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"You know what? You're an individual and that makes people nervous and its gonna keep making them nervous for the rest of your life." -Ol Golly ( Harriet the Spy)-



Ylvi

Es ist noch früh. Ich habe beschlossen den ganzen Weg zu Fuß zu gehen. Der Abend ist lau, die Vögel haben schon ihre Abendmelodie angestimmt. Ein paar Amseln hetzen lautstark zwitschernd durch die laue Luft. Ich habe bereits die Schwedensiedlung erricht.Erdige Frühlingsluft hat den Geruch des Viertels längst verdrängt.

 Ich versuche die Kakophonie, die Jaydens Worte in meinem Kopf erzeugt haben zum Schweigen zu bringen. "Ich werds' tun. Ich werd wegziehen." Auf einmal habe ich das Gefühl, das mein bester Freund sich letzte Nacht in einen Fremden verwandelt hat. Oder vielleicht ist alles viel schlimmer und ich habe diesen Fremden jetzt erst erkannt. Ich bin blind gewesen. Habe Jayden als selbstverständlichen Kumpel betrachtet. Einen, bei dem man sicher ist. Der einem alles erzählt, was ihn bewegt. Und dem man selbst auch alles erzählen kann. 

Doch nun verachtet er mich. Dafür, dass ich das Viertel nicht verlassen kann. Nicht verlassen werde. Am Ende bin ich diejenige, die allein sein wird. Es ist okay. So ist es eben. Aber vorher will ich wissen, wie sich das Leben anfühlt, wenn man nicht aus dem Viertel kommt. Wenn man jemand anderes ist. Jemand , mit dem das Leben es von Anfang an gut gemeint hat. Ich versuche, mir einzureden, dass mein Outfit diesen Eindruck erwecken wird. Nichts an meinem Äußeren verrät etwas über meine unheilvolle Vergangenheit. Mein unheilvolles Dasein. Erschaffen durch eine Verkettung von Umständen, die so selbstverständlich sind, dass sie unverbrüchlichen Naturgesetzen gleichen.

Wenigstens in meinem Outfit, bestehend aus einem knielangen Rock kombiniert mit einer schwarzen Strumpfhose und einem taillierten Shirt mit Fuchskopf Print, fühle ich mich wohl. Darüber trage ich eine gefütterte Jeansjacke. Die ausgelatschten Vans machen den Look perfekt.

 Geschminkt habe ich mich kaum. Abgesehen von etwas Wimperntusche habe ich es nicht gewagt, mein Gesicht in Szene zu setzen. Besser man lässt es bleiben, wenn man nicht weiß, wie man sowas macht. Der Gedanke endet in einem miesen Bauchgefühl . Versursacht durch die Verbindung zwischen Make-Up und Kara. Meine Synapsen lieben es offenbar, mich zu quälen.

Wohl weißlich, dass alles gleich noch schlimmer werden wird, lege ich eine Hand auf meinen Bauch. Als könnte ich mich damit vorab für das Durcheinander entschuldigen. Innerlich beschließe ich, mich nicht verunsichern zu lassen. Er sieht gut aus. Ja und? Viele tun das. Sehr viele.

Er steht an den Rand des stillgelegten Brunnens gelehnt. Sein Blick ist auf mich gerichtet. Er lächelt nicht. Wie immer wirkt er im ersten Moment überrascht, beinahe erschrocken. Es ist derselbe Blick, wie vor zwei Tagen, als er in den Bus gestiegen ist. Mein Herz macht einen schmerzhaften Satz. Trotzdem muss ich lächeln. Er trägt heute nicht seine Lederjacke, sondern ein schwarzes Hemd, dass seine starken Schultern betont und an der Brust leicht spannt. Als hätte er in kurzer Zeit zu viel Muskelmasse aufgebaut, um sich rechtzeitig ein neues zu besorgen. Der Gedanke beruhigt mich. Sein Hemd ist etwas zu eng. Er ist nicht perfekt. Er ist auch nur ein Mensch. Zu dem Hemd hat er eine legere Jeans kombiniert. Diesmal ohne modische Detroyed effects.

Mein Blick wandert zu der Totenkopfschnalle. Ein weiterer schmerzhafter Satz meines Herzens. Flammende Röte steigt mir in die Wangen, als meine Gedanken sich verselbstständigen. Bilder tauchen vor meinem inneren Auge auf. Als ich in sein Gesicht sehe, bin ich überzeugt, dass er sie alle auf meinem Gesicht ablesen kann. Als wäre ich ein verdammter Projektor, der aus Versehen einen Porno anstatt der erwarteten Urlaubsdias abspielt. 

 Er trägt wider die Samuraifrisur. Alle Haare sind im Knoten zusammengebunden. Er ist immer noch unrasiert. Anscheinend weiß er, was dieser Bart in Verbindung mit seinem markanten Kinn bei Frauen auslöst. Lediglich seine Augen schaffen es, meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Ich sehe hinein, noch bevor ich vor ihm stehe, und versuche, nicht zu schüchtern zu ihm aufzublicken. Ich will nicht, dass er mich für ein devotes Mäuschen hält.

Fame and DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt