Kapitel 46

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»Wo hattet ihr eigentlich eure Klamotten her? Ich will nicht wieder mein altes Zeug anziehen«, fragte Devin, nachdem sie aus dem Whirlpool gestiegen waren und sich abtrockneten.

Kyle deutete stumm auf das Ende des Regals. Dort lagen – fein säuberlich gestapelt – hellgraue Jogginghosen und weiße T-Shirts in verschiedenen Größen.

»Keine Unterwäsche?«, fragte Devin und wühlte sich durch die Wäschestapel auf der Suche nach der passenden Größe.

»Nope«, beschied ihm Mike. »Nur draußen in der komischen Truhe am Bett liegt jede Menge Reizwäsche und Fetischzeugs, aber das scheint jemandem zu gehören. Und an meine edlen Teile kommt nichts, was schon einmal Kontakt mit einem Leichensack hatte.«

Das wiederum konnte Devin voll und ganz nachvollziehen und schlüpfte in die grauen Jogginghosen. Dennoch neugierig geworden inspizierte er den Inhalt der Truhe. Leder und glänzendes Latex, Stringtangas, ein verwirrendes Teil, das nur aus verschiedenen Schnüren zu bestehen schien und ein äußerst merkwürdiges, innen mit Leder gepolstertes Metallteil. Es bestand aus einem gewölbten Part, ungefähr handtellergroß, an dem unten im 90° Grad Winkel ein halbrunder Metallstab befestigt war, an dessen Ende wiederum ein silbern glänzender, abgerundeter und sich verdickender Pflock befand, der zu dem gewölbten Teil zeigte, etwa daumendick an der Basis.

»Was soll denn das sein? Eine Mini-Satellitenschüssel?«

Fragend hielt er das seltsame Gebilde an dem Pflock hoch und zeigte es den anderen.

Mike warf einen kurzen Blick darauf und meinte: »Das ist sowas wie eine Unterhose.«

»Was? Wie hält das denn?«

»Na ja, den Teil, an dem du es gerade festhältst, den schiebt man sich in den ...«

Doch Devin hatte bereits verstanden. Seine Fantasie illustrierte ihm gerade mit unerwünschter Deutlichkeit, wie genau dieses Wunderwerk am Platz gehalten wurde.

»Ach igitt!«, entfuhr es ihm und er ließ das Teil fallen, als ob es plötzlich glühend heiß geworden wäre. Hektisch stürzte er ins Bad, um sich gründlichst die Hände zu waschen.

Und ich dachte, Vampire sind bloß blutgeil!

Energisch schrubbte er sich noch einmal die Hände.


Die nächsten Stunden verbrachten sie mit belanglosen Themen, falls sie doch jemand abhören würde. Devin aß zwei Stücke kalte Pizza und sie zockten an der Playstation gegeneinander. Endlich kam Devin nach all den Sorgen und Aufregungen wieder etwas zur Ruhe, was sich schon bald mit einem herzhaften Gähnen bemerkbar machte. Die anderen beiden sahen auch müde aus. Schließlich pfefferte Kyle seinen Controller auf den Tisch und meinte: »Leute, ihr könnt ja gern noch weitermachen, ich will jetzt pennen.«

»Wie machen wir es denn mit dem Schlafen?«, fragte Mike mit einem Seitenblick auf das einzige Bett im Zimmer.

»Das Bett ist doch breit genug für drei. Wir schlafen alle da drin«, antwortete Devin.

»Ich will euch aber nicht stören. Ich meine, ihr seid Mates und ...«

»Alter, glaub mir, danach steht mir momentan gerade gar nicht der Sinn und wenn ich wirklich eine Tiefenbohrung in Devins Mokkadiele geplant hätte, würdest du mich nicht abhalten«, gab Kyle zurück.

»Das liebe ich an Kyle. Er ist so ein Romantiker«, kommentierte Devin süß-säuerlich.


Schließlich lagen alle drei im Bett, Devin zwischen den beiden. So ganz konnte er seine Gedanken nicht abschalten, dafür war zu viel passiert. Sein Vertrauen in die Mondwölfe war erschüttert worden und von Jessies Reaktion war er auf einer persönlichen Ebene sehr enttäuscht. Und wie erklärte sich die widersprüchliche Vorgehensweise der Vampire?

Einerseits entführen sie uns gegen unseren Willen, andererseits behandeln sie uns gut. Wenn sie uns etwas hätten antun wollen, hätten sie das einfacher haben können. Die waren schließlich ausgezeichnet informiert über Kyle, mich, die Wolfsburg und alles.

Doch Kopfzerbrechen brachte nichts, er musste das Gespräch mit Marcus abwarten. Devin erinnerte sich an die schöne Zeit, die er und Kyle auf der kleinen Insel in ihrem Rudelgebiet verbracht hatten, und driftete bei diesem Gedanken sacht in den Schlaf.


Was zum Teufel?

Alarmiert fuhr Devin hoch. Ein plötzliches, infernalisches Getöse direkt neben ihm hatte ihn erschreckt. Im Dunkeln brauchte er einen Moment, um zu realisieren, was die Ursache dafür war. Es hörte sich an wie ein Schwein, das durch ein Megafon grunzte.

Ach Scheiße, Mike und seine Schnarcherei!

Beim Einatmen produzierte er diese Schallereignisse in einer beachtlichen Lautstärke, beim Ausatmen war ein hohes Pfeifen zu hören.

Das darf alles nicht wahr sein!

Verzweifelt hielt sich Devin die Ohren zu. Er bemerkte auch, dass Kyle neben ihm unruhig wurde und wie sich ein Arm über seine Hüfte schob.

Der will doch wohl jetzt nicht fummeln?

Er drehte sich zu Kyle, der ihn im schwachen Schein der Uhr an der Mikrowelle entschuldigend ansah. Er wollte gerade den Arm wegschieben, als ihm klar wurde, dass er gar nicht das Ziel war. Mit der Hand tastete er den Arm entlang, der in Mikes Jogginghose verschwand. Gleich darauf schmatzte Mike ein paar Mal, dann kehrte endlich wieder Ruhe ein.

»Alter Mitbewohnertrick«, flüsterte Kyle ihm zu und schloss die Augen.

Oh Luna! Du hast wirklich einen perversen Sinn für Humor!

Ihm war, als hörte er ein silberhelles Lachen, bevor er wieder in den Schlaf glitt.

Wolfswandler III: ZeitenwandlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt