Kapitel 17 (!)

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"Justin?", rufe ich ehe ich wirklich ernsthaft darüber nachgedacht habe. Justin dreht sich langsam um und schaut mich wartend an. Ich zögere, weiß nicht so recht was ich sagen soll.
"Es tut mir leid, aber ich habe wirklich Besuch", entschuldige ich mich und schließe dann die Tür. Ich will mich jetzt wirklich nicht mit Justin auseinandersetzen während Lila hier ist.
"Wer war das?", ertönt Lilas Stimme hinter mir. Ich drehe mich langsam zu ihr um und an ihrem Blick sehe ich, dass sie schon längst ahnt wer da war.
"Justin", antworte ich und ringe mir ein Lächeln ab. Lila schaut mich fragend an.
"Er wollte sich bei mir entschuldigen."
"Und warum wollte er sich entschuldigen?"
"Weil er mir ein paar Dinge an den Kopf geworfen hat. Aber jetzt hören wir auf über Justin zu reden. Berichte du mir lieber von Harry", fordere ich sie auf und zwinkere ihr zu. Lila verzieht den Mund zu einem Lächeln und fängt an mir zu erzählen worüber die beiden sich alles unterhalten haben. Mir kommt es so vor als hätte sie kein einziges Wort welches die beiden gestern gewechselt haben vergessen. Ich höre ihr die ganze Zeit aufmerksam zu und stelle ab und an ein paar Fragen.
"Und er hat keine Freundin aber er sagt, dass es da ein Mädchen gibt, das ihm gefällt", beendet sie ihre Rede zweifelnd, "Was meinst? Wer kann es sein?"
Ich zucke mit den Schultern und weiß nicht wirklich wie ich sie aufmuntern soll "Vielleicht war das ja ein kleiner Hinweis. Er wollte dir bestimmt damit sagen, dass du gemeint bist."
Lila zuckt mit den Schultern, sie scheint an meinen Worten zu zweifeln. Dann schüttelt sie mit dem Kopf "Nein, wir haben uns gestern das erste Mal unterhalten und Harry ist nicht so ein Typ. Ich habe ihn vielleicht zwei oder drei mal mit einem Mädchen gesehen und mit dir-" Dann stockt sie. Versucht ihre Gedanken wahrscheinlich gerade irgendwie miteinander zu verknüpfen. Ich grüble mit ihr, weiß aber nicht genau was gerade in ihrem Kopf vor sich geht. Lila holt laut Luft und schaut mich dann entsetzt an "Er hat dich gemeint. Natürlich das ergibt alles einen Sinn."
Ich muss anfangen zu lachen "Nur, weil wir einmal ausgegangen sind heißt es nicht, dass er in mich verliebt ist." Als dieser Satz meinen Mund verlassen hat erstickt mein Lachen. Ich halte mir die Hand vor den Mund und Lila schaut mich verletzt an.
"Du bist mit ihm ausgegangen?", flüstert sie. Ich nicke zaghaft.
"Es war nur ein Treffen unter Freunden. Ich schwöre es dir."
Lila schüttelt nur traurig den Kopf und geht dann mit schnellen Schritten zur Tür "Wenn es nur ein Treffen unter Freunden gewesen ist, warum hast du mir dann nichts erzählt?"
Ich sehe wie sie krampfhaft versucht ihre Tränen wegzublinzeln. Mein Herz fängt bei diesem Anblick an wehzutun. Lila ist immer das fröhliche Mädchen und das habe ich gerade geändert.
"Lila, hör zu. Ich habe es dir nicht erzählt, weil ich nicht wollte, dass du verletzt bist. Es war wirklich nur ein Treffen unter Freun-" Sie bringt mich mit einem Kopfschütteln zum Schweigen.
"Ich weiß nicht was ich schlimmer finden soll, die Tatsache, dass du mit dem Jungen ausgehst den ich liebe oder, dass du es mir verheimlicht hast."
Ich will ihr antworten, will mich verteidigen. Aber kein einziges verdammtes Wort verlässt meinen Mund.
"Wahrscheinlich ist es die Kombination aus beiden." Ihre Stimme zittert. In dem Moment als sie ihren Kopf wegdreht verlässt eine einzelne Träne ihr Auge. Das war wahrscheinlich zu viel für sie, denn im nächsten Moment höre ich die Tür knallen. Ich habe Lila, meine einzig wirkliche Freundin verletzt. Nun laufen auch mir die Tränen über mein Gesicht. Wie konnte ich nur so dumm sein und mit Harry ausgehen? Ich hätte wissen müssen, dass Lila das falsch interpretiert.
Mit zitternden Beinen gehe ich langsam nach oben. Ich bin so wütend auf mich selbst. Ich greife zaghaft nach der Schachtel und ziehe mir meine Hose aus. Irgendwie muss ich ja dafür büßen. Vielleicht will ich mich auch gar nicht bestrafen sondern durch den Schmerz einfach nur vergessen. Schnell fahre ich mit der Klinge über die Haut. Keine Ahnung wie oft ich es tue. Aber ich spüre schon das Blut an meinen Waden hinunterlaufen. Irgendwann schmeiße ich die Klinge weg und renne weinend ins Badezimmer. Dort lasse ich mich auf dem Badewannenrand nieder und warte am ganzen Körper zitternd bis die Wunden aufhören zu bluten . Danach säubere ich meine Beine, trockne sie ab, putze den Boden verstecke die Klingen und so weiter. Es ist schon zur Routine geworden. Es sind immer die gleichen Vorgänge. Ich streife mir meine Röhrenjeans über. Der enge, raue Stoff reibt und brennt auf meiner Haut, mit jedem Schritt durchfährt mich ein leichter Schmerz, doch irgendwann gewöhne ich mich daran. Es ist nur noch ein dauerhaftes Brennen.

Strangers (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt