«

»Morris liegt immer noch im Koma. Elizabeth kümmert sich um ihn. Juan hat sich deswegen geweigert, zu seinem Rudel zurückzukehren, und ist jeden Tag bei ihm. Und dein alter Zimmerkumpel Mike ist auch da.«

Devin bekam ein schlechtes Gewissen. An Morris hatte er in der letzten Zeit überhaupt nicht mehr gedacht. Und obwohl er nichts dafür konnte, fühlte er sich irgendwie mitschuldig an Morris' Zustand.

»Mike ist auch da? Geil!«, freute sich Kyle.

Danach gingen er und Alan zu Devins Eltern. Er befürchtete, dass seine Mutter die Neuigkeiten nicht so begrüßen würde. Zunächst musterte sie Alan in seiner Amtstracht ein wenig unsicher, als Devin ihn vorstellte und ihr erklärte, dass er bei ihnen übernachten würde. Devin wusste, in ihrer Vorstellungswelt waren Mondwölfe alles ältere und respektable Persönlichkeiten. Alan war dafür eigentlich zu jung, aber schließlich gewann ihr Sinn für gutes Benehmen.

»Ich begrüße Euch als Gast in meinem Haus, Ehrwürdiger!«

»Oh bitte, nennen Sie mich Alan. Es ist mir eine Ehre, die Mutter des Gesegneten kennenzulernen.«

»Ich bin Veronica.«

Danach lernte Devin eine völlig neue Seite von Alan kennen. Es war faszinierend, die Verwandlung von Mr. Kotzbrocken zu Doktor »Schwiegermutters Liebling« zu beobachten. In der Schule hatte er immer die Rolle des flegelhaften Vollhonks gespielt, aber er konnte sehr charmant sein und wickelte Veronica im Nu um den Finger. Binnen weniger Minuten durfte Alan im Wohnzimmer Platz nehmen, »Du« zu Devins Mutter sagen und wurde bewirtet. Ruckzuck waren sie in ein Gespräch vertieft, während Devin abkommandiert wurde auf dem Dachboden die Luftmatratze zu suchen und ein Nachtlager für Alan herzurichten.

Als er wieder herunterkam, hörte er, dass Alan die vermeintliche Klippe schon bravourös umschifft hatte: »Darum bittet der Patriarch um Verständnis, dass wir deinen Sohn mitnehmen. Auf der Schule ist er sicherer als hier und wir können ihn besser auf seine Verpflichtungen vorbereiten. Und auch wir wollen noch so viel von ihm erfahren.«

»Natürlich, wenn es der Wunsch des Patriarchen ist, müssen die Bedenken einer Mutter manchmal zurückstehen. Ich habe mir ja auch schon Gedanken um seine Sicherheit gemacht, nach allem, was dieser Unwolf Clyde Blankenship angerichtet hat! Ah, Devin! Legst du für unseren Gast noch frische Handtücher raus?«

»Ich bitte dich, Veronica, mach dir doch keine Umstände«, wehrte Alan bescheiden ab.

»Aber das sind doch keine Umstände! Devin, du hast es gehört, also los!«

»Ich lebe, um zu dienen«, grummelte Devin halblaut vor sich hin und stapfte wieder nach oben, um das Bad wunschgemäß auszustaffieren.

Beim Abendessen wurde Devins Vater über die neuesten Entwicklungen informiert. Trevor schien wenig überrascht und dachte direkt an die praktischen Dinge.

»Devin wird erwachsen und hat das Recht, seinen eigenen Weg zu gehen. Aber du musst morgen Neil informieren. Er sollte es nicht von Dritten erfahren.«

So weit hatte Devin nicht gedacht. Doch sein Vater hatte recht: Ohne den Segen des Alphas ging es nicht. Devin ahnte, dass es Neil nicht gefallen würde.

Wolfswandler III: ZeitenwandlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt