Teenage Years

KAPITEL ACHTZEHN

CW: Homophobie, körperliche Gewalt, Todesangst. Bitte nimm das hier nicht leicht, falls du gerade keine Kapazität hast, um mit diesen Themen klar zu kommen, dann lass das Kapitel aus!!! Love you <3

Wir brauchten fast 1 ½ Stunden, bis wir Edmonton erreichten.

Keiner von uns dreien hatte während der Fahrt viel gesprochen, wir hatten auch keine Musik angemacht. Es war einfach still und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, dem was er in den letzte zwei Tagen alles erlebt hatte und anderen Dingen, die davor waren und denen, die noch kommen würden.

Es war kein gedrücktes Schweigen, es gab einfach nichts, was im Moment hätte gesagt werden müssen. Höchstens eine Stunde und wir würden alle wieder in unserem wirklichen Leben angekommen sein... und uns danach vermutlich nie wieder sehen. Ally und ich hielten nicht mehr unsere Hände, wie wir es noch auf der Fahrt nach Red Deer getan hatten. Ohne es wirklich ausgesprochen zu haben waren wir etwas auf Abstand gegangen. Ganz leicht nur berührten sich unsere Fingerspitzen in der Mitte der hinteren Sitzreihe, mehr nicht, aber das war genug. Ich wusste, dass wir es uns beide wünschten. Dieses wundervolle Paralleluniversum, in dem wir uns nicht trennen würden. Aber wie gelangte man in ein Paralleluniversum? Ich hatte in Physik nie wirklich aufgepasst, vielleicht war es dort einmal erwähnt worden?

Manchmal sagte einer von uns etwas und wir mussten lachen, wenn wir uns daran erinnerten, oder es war einfach nur etwas simples, wie: „Pass auf, dort vorne musst du den Highway verlassen."

Als wir die ersten Reihen mit Hochhäusern und Industriegebäuden erreichten fielen vereinzelte Tropfen auf die Windschutzscheibe. Simon schaltete die Scheibenwischer ein. Gleich darauf brach der Himmel über uns auf und Liter von Regenwasser fielen auf uns nieder. Große Wassertropfen schlugen laut prasselnd auf das kleine Auto auf und umgaben uns mit einem monotonen Rauschen. Die Straßenlaternen wurden durch die Wassertropfen verschleiert und schienen breit und verzerrt durch die Regenströme zu uns hindurch.

Es war genau, wie in einem Film. Nur das das hier kein Film war. Es war die Realität, oder besser gesagt der Abschied von unserer Traumwelt der uns in die reale Welt wieder zurück katapultierte. Was für ein wundervoller Willkommensgruß zu unserem neuen Anfang, dachte ich sarkastisch. Wenn das mal kein böses Omen war. Zum Glück glaubte ich nicht an so Zeug, sonst wäre der Rest meines Lebens vermutlich bereits gelaufen.

Immerhin passte sich das Wetter so meiner Stimmung an. Ich wusste genau dass meine Unterlippe einen wundervollen Schmollmund bildete, den ich nicht beabsichtigte, aber Ally würde ihn lieben, wenn sie zu mir herüber sehen würde. Meine kurzen Haare hingen mir wirr über die Stirn und vielen mir in die Augen, ich strich sie mir nicht aus dem Gesicht.

„Wo sollen wir dich absetzten?", fragte Simon Ally. Seine Stimme klang ausgelaugt, müde.

„Days Inn. Downtown.", antwortete Ally ihm. „Kannst du es in der Karte suchen und mir sagen, wo ich entlang fahren muss?", bat Simon sie und hatte bereits eine Hand vom Steuer genommen, um das Licht anzuschalten und ihr die Karte zu geben. Doch da hatte Ally ihm bereits den Arm nach vorne entgegen gestreckt. In ihrer Hand ihr Handy auf dem ein Navigationsprogramm aufleuchtete.

Jetzt waren wir wirklich wieder in der Realität angekommen, wenn Ally ihren eigenen Vorsatz aufhob, nur mithilfe der Landkarten zu fahren. Eine blecherne abgehakte Frauenstimme unterbrach meine Gedanken. „In hundert Metern rechts abbiegen. Dann... gerade aus fahren und in dreihundert Metern links abbiegen.", forderte das Navi Simon auf und er leistete ihm Folge. Auf dem Display von Allys Handy konnte ich uns sehen – wenn auch bloß als geisterhafte Spiegelung. Am oberen Displayrand tauchte eine kleine Flagge auf, die auf den braunen Umrissen eines Gebäudes stand, beschriftete mit: Days Inn, Edmonton Downtown. Endstation 1.0, dachte ich im Stillen und Tränen traten mir in die Augen. Ich wollte Ally nicht einfach so gehen lassen.