Gehetzt presste ich mich mit dem Rücken gegen die raue Wand. Mein Atem rasselte verräterisch laut vor Anstrengung. Meine Brust hob sich immer wieder schwer und drückte gegen die schusssichere Weste. Entschlossen festigte ich den Griff um die schallgedämpfte Pistole, den Finger am Abzug, und zwang meine Atmung zur Ruhe. Konzentrierte mich allein auf mein Gehör und lauschte den Schritten, die im schnellen Tempo immer näher kamen. Die langen, kahlen Gänge ließen sie deutlich widerhallen.
Nur noch 5 Schritte, dann würde er um die Ecke treten.
4...
Ich drehte mich seitlich zur Wand.
3...
Zielte mit der Waffe.
2...
Hielt den Atem an.
1...
Und blickte in ein fremdes Gesicht. Ein weißes dreckiges Unterhemd, eine lange Hose. Ein breites Maschinengewehr vor der Brust. Noch bevor der Fremde seine Waffe auf mich richten konnte schoss ich. Zweimal hintereinander. Ein Keuchen entkam seinen Lippen. Worte, die ich nicht mehr verstand. Er fiel auf die Knie und sackte zur Seite. Ich löste meinen Blick von ihm und ging schnellen Schrittes weiter. In die Richtung, aus der er gekommen war. Die Richtung, in der ich mehr von ihm vermutete.Schon nach wenigen Schritten ließ mich ein leises Geräusch innehalten. Direkt neben mir eine alte angelehnte Holztür. Automatisch hielt ich die Waffe im Anschlag. Mein Herz klopfte wild, das Adrenalin strömte durch meine Venen. Ein bekanntes Gefühl. Ein Gefühl, das langsam zur Sucht wurde.
Mit einem kräftigen Tritt stieß ich die Tür auf. Ein leiser Aufschrei folgte dem Knall der Tür und ich betrat alarmiert den fremden Raum. Direkt vor mir stand, in der Mitte des kleinen Raumes, ein quadratischer Tisch. Vier alte Holzstühle darum. Einer lag umgeworfen auf dem staubigen Boden. Und mir gegenüber, im Visier meiner Waffe, hockte ein kleines Mädchen.
Die Beine dicht an den Körper gezogen. Die Arme fest darum geschlungen. Ihr linker Haargummi hatte sich gelöst und nur die Hälfte ihrer Haare war noch schick frisiert. Ihre großen Augen starrten angsterfüllt auf die Waffe.
Eine Erinnerung flackerte auf. Ich an ihrer Stelle. Auf dem kalten Fliesenboden. Wenige Meter vor mir starrten mich die toten Augen meines Vaters an.
Energisch schob ich diese Erinnerung zurück in die Tiefen meines Hirns. Genauso wie die damit verbunden Emotionen. Mein Blick flog suchend durch den Raum, in die noch ungesehenen Ecken. Aber ich war mit dem Mädchen allein. Vorsichtig steckte ich die Waffe weg und hockte mich vor sie. Sie starrte mich nur stumm an.
»Alles wird gut.«, sprach ich sanft. »Ich bringe dich hier raus.« Vorsichtig streckte ich die Hand nach ihr aus. Die Kleine sah einen Moment auf die Hand, dann auf meine Kleidung, schwarze Montur, anders als das, was die bösen Männer trugen, und griff schließlich nach meiner Hand wie nach einem rettenden Anker. Fest umschlossen meine Finger ihre kleine Hand.
»Komm. Wir gehen weg von hier.«
Sie nickte eifrig und erhob sich gemeinsam mit mir. Vorsichtig zog ich meine Waffe. »Die beschützt uns.«, erklärte ich ihr, als sie mit ängstlichem Blick meine Bewegungen verfolgte. Dann nickte sie erneut. Ihre kleine Hand umgriff meine Finger fester.
Gemeinsam liefen wir den kahlen Gang entlang. Wieder zurück. Zum Ausgang. Mein Herz schlug jetzt etwas schneller. Mein Gehör war etwas schärfer. Denn jetzt ging es nicht mehr nur um mein Leben. Es ging um die Kleine. Und ich würde nicht zulassen, dass ihr etwas passierte.
Ein kurzer Schock fuhr durch meinen Körper, als eine Stimme direkt in meinem Ohr ertönte.
»Simi, ich geh bei dir rein.«
Nino hatte sich über Funk gemeldet. Ich legte einen Finger an das kleine Gerät in meinem Ohr. »Ich komme dir entgegen und bringe eine Geisel mit.«
Wir trafen bei der Leiche an der Ecke aufeinander. Die Kleine bekam sofort wieder große Augen und ich schob sie eilig Nino zu.
»Bring sie hier raus.«, bat ich meinen besten Freund. Das Mädchen wanderte völlig freiwillig von meiner zu seiner Hand und klammerte sich an ihn wie an einen Rettungsring.
Mit seinen lockigen blonden Haaren und den freundlichen Augen war es völlig egal wie tödlich die Waffe in seinen Händen sein konnte. Nino war jemand, vor dem man keine Angst haben konnte. Wenn man genau hinsah, entdeckte man sogar kleine freche Sommersprossen in seinem Gesicht.
Nino nickte. »Theo braucht an seinem Eingang Hilfe.«, gab er mir weiter.
Ich drehte mich um, ging zurück in den Gang. »Bin auf dem Weg.«
Dem Weg, den mir das Leben vorherbestimmt hatte. In das ich gewaltvoll gezogen wurde. Ein Leben, das mich gelehrt hatte den Abzug zu betätigen. Und mittlerweile viel es mir erschreckend leicht ein Leben zu nehmen. Das was mich antrieb waren die Gedanken an die Hilflosen. An das kleine Mädchen, das Dinge erlebt hatte, die niemand je erleben sollte. Genau wie ich es damals nicht hätte erleben sollen. Aber jetzt war ich hier. Mit Waffe im Anschlag im Stützpunkt einer Terrororganisation mitten in Argentinien. Ich dachte, dass es für immer so weiter gehen würde. Aber diese eine Mission veränderte mein ganzes vorherbestimmtes Leben. Dieser eine Mann veränderte alles.
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HATE LOVING YOU - Fighters of Justice
Acción*Update jeden Freitag* Hass und Liebe liegen manchmal so nah beieinander, dass wir sie kaum unterscheiden können. 4 Männer, 1 Frau. In den Medien hört man immer wieder von den unabhängigen Kämpfern, die Terroranschläge verhindern und Mafiosi vor Ger...