KAPITEL NEUNZEHN

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CW: Simon, Ally und Kath verarbeiten und sprechen über das shithole, das Kapitel 18 war aka Ansprache von Homophobie und körperlicher Gewalt...

Note: Nur weil der Mann als Argument für seine Tat „Gottes Willen" aufbringt heißt das nicht, dass es „Gottes Wille" ist. Es soll viel mehr die Auslegung einiger Themen durch die Kirche angesprochen werden. Worauf ich hinaus möchte, ist, dass diese beiden Dinge in den Köpfen einiger Leute verschwimmen oder nicht trennbar sind und deshalb nicht reflektiert werden können, was genau hier passiert.

On another note: Ich möchte hier auch nicht intendieren, dass die Kirche zu solchen Taten einlädt oder aufruft, die Gedankengänge und Argumente mancher Menschen sind einfach wirr...

Ich saß auf der hinteren Sitzreihe in Simons kleinem Auto. Hinter mir saß Ally, die mir immer wieder in der selben monotonen Geste über den Rücken strich und dabei flüsterte: „Wieso hat du das getan? Das war so dumm von dir! Du hättest sterben können!"

Vor mir im Regen kniete Simon und hielt mir eine Fantaflasche entgegen, die er mit etwas Regenwasser gefüllt hatte, weil wir keine frischen Wasserflaschen mehr hatten. Ich schüttelte den Kopf, immer noch sprachlos und in Schock.

Simon schraubte die Flasche zu und legte sie mir in den Schoß, dann schloss er die Tür und ging nach vorne auf die Fahrerseite. Dort setzte er sich hinters Steuer und stellte den Motor an: „Ich fahr mal los, wir haben hier echt nichts mehr verloren."

Weg von hier. Schon wieder auf der Flucht? Ally hatte es mir vorhin erklärt: Ich konnte mich noch grob daran erinnern, was sie gesagt hatte. Der Mann hatte Ally und mich vorhin aus der Ferne gesehen. Wie wir uns geküsst hatten. Er war offenbar nicht sonderlich weltoffen, denn die Tatsache, das sich zwei Mädchen geküsst hatten, hatte ihn total aus dem Konzept gebracht. Er war auf sie zugegangen und hatte geraunte: „Das ist Teufelswerk! Gegen Gottes Willen! Ich handle nach dem Willen des Allmächtigen, ich erlöse die Welt von dem Bösen!", manche Menschen waren so schräg. Ich wusste, wie ernst das ganze war, aber wenn ich mir jetzt wirklich darüber auch noch den Kopf zerbrechen würde, würde ich endgültig zusammenklappen.

Dann war er auf Ally losgegangen. Und genau in diesem Moment war ich gekommen. Ich war aus dem Wagen gehechtet und hatte mich in einer lebensmüden Aktion auf ihn geworfen und somit Allys Leben gerettet. War das nicht selbstlos von mir gewesen? In diesem Moment hatte ich kein Stück darüber nachgedacht, was für eine Heldentat ich da vollbrachte. Ich hatte nur an Ally gedacht, und daran, dass sie nicht sterben durfte.

Als er mich dann in den Würgegriff genommen hatte, wollte Ally mir zu Hilfe kommen, doch sie hatte sich bei ihrem Sturz den Knöchel verknackst und hatte nur noch kriechen können. Inzwischen war ihr Knöchel rot geworden und fast um das doppelte angeschwollen, sie würde definitiv morgen zu einem Arzt gehen müssen.

Gerettet hatte mich schlussendlich Simon. Nachdem ich aus dem Wagen gesprungen war hatte er das Auto wieder auf den Gehweg gefahren und war mir hinterhergerannt. Natürlich hatte er die Situation auf seine typische schnelle Simon-Art analysiert und beschlossen, sich mit seiner Gitarre zu bewaffnen. Exakt: mit seiner Gitarre, manchmal verstand ich ihn wirklich nicht. Und mit eben dieser hatte er dem verrückten Mann eins über die Rübe gezogen, sodass er ohnmächtig zusammengebrochen war. Wenn ich genauer darüber nachdachte konnte ich mich sogar an den dumpfen Aufprall und das metallene Reißen der Saiten erinnern, als die Gitarre zerbrach.

Die Gitarre hatte den Aufprall leider nicht überlebt, der Mann allerdings schon. Simon hatte ihn an den Wegrand gezogen, wo er irgendwann aufwachen würde, dann hatte er mich und Ally mehr tragend als stützend zum Auto zurück gebracht und uns so vom Ort des Geschehens entfernt. Er hatte sofort die Polizei rufe wollen, Ally und ich hatten es ihm zuerst verboten. Wir hatten beide wenig Lust das ganze Geschehen in weiteren Befragungen revue passieren zu lassen. Und außerdem hätten dann meine Eltern kontaktiert werden müssen und das hätte einen ganzen Rattenschwanz an Erklärungen und vermutlich bösen Blicken der Polizisten hinter sich gezogen. Doch Simon hatte nicht locker lassen wollen. Letztendlich hatten wir uns darauf geeinigt, dass er anonym anrufen durfte.

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