Kapitel 26

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Am Morgen danach fühlte Devin sich etwas wund und Alan um seine Nachtruhe gebracht. Beim Frühstück erklärte er Cassian, dass Belinda Ramsey seine schulische Ausbildung organisieren würde, und stellte sie einander vor. Nichts war von der immer fröhlichen Sekretärin geblieben, die früher einen Hang zu flippigen Outfits hatte, und nun in trübem Schwarz desinteressiert vor sich hin brütete. Doch als er ihr Cassians Vorgeschichte erzählte, glomm der Funke von Interesse in ihren Augen auf, der sich zunehmend zum Feuer entfachte. Sie hatte wieder eine Aufgabe.

»Aus dir machen wir eine Ameise unter den Blattläusen!«, hatte sie dem verwirrten Jungen erklärt und ihm aufmunternd den Arm getätschelt.

Als er und Cassian sie wieder verließen, war der alte Tatendrang zurückgekehrt. Cassian sollte nach dem Mittagessen zu ihr kommen, bis dahin wollte sie alle in Frage kommenden Lehrer zu »freiwilligen« Intensivbetreuungen verpflichten. Rufus' Rechnung sie betreffend schien also aufzugehen.

Kyle war nach dem Frühstück mit Mike losgezogen, um weiß der Teufel was »wie in den alten Zeiten« zu unternehmen. Devin und Mike waren zwar ebenfalls Freunde, aber Kyle und Mike hatten einfach einen anderen Draht zueinander als ehemalige Zimmergenossen. Also wollte er nicht stören und widmete sich seinem Projekt Cassian. Er schleppte den Kleinen wieder zu Elizabeth, damit diese noch die Blutuntersuchung machen konnte, die am Tag zuvor wegen spontaner Wunderheilung unter die Räder gekommen war.

Das gestaltete sich schwieriger, als Devin gedacht hatte. Cassians Abneigung gegen Ärzte im Allgemeinen war offenkundig gewesen, aber als Elizabeth mit einer Spritze auf ihn zukam, flippte er aus. Winselnd flüchtete er sich hinter Devin, um sich zu verstecken. Alles gute Zureden half nichts, bis Elizabeth eine Idee hatte, die Devin allerdings auch nicht toll fand.

»Das tut fast überhaupt nicht weh und ist ganz schnell wieder vorbei. Willst du mal zusehen, wie ich das bei Devin mache?«

Cassian nickte, aber hielt den Blick weiter nur auf die Spritze fixiert. Elizabeth blickte Devin auffordernd an und seufzend ergab er sich in sein Schicksal. Interessiert kam der Kleine näher und schaute sich genau an, wie sich die Nadel in Devins Fleisch bohrte und natürlich beim ersten Mal die Ader verfehlte.

»Hups«, entschuldigte sich Elizabeth, »Vorführeffekt. Siehst du, man muss eine Ader suchen, die gut sichtbar ist und am besten etwas pulsiert.«

»Da ist eine!«, sagte Cassian eifrig und deutete auf eine andere Stelle an Devins Arm. »Hau ihm dort nochmal die Nadel rein!«

»Meinst du? Na gut, auf deine Verantwortung.«

Als die Kanüle wieder seine Haut durchbohrte, bereute Devin seine Rolle als erwachsener, cooler Omega allmählich. Sein Unbehagen verstärkte sich, als er der weiteren Konversation folgte.

»Schade, kein Glück. Da müssen wir wohl noch mal woanders schauen.«

»Nein, nein, da ist eine Ader! Du musst einfach fester zustechen!«

Bevor Devin protestieren konnte, testete Elizabeth Cassians Ratschlag. Nach einem kurzen Schmerz quoll das Blut heraus. Schnell hängte sie verschiedene Röhrchen an.

»Wir wollten sowieso das Blut des Gesegneten nochmal ausführlich untersuchen, die Gelegenheit ist also günstig«, erklärte sie lächelnd. Sie zog die Nadel aus Devins Arm und hielt ihm ein Wattepad hin.

»Draufdrücken!«

In Ruhe beschriftete sie die blutgefüllten Ampullen, dann wühlte sie in einer Schublade herum.

»Die haben mir beim letzten Mal versehentlich nur Kinderpflaster geschickt. Devin, du hast die Wahl zwischen Eiskönigin, Prinzessin Lillifee oder Peppa Wutz.«

»Also Elizabeth, ich bin fast achtzehn! Hast du kein Star Wars mehr?«

Kurz darauf zierte Peppa Wutz seinen Arm, aber wenigstens war der Zweck der Übung erreicht: Cassian ließ sich bereitwillig Blut abnehmen und gab Elizabeth mit Expertenmiene sogar Ratschläge, wo sie am besten zustechen sollte.

Danach kam er zu seinem zweiten Anliegen.

»Wie geht es Morris, Elizabeth?«

»Oh, der ist definitiv auf dem Weg zur Besserung. Sein Wolf meldet sich auch wieder. Als Juan ihm heute Morgen einen Haferschleim zum Frühstück servieren wollte, hat er jedenfalls böse geknurrt, die Schüssel vom Tablett gefegt und ziemlich barsch nach Fleisch verlangt. Der arme Juan war völlig durch den Wind. Ist es wohl nach all der Zeit nicht mehr gewohnt, dass ihm sein Mate auch mal widerspricht.«

»Also kann ich ihn kurz besuchen?«

»Ja, klar. Er hat schon nach dir gefragt.«

Er ließ Cassian in Elizabeths Obhut, die ihm irgendwelche medizinischen Geräte erklärte und klopfte an Morris' Tür.

Erleichtert hörte er die leise, aber unverkennbare Stimme von ihm.

»Herein!«

»Hey, Morris! Wie geht's dir?«

»Der Nächste, der mir diese Frage stellt, kriegt eine dieser verkochten Karotten an den Kopf, die man mir hier ständig aufdrängt!«

Devin grinste.

»Ah, fast wieder der Alte!«

»Schön wär's! Ich kann hier nur rumliegen, bin zu schwach für alles Mögliche und Juan will mich ständig in Watte packen! Ich geh mir schon selber auf die Nerven, ich bin froh, wenn ich hier raus kann.«

»Versteh ich. Apropos Juan, wo ist der denn?«

»Den habe ich losgeschickt, um andere Klamotten und etwas Anständiges zum Essen zu organisieren.« Übergangslos wurde er ernsthaft. »Er hat mir erzählt, was passiert ist. Ich möchte mich bei dir bedanken, Devin.«

»Ich habe doch gar nichts gemacht!«

»Das weiß ich wohl besser, oder? Du hast mich wieder zurückgeholt, ansonsten läge ich immer noch hier und würde vor mich hindämmern.«

Devin gab es auf. Die Geschichte hatte eine Eigendynamik entwickelt, gegen die er machtlos war.

»Urwolf, Gesegneter und nun auch Heiler. Luna muss wirklich Großes mit dir vorhaben.«

»Ich frage mich nur manchmal, ob sie mich nicht überschätzt«, seufzte Devin.

»Glaube ich nicht. Sie hat sich nicht umsonst eine sture Nervensäge dafür ausgesucht.«

Morris grinste Devin schief an.

»Mach, dass du gesund wirst. Ich will dir in den Hintern treten!«

Wolfswandler III: ZeitenwandlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt