Kapitel 27

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In den folgenden zwei Wochen kehrte so etwas wie Routine ein. Cassian wurde nach dem Frühstück gemäß Belindas ausgeklügeltem Lehrplan bei den Lehrern durchgereicht und schien sich auch mit Felek angefreundet zu haben. Jedenfalls traf man ihn öfter in Feleks Geräteschuppen oder bei ihm in der Küche an. Kyle widmete Mike viel Aufmerksamkeit, aber irgendwie kam er nicht an ihn heran. Ansonsten verbrachten Kyle und Devin ihre freie Zeit miteinander, meist auf ihrer Bude. Denn seit Peter angereist war und sich das Zimmer mit Alan teilte, schienen sich die beiden einen Wettstreit zu liefern, wer der bessere Leibwächter war. Sobald Devin den Fuß vor die Tür setzte, hatte er zwei Schatten, die ihm auf Schritt und Tritt folgten. Selbst ein erstklassiger Tobsuchtsanfall Devins änderte daran nichts. Morris erholte sich zusehends. Am dritten Tag führte Juan den immer noch geschwächten Morris in den Speisesaal, wo man ihn mit Applaus begrüßte. Auch hatte er anscheinend Juan etwas gebremst, der nicht mehr ganz so übertrieben dankbar gegenüber Devin auftrat. Mit anderen Worten, das Leben verlief für ihn wieder in erträglichen Bahnen. Da das Wetter mitspielte, verbrachten sie einige Nachmittage am See, selbstverständlich immer unter den wachen Augen der Leibwächter. Cassian stellte sich als unermüdliche Wasserratte heraus. Er hatte es sogar geschafft, Belinda zu überreden mitzukommen, wobei Devin nicht ganz verstand, wo für sie der Spaß war. Nachdem sie erst zehn Minuten lang immer mal wieder mit einer Zehe ins Wasser gestippt hatte, befand sie, dass es zu kalt sei. Vom sonnen hielt sie anscheinend auch nicht viel, denn sie suchte sich ein Plätzchen im Schatten, cremte sich kräftig mit Sonnenschutzmittel ein, trug einen Strandhut mit mörderbreiter Krempe und eine überdimensionale Sonnenbrille. Aber sie hatte zur Freude aller Anwesenden ein reichhaltiges Angebot an Süßigkeiten mitgebracht und verteilte sie gerne. Die Bauarbeiten schienen für Devins Begriffe kaum Fortschritte zu machen und nach einer Begehung mit dem Bauleiter machte auch Rufus ein ziemlich griesgrämiges Gesicht.

In einem Anfall von Arbeitswut hatte Devin sogar Alan gebeten, ihm nochmals sein ewiges Waterloo-Thema Vektorrechnung zu erklären. Und nach vielen Flüchen und Mutmaßungen, wozu man »diesen Schwachsinn« überhaupt brauchen könnte, schien manches nun endlich Sinn für Devin zu ergeben. Kyle hatte sich köstlich über Alans zunehmend verzweifeltere Versuche amüsiert, Devin das Thema anhand immer abstruserer Beispiele zu erklären.

»Dafür verlange ich von Lunapolis eine Erschwerniszulage!«, hatte Alan vor sich hingebrummelt, als er schließlich gegangen war.


Kyle war immer noch unzufrieden mit seinem Erfolg bei Mike. Dieser zog sich sehr zurück, rückte aber auch nicht mit der Sprache heraus, was los war. Wenn Kyle dezent nachfragte, ließ er ihn gekonnt ins Leere laufen. Also überraschte er Devin eines Abends mit seinem neuen Masterplan.

»Du-huu, Brummelchen, ich hätte da eine Idee.«

»Wenn du schon so anfängst, dann glaube ich nicht, dass sie mir gefallen wird. Schieß mal los.«

»Also, hier und da mal eine Stunde mit Mike zu verbringen, bringt nichts.«

»Du kannst ihn nicht zwingen, mit dir zu reden. Er wird es schon tun, wenn er will.«

»Genau. Darum habe ich mir überlegt, eine Gelegenheit zu schaffen, wo er reden will. Ich wollte mit ihm am Wochenende einen Zelttrip machen. Nur er und ich, alte Kumpels, zwei Männer und die Natur, Lagerfeuer, du weißt schon. Ich denke, dann wird er irgendwann reden.«

»Wo wollt ihr beiden Naturburschen denn ein Zelt und Schlafsäcke auftreiben?«

»Das ist schon geklärt. Du ahnst nicht, was Felek alles in seinem Geräteschuppen lagert.«

Das könnte tatsächlich funktionieren. Vielleicht taut Mike ja dabei auf.

»Na gut, ich will dir da nicht im Weg stehen. Dann versuch dein Glück bei Mike.«

»Danke, Brummelchen. Du bist der Beste.«

»Aber vergiss deine Ohrenstöpsel nicht. Du weißt doch hoffentlich noch, wie furchtbar laut Mike schnarcht?«

Kyle grinste.

»Ich verrate dir ein Geheimnis. Wenn er schnarcht, musst du Mike nur am Sack kraulen, dann gibt er Ruhe und schmatzt nur noch ein bisschen im Schlaf. Alter Trick eines ehemaligen Zimmerkollegen.«

»Warte. Was?«

Wolfswandler III: ZeitenwandlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt