Kapitel 34

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Caleb streckte sich auf dem Bett in seiner provisorischen Zelle aus.

Wenigstens gibt es hier etwas Komfort und keine Fenster. Das ist schon mal besser, als ich befürchtet hatte.

Er lauschte nach draußen, aber es war außer den regelmäßigen Atemzügen seiner Bewacher nichts zu hören. Nachdem man ihn eingesperrt hatte, gab es danach einen kurzen Tumult und lebhafte Diskussionen, seither war Ruhe. Seine Wärter hatten wohl gewechselt, das hatte er durch die geschlossene Tür riechen können. Sorin und die Aufzeichnungen, die er studiert hatte, hatten nicht übertrieben. Diese Werwölfe zeichneten sich wirklich durch einen penetranten Geruch nach nassem Hund aus. Dagegen hatte selbst Theron nach seinem Bad in Sorins Whirlpool geradezu lieblich gerochen. Als Vampir musste er zum Glück nicht atmen und verzichtete unter diesen Umständen auch gerne darauf. Bis jetzt war alles nach Plan verlaufen, Kevin, Calebs damaliges Testobjekt für professionelles Beißen, hatte als Sorins Spion auf der Baustelle erstklassige Arbeit geleistet. Die Karte der Wolfsburg stammte von ihm. Er konnte den Urwolf und seinen Gefährten dank dieses anderen geschwätzigen Wolfs identifizieren, hatte ein Foto von ihnen an Sorin geschickt und dann vor ein paar Tagen zufällig belauscht, dass der Mate des Urwolfs mit einem anderen Werwolf irgendwo in der Wildnis campen wollte. Als diese Nachricht Marcus erreichte, hatte man den ursprünglichen Plan über den Haufen geworfen und beschleunigt.

»Günstige Gelegenheiten muss man nutzen«, hatte Marcus pragmatisch festgestellt.

In seiner Mittagspause hatte Kevin sich in den Geräteschuppen geschlichen und das Zelt mit zwei Peilsendern versehen. Einer befand sich mit Kaugummi befestigt im Inneren einer Zeltstange, den anderen hatte er zwischen die beiden Schichten der Zelthaut geschoben. Selbst wenn durch Zufall einer gefunden worden wäre, hätte der andere immer noch zuverlässig die Position gesendet. Aber dieser doppelte Boden war gar nicht notwendig gewesen. Sorin, Lucien und Derek hatten sie mühelos aufspüren und überwältigen können.

Jetzt kam allerdings der Part, auf den sie kaum Einfluss hatten. Sie mussten abwarten, wie die Werwölfe reagierten. Bei der Planung waren sie verschiedene Szenarien durchgegangen, manche davon beinhalteten für Caleb ein unerfreuliches Ende, wurden aber von Sorin und Marcus als wenig wahrscheinlich verworfen. Es hatte Caleb nicht unbedingt beruhigt, dass sein Überleben von purer Einschätzung abhing, aber was sollte er tun? Am realistischsten hielten alle Beteiligten zum Schluss die Variante, dass die Werwölfe sich erst einen Tag lang beraten und dann ein Treffen auf neutralem Boden vorschlagen würden. Das bedeutete für Caleb, dass er mindestens einen Tag in den Händen der Werwölfe verbringen müsste. Weitere Bedenken Calebs hatte Sorin beiseitegewischt: »Dir passiert nichts. Ich bin zuversichtlich.«

Das Problem war nur, dass Sorin immer zuversichtlich war, speziell, was seine eigenen Pläne anging. Vorsorglich hatte Caleb extra viel Blut vor seiner Mission getrunken, denn wer konnte wissen, wie lange er auf dem Trockenen sitzen würde?

Um das Risiko auch für Sorin etwas zu erhöhen, hatte Caleb bei Marcus darauf bestanden, dass er mit Sorins Wagen zur Wolfsburg fuhr. Sorins Protest hatte nichts genutzt, so musste er wehmütig zusehen, wie Caleb mit seinem Augapfel davonfuhr.

Falls doch etwas schiefgeht, hat Sorin wenigstens Grund, zu trauern.

Gelangweilt sah sich Caleb in seiner Zwangsunterkunft um. Es war leidlich wohnlich eingerichtet mit einem Bett, Tisch und zwei Stühlen. Sogar an ein Campingklo hatte irgendjemand freundlicherweise gedacht, auch wenn das in Calebs Fall überflüssig war. Er fragte sich, wozu dieser Raum normalerweise benutzt wurde. Wahrscheinlich machte der Hausmeister hier drin sein Mittagsschläfchen.

Caleb hatte Rufus sofort von der Videokonferenz damals mit Marcus erkannt. Erstaunt war er aber von dem Urwolf. Er selbst zählte mit einer Größe von 1,83 Metern nicht zu den Riesen, doch dieser Devin Williams war noch einmal ein Stückchen kleiner als er selbst. In seiner Vorstellung war seine Erscheinung irgendwie imposanter gewesen. Die größte Überraschung war allerdings gewesen, als Caleb mehr aus Gewohnheit geatmet hatte und etwas Ungewöhnliches gerochen hatte. Ein intensives Schnüffeln bestätigte seinen Verdacht: Ein Doppelblut. Das hatten sie vorher nicht gewusst, daher mussten Marcus und Sorin unbedingt davon erfahren. Aber im Moment blieb ihm nur abzuwarten, was die Wölfe unternehmen würden.

Wolfswandler III: ZeitenwandlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt