Loslassen

3.8K 208 5
                                    

„Leah?" Ihre Stimme klang gebrochen und ungläubig. Es war wohl jetzt schon zu spät um die Flucht zu ergreifen. Ich sah vom Boden hoch und ihr Anblick raubte mir den Atem. Sie hatte einen eng anliegenden Rock an und darüber eine helle Bluse mit einem schwarzen Blazer. Ich schluckte kurz, denn ich hatte einen kurzen Moment lang vergessen, ich welcher Situation ich mich gerade befand. Plötzlich kam das Übelkeitsgefühl wieder hochgeschossen, als mein Blick auf ihre Hände fiel und ich einen Ring entdeckte, den ich noch nie zuvor gesehen hatte.

„Was machst du hier?"

Ich war zu perplex um zu antworten. Was sollte ich denn sagen? Mir blieben alle Worte im Hals stecken. Also hob ich einfach meine Mappe vom Boden auf und beschloss wortlos an ihr vorbei zu gehen doch ich spürte wie sie mich am Ärmel festhielt.

„Leah, bitte", flüsterte sie und meine Knie wurden weich. Es fühlte sich an, als würde ich auf Pudding laufen und ich drehte mich widerwillig zu ihr um.

„Was?", fragte ich harsch. Je mehr Sekunden vergingen, desto sicherer war ich mir, dass der Ring an ihrem Finger ein Ehering war. Je mehr Sekunden vergingen desto mehr spürte ich wie Wut in mir hochbrodelte. Je mehr Sekunden vergingen, desto stärker wurde das Gefühl, dass ich mich übergeben musste,

„Bitte sag mir einfach, dass Herr Bernard nicht dein Mann ist", entfuhr es mir. Ich musste es wissen. Alles gerade deutete darauf hin, aber ich musste es von ihr hören. Ich musste es von ihrer schönen leicht kratzigen Stimme hören. Wer auch immer gesagt hatte, dass Bilder mehr als 1000 Worte sagten, hat noch niemanden betreten schweigen gehört. Ihre Augen waren geweitet und sie drehte sich Richtung Boden.

„Ja oder nein?", drang ich sie um eine Antwort. Ich war normalerweise nicht so, doch ich wusste, dass ich mit diesem Thema ohne Bestätigung nicht abschließen konnte.

„Ja", erwiderte sie knapp und fügte mit leiser Stimme hinzu. „Aber es ist nicht so wie du denkst. Ehrlich" Ihre Worte brauchen mir das Herz, erneut.

„Tschüss Mila"

Das waren die einzigen Worte, die noch meinen Mund verließen, bevor ich mich von ihr losriss und mit hastigen Schritten Richtung Türe ging. Ich war wütend. Wütend auf sie, wütend auf mich selbst, weil ich auf sie reingefallen war.

Als ich beinahe bei der Eingangstüre war, spürte ich erneut, wie mich jemand packte und diesmal zog sie mich in den Raum gleich neben der Tür. Ich protestierte, doch sie ließ mich nicht los.

„Was zur Hölle?!", fragte ich wutentbrannt und stieß sie von mir weg. Sie atmete laut und entfernte sich einen Schritt von mir.  

„Bitte Leah, lass es mich erklären", flehte sie, doch ich senkte meinen Blick zu Boden. Ich konnte ihren Anblick nicht ertragen. Ich konnte nicht in ihre ozeanblauen blicken, ohne mich zu verlieren. Dabei schüttelte ich den Kopf. Mein Herz pochte gegen meine Brust und Übelkeit stieg erneut in mir hoch.

„Nein weißt du was Mila, es ist zu spät. Du hattest einen Monat Zeit es mir zu erklären, aber anscheinend war ich es nicht wert. Also nein deine Erklärung kommt einen Monat zu spät und um ehrlich zu sein will ich sie nicht mehr hören", kam es aus mir raus und ich konnte meinen Mund nicht stoppen. Alles was sich im letzten Monat in mir angesammelt hatte musste raus. Ich hatte mir oft diesen Moment vorgestellt. Wie es wäre sie auf einmal auf der Straße zu treffen, oder wie es wäre, wenn sie plötzlich wieder in das Café kommt. Doch nie in meinem Leben hätte ich mir unser Zusammentreffen mit solchen Neuigkeiten vorgestellt. Sie war verdammt nochmal verheiratet.

„Es tut mir so leid", hörte ich sie sagen, doch die Worte hatten für mich keine Bedeutung.

„Ich kann's nicht glauben, dass ich auf dich reingefallen bin", sagte ich mit ruhiger Stimme und suchte mit meiner rechten Hand nach der Türklinke. Ich musste raus. Ich hielt es nicht aus mit ihr in einem Raum zu sein. Ohne sie noch eines weiteren Blickes zu würdigen, öffnete ich die Tür und verließ das Zimmer. Sie ließ mich gehen. Wobei ich mir nicht sicher war, ob ich noch ein leises „Bitte Leah", vernehmen konnte, bevor ich komplett das Gebäude verließ und mir eine Träne die Wange runterkullerte.

Vielleicht sehen wir uns wieder? (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt