Chapter 21

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Louis betrat selten das Zimmer, das einst seinem Bruder gehört hatte. Es war die Quelle seiner größten Freude als Kind und später seines größten Kummers. Wenn James zu krank war, um nach draußen zu gehen, spielten sie den ganzen Tag Schach im Bett und katalogisierten die neuen Briefmarken in seiner Sammlung. Seine mittleren Brüder, George und Edward, ließen James zurück, um reiten zu gehen, aber es gab keinen Ort, an dem Louis lieber wäre als an James' Seite.

Louis stand neben den Vorhängen, wo der Mörder gestanden hätte, als er den Raum in Brand setzte. Harry lag im Bett, wo James war, als der Bösewicht ihm das Leben nahm.

Der junge Herzog war so schüchtern, dass er sich unter der Decke auszog.

Louis, der bereit war, die Unschuld des Jungen zu nehmen, fühlte sich plötzlich selbst wie ein Bösewicht.

Er kletterte neben Harry ins Bett, der sich heftig errötend aus seinen Hosen und Unterwäsche schlüpfte. Louis tat dasselbe. Warum zog sich Louis unter der Decke aus? Warum wurde er rot? Er war keine Jungfrau, ganz im Gegenteil. Harrys Unschuld war ansteckend.

Harry sah ihn an, runzelte seine kleine Stirn und sagte mit größter Ernsthaftigkeit: „Ich bin nackt."

„Genau wie ich", antwortete Louis und versuchte, genauso ernst zu bleiben.

Sie waren sich so nahe, dass die Hitze von Harrys Haut unter dem Bettlaken auf seiner eigenen brannte. Ihm wurde schwindelig bei dem Gedanken an die Zärtlichkeit zwischen den Schenkeln des jungen Herzogs. Er musste nur hinübergreifen und ihn berühren.

Er stoppte.

Die süßesten Freuden dieser Welt wurden geschenkt, nicht genommen.

Er wartete darauf, dass der Junge zu ihm kam. Harry starrte ihn schüchtern durch einen Schleier aus langen Wimpern an. Seine roten Lippen waren ein Gemälde, seine Locken eine Skulptur. Es schien unmöglich, dass dieser Cherub irgendwelche irdischen Wünsche hegte. Dann spürte Louis eine sanfte Hand auf seinem Oberschenkel.

Das Bettlaken war dünn wie Papier, fühlte sich aber jetzt wie ein Eisentor zwischen ihnen an.

Harry muss dasselbe gedacht haben, denn er sagte: „Niemand hat mich jemals so gesehen. Nicht einmal mein Diener. Er wendet seine Augen ab, wenn er mich auszieht."

Wie konnte jemand wegsehen? Wie rein die Absichten seines Dieners auch sein mögen, welcher Mann könnte widerstehen, seinen Blick auf einen so schönen Jungen zu richten? Vielleicht war dies die Quelle von Harrys Schönheit. Wie Primeln erblühte Harry im Schutz der Dunkelheit.

Louis zog das Laken nicht herunter, um ihn freizulegen, sondern spreizte seine eigenen Oberschenkel. Diese Einladung erwies sich als unwiderstehlich für Harry, dessen größte Freude auf Erden darin bestand, Louis mit seinen Liebkosungen an den Rand des Wahnsinns zu treiben.

Diese langen, flinken Finger, die vor wenigen Augenblicken Musik auf dem Klavier zum Leben erweckten, erweckten Louis jetzt unter dem Bettlaken zum Leben. Er lag still und widerstand dem Drang, gegen die sanfte Hand des jungen Herzogs zu stoßen. Im Gegensatz zu seinem Klavierspiel hatten Harrys Schläge keinen Rhythmus. Was an seiner Liebkosung so verrückt machte, war, dass es reine Zuneigung ohne Vorwand war.

„Es ist warm", bemerkte er. Rote Lippen öffneten sich, Harry atmete schwer, als wäre er derjenige, der berührt wurde, und Louis' Lust war nur eine Erweiterung seiner eigenen.

Paradoxerweise fühlte es sich umso weiter entfernt an, je näher sie dem Liebesspiel kamen. Louis wusste nicht, wie lange er noch ein Gentleman bleiben konnte.

"Darf ich es küssen?" fragte Harry.

Darf ich. Er war so unschuldig. Louis konnte es kaum ertragen, wie kostbar er war! Er nickte in das Spitzenkissen und konnte nicht einmal die Worte „du darfst" formulieren.

Victorian Boy | l.s. ✓  (german version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt