Kapitel 9

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"Ich weiß, ich weiß", beschwichtige ich sie lachend, "Also das nächste Mal begleitest du uns." Zur Antwort schüttelt Lila nur aurgeregt den Kopf und dann geht auch schon der Unterricht los. Wir haben Chemie und da Lila und ich ja nur zu zweit sind, weil letzte Stunde nicht alle da waren bekommen wir unseren dritten Partner, Dan, einer aus Justins und Harrys Freundeskreis. "So sieht man sich wieder", lächelt Dan und setzt sich zu uns. Lila schaut mich überrascht an. "Was?"

"Du bist seit kurzem auf dieser Schule und hast mit mehr Leuten zu tun als ich", lacht sie. Ich zucke mit den Schultern "Ich hab´s halt drauf." Wir erarbeiten die restliche Zeit das Protokoll und unterhalten uns zwischendurch über mein Leben in Miami und über Gerüchte von irgendwelchen Schülern die ich nicht einmal kenne. Die Zeit ist sehr schnell vergangen und wir verabreden uns alle drei für Freitagabend und danach würden wir alle zusammen zum CBC gehen, auch wenn ich keine Lust habe, und Harry würde natürlich auch da sein. Als nächstes habe ich Philosophie und ich setze mich wahllos auf irgendeinen Platz. Unser Lehrer kommt herein und begrüßt uns freudig.

"So, letzte Stunden habt ihr ja notiert, was eure Ängste sind und ich möchte, dass ihr die Texte bitte einmal hervorholt." Ich greife nach meinem Hefter und und suche nach dem Zettel, den ich aber nicht mehr finden kann. Hoffentlich habe ich ihn nicht verloren, denn dann wüsste irgendwer über meine Ängtste Bescheid, irgendjemand den ich nicht kenne kennt mich nun. Ach was denke ich da. Der Text liegt bestimmt irgendwo zu Hause. 

"Möchte irgendwer seinen Text vorlesen?", fragt er, aber kein will das so recht. "Gut das habe ich mir gedacht. Ihr sollt jetzt darüber schreiben, wie ihr denkt diese Angst besiegen zu können, oder was euch helfen könnte diese Angst zu verringern." Durch die Klasse geht ein Stöhnen. Ich habe über meine Berührungsängste geschrieben, dass ich es allgemein schrecklich finde angefasst zu werden und, dass ich weinen könnte wenn ich an Oberarmen und Oberschenkeln berührt werde. Was könnte mir helfen, diese Angst loszuwerden? Ich schreibe auf, dass ein anderer Vater diese Angst hätte verhindern, aber jetzt ist es zu spät. Jetzt kann nichts mehr diese Angst verschwinden lassen. Ich werde damit leben müssen. Der Lehrer bleibt bei mir stehen "Da steht aber wenig." Ich zucke mit den Schultern "Wenn es nichts gibt das hilft, kann da auch nichts stehen." 

"Lass mich mal lesen", sagt er und greift nach meinem Zettel. Ich nehme ihm den wieder weg "Das geht Sie nichts an."

"Es wird doch keiner erfahren welche Angst du hast", will er mich überreden und greift wieder nach dem Zettel. "Wenn sie mich dafür bestrafen wollen, dass ich so wenig ausgeschrieben habe, dann bitte. Aber bitte respektieren Sie, dass das hier niemanden etwas angeht und das soll auch so bleiben." Ich versuche ruhig zu bleiben. Er legt mir eine Hand auf die Schulter und ich schüttle sie ruckartig ab. Wenn er nur wüsste was meine Angst ist. Ich fühle mich eingeengt, als würde ich keine Luft mehr kriegen und ich spüre wie meine Augen anfangen zu brennen "Fassen Sie mich nicht an", flüstere ich noch und stürme dann aus dem Raum. Das war zu viel, er hat mich vor meiner Klasse demütigen wollen und hat mich in dieser Situation auch noch berührt. Das war eindeutig zu viel für mich. Die Tränen wollen aus meinen Augen, doch ich lasse es nicht zu. Ich bin stark, ich werde nicht weinen. Noch eine Sache, die ich hasse oder besser gesagt nicht kann, ich kann nicht vor anderen weinen. Ich schäme mich für meine Tränen, niemand soll sehen, dass ich nicht stark bin. Bevor ich wirklich noch anfange vor anderen zu weinen begebe ich mich lieber nach draußen. Dort setze ich mich auf einen Stein und schließe die Augen. Tief einatmen, langsam wieder ausatmen. Die Stelle an der ich berührt wurde brennt innerlich. Eine Träne verlässt mein Auge und diese wische ich sofort weg. 

Ich habe keine Ahnung wie lange ich jetzt schon hier sitze, es können zehn Minuten gewesen sein oder auch 30, auf jeden Fall beschließe ich wieder in die Schule zu gehen, denn die Sonne knallt auf meine Beine und da diese von einer schwarzen Hose umgeben sind, die die Wärme sehr schön aufnimmt, brennen diese ganz schön. Ohne mich umzuschauen gehe ich zu meinem Mathekurs und setze mich hin. Einige die auch in dem Philosophiekurs waren schauen mich an, sagen aber nichts. Mitten im Unterricht flüstert jemand meinen Namen. Ich drehe mich und blicke in Justins Augen.

Strangers (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt