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Ylvi

Die Stunden bis zur Mittagspause haben es nicht eilig zu verstreichen. Nichts hilft. Schon gar nicht nicht das ständige Schielen Richtung Uhr.

Als es dann so weit ist, verlässt mich jeglicher Appetit. Die ganze Zeit sehe ich das Gesicht des Cullen - Rockers vor mir. Niklas. Der Name passt zu ihm. Halt stop! Der Typ ist dabei, sich geradewegs in mein poetisches Gedächtnis zu schleichen. Sorgsam verschließe ich die Tür zu diesem Ort. Denn hat er ihn erst einmal betreten, hat er leichtes Spiel mit mir. Trotzdem grüble ich, ob es wirklich ein Fehler gewesen wäre, seine Einladung zum Essen anzunehmen.

Diese verdammten Hormone. Sie allein sind schuld an diesen sinnlosen Grübeleien.

Mein Hang zur Sentimentalität tut sein Übriges. Das „Was wäre wenn- Szenario," das so schmerzhaft wie sinnlos ist und jedes Mal in einer verlassenen Sackgasse endet.

Es wird nie so sein, wie es wäre, wenn. Es ist wie es ist. Kalt und ernüchternd. Die Realität ist eine gemeine Krankheit die das Erbgut des Lebens zum Schlechten verändert, bevor man geboren wird.

„Hey Minchen!" Begrüßt Jayden mich mit meinem alten Spitznamen. Ich habe ihn in der siebten Klasse erlangt, als ich meine "Hermine Granger-Phase" hatte. Vielleicht bin ich deshalb zur Musterschülerin mutiert. Gewissermaßen war es also Hermine Granger, die mir dazu verholfen hat eine Klasse zu überspringen.

Jayden ist deshalb noch heute sauer auf sie. Ich weniger, denn in der neuen Klasse habe ich Kara kennengelernt. Ich schlucke ein paarmal, bis sich der Klos in meinem Hals auflöst, der sich bei der Erinnerung an sie gebildet hat. Wie so oft führt ein Gedanke zum Nächsten. Hinein in einen dunklen Graben voller ungebetener Erinnerungen.

„Hey Wischmopp." Seufze ich und klettere auf den Hocker, der direkt vor der Theke steht. Von hier aus beobachte ich den Pizzabäcker bei der Arbeit. Seine präzisen Handgriffe beruhigen mich.

Jayden neigt sich nach vorne und mustert mein Gesicht. „Alles gut?"

„Hey, Minchen. Ich rede mit dir."Blöderweise spüre ich Tränen in mir aufsteigen. Wieder schlucke in ein paarmal. Jayden ahnt, dass ich Zeit brauche, um mich zu sammeln.

„Dein Vater, stimmts?" Fragt er nach einer Weile. Ich beobachte eine Frau, die den Kühlschrank neben der Theke aufreißt, um sich eine Cola herauszunehmen und nicke. Jayden hat Recht. Es ist dieser verfluchte gestrige 14. April. Und diesmal spüre ich das Loch, das dieser Tag in meine Seele gerissen hat, deutlicher als all die Jahre zuvor. Und ich Idiotin habe geglaubt, die ständigen Gedanken an den bescheuerten Cullen-Rocker wären mein größtes Problem.

Wenn man an den Teufel denkt. Die Eingangstür öffnet sich und zwei junge Männer kommen herein. Im Gegensatz zu seinem Begleiter ist der Größere von beiden etwas breiter gebaut. Seine kräftigen Schultern bringen die Lederjacke heute trotz aller Geschmeidigkeit an ihre Grenzen. Der Cullen- Rocker: Ein Stalker. Offenbar hatte ich Recht mit dieser Vermutung.

Das Hämmern meines Herzens schnürt mir die Luft ab. Wenn er mich jetzt anspricht, werde ich nichts Sinnvolles hervorbringen.

Hastig wende ich den Blick ab. Nicht ohne zuvor registriert zu haben, dass er ein anderes T-Shirt trägt. Dieses hat wieder Löcher am oberen Saum. In Großbuchstaben ist der Schriftzug "Unicorns are real" in Sytterlinbuchstaben zu lesen.

Sein Sinn für Humor ist wirklich speziell. Ich lache laut auf. Jayden sieht mich mit gerunzelten Augenbrauen an. „Ylvi?" Er zieht den Namen in die Länge. „Was ist jetzt so witzig? Ich meine, ich habe keinen Witz erzählt, oder?" Ratlos zuckt er die Achseln und nickt Marico zu, der hinter der Theke aufgetaucht ist und mir zuwinkt. „Ja, alles gut." Mit Genugtuung registriere ich, das Marcio zu uns kommt. Seine Gegenwart hatte schon immer eine beruhigende Wirkung auf mich.

Fame and DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt