FREMDE GEDANKEN

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Er hatte seinen Vater zum Glück dazu überreden können, wieder zurück nach Black Diamond zu fahren. Er wusste, dass es besser so wäre. Kath wollte ihren Papa im Moment nicht sehen und er verstand das vollkommen. Auch ihm war es schwer gefallen ihrem Vater nicht die Schuld zuzuschieben und ihn anzuschreien, aber er hatte es geschafft und vielleicht würde er seinem Vater irgendwann dafür vergeben können, was er seiner kleinen Schwester angetan hatte.

Er lag im Bett, doch an Schlaf war nicht zu denken. Sein Vater hatte ihm, bevor er gegangen war noch einen Stapel an Blättern in die Hand gedrückt, alle mit Kathleens krakeliger Handschrift beschrieben. Und einen Brief. Sein Vater hatte einen Brief für Kathleen geschrieben. Wer hätte gedacht, dass es in Black Diamond überhaupt so etwas wie Briefpapier gab?

Die Blätter hatte Josh sich nicht einmal angesehen. Es kam ihm falsch vor. Als würde er Dinge lesen, die nicht für ihn bestimmt waren, er konnte das einfach nicht ohne Kathleens Erlaubnis. Immerhin waren es ihre privaten Gedanken, die dort über den Blättern ausgegossen standen. Er hatte kein Recht, sie alle zu lesen.

Doch was in dem Brief stand, den sein Vater ihr geschrieben hatte, interessierte ihn brennend. Doch auch den Brief öffnete er nicht, denn auch das ging ihn nichts an. Sie waren zwar eine Familie – irgendwie – aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie sich auch in alle Angelegenheiten der anderen einmischen durften.

Eigentlich hatte er den Brief am nächsten Tag mit einer Adresse versehen und zu seiner Mutter schicken wollen – sein Vater wusste nicht, wo sie wohnte. Aber jetzt keimte eine neue Idee in ihm auf: Was wäre, wenn er den Brief persönlich nach Edmonton fahren würde? Natürlich wusste er nicht, wann Kathleen dort ankommen würde und vielleicht würde es noch eine Weile dauern, aber er musste sie unbedingt sehen und sich versichern, dass es ihr gut ging. Das war immerhin seine Pflicht als großer Bruder.

Kathleen hatte auch ihm hunderte von Gedankenfetzen hinterlassen, die sein Vater ihm alle gegeben hatte, doch er würde sie nicht lesen, er würde mit seiner Schwester reden, sie sollte ihm selbst erzählen können, was sie wollte und was ihr wichtig war. Solange würde er warten können.

Teenage YearsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt