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Ylvi

Viola häuft Rührei auf meinen Teller und beobachtet mich gleichzeitig.

„Bist spät nach Hause gekommen". Eine Feststellung. Nichts weiter. So laufen unsere mickrigen Gespräche seit Jahren ab. Lange bevor ich achtzehn wurde.

"War Jayden bei dir?" Ich nicke. "Gut." Sie häuft sich selbst Rührei auf und setzt sich. Ich nehme mir eine Scheibe Brot und streiche Frischkäse darauf. Spüre ihren prüfenden Blick auf mir ruhen als ich in das Brot beiße und zu kauen beginne.

"Du siehst hübsch aus." Wieder eine Feststellung. Ich ahne längst, worauf sie hinaus will. "So erfrischt." 

"Kommt vom Duschen," erwidere ich.

Kauend starre ich auf die gelb geflieste Wand. Das Mosaikmuster muss irgendjemandem mal sehr gefallen haben. Es ist fast überall, sogar im winzigen Abstellraum. Wir haben die Wohnung damals so übernommen. Nach dem Ereignis. Jenes, das unser Leben zu dem machte, was es heute ist. Ich spüle die Brotmasse mit einem großen Schluck Wasser herunter. Erst jetzt nehme ich das leichte Pochen in meinen Schläfen wahr.

 Die paar Schlucke Alkohol waren bereits fähig mich zu verkatern. Wie muss sich da erst Viola jeden Morgen fühlen? Aber wahrscheinlich ist ihr Körper längst gegen den Alkohol resistent. Verstohlen mustere ich ihren grauen Baumwollbademantel. Diesmal ist er sogar geschlossen. Die Schleife um die Hüfte ist akkurat gebunden.

"Weißt du noch damals in Schweden?" Ihr Blick rückt ins Abseits. Die Flüssigkeit in meiner Kehle scheint plötzlich zu gerinnen. Ich schlucke. Zu abrupt. Schmerzhaft breitet sich das Wasser in meiner Brust aus. Husten erschüttert meinen Oberkörper, solange bis Tränen fließen. Viola klopft mir auf den Rücken. "Tut mir leid," murmelt sie tonlos, als der Anfall vorüber ist. "Aber ich vermisse die Sommer dort manchmal so sehr."

Sie kennt keine Gnade. Ich lasse die Tränen einfach weiterlaufen. Der Husten ist ein willkommener Sündenbock.

"Ja," krächze ich. "Kaum zu glauben, das wir eigentlich jetzt dort leben würden." 

Ein Seufzen dringt aus Violas Brust. "Ach Ylvi, Schätzchen. Dein Vater..."eine Sekunde sieht sie sich mich mit weit aufgerissenen Augen an, als wäre ihr um ein Haar etwas Unaussprechliches herausgerutscht.

Wie immer geht sie schnell zur Tagesordnung über. "Isst du noch was?" Ich schüttle den Kopf. Teilweise bin ich dankbar, das sie das Thema wieder ruhen lässt. Andererseits wünschte ich, sie hätte gar nicht erst davon angefangen. 

Ohne ein weiteres Wort schiebe ich den Stuhl zurück. In meinem Zimmer ziehe ich das Handy unter meinem Kopfkissen hervor. 4 ungelesene Nachrichten. Drei sind vom Cullen -Rocker aka Niklas aka Leadgitarrist und Sänger von Fame dand Death. Eine ist von Jayden.

Zuerst lese ich die Nachrichten von Niklas.

Niklas: "Zu Befehl, euer Hochwohlgeboren." Dazu ein Befeater emoji. Ein Grinsen stiehlt sich auf mein Gesicht. Er hat Humor. Sieht zumindest danach aus. Aber ehrlich gesagt war diese Tatsache schon im Bus offensichtlich. Ich habe es nur nicht an mich rangelassen. Schnell schiebe die Gedanken beiseite und lese die anderen beiden Nachrichten. 

 "Ich freue mich schon."

"Tut mir übrigens leid, dass ich so ein Tempo vorlege. Für mich ist diese Situation vollkommen neu. Weiß nicht ,wie man sowas macht."

Ich atme tief aus. Die Unklarheit seiner Worte überfordert mich. Das durchaus angebrachte Misstrauen macht die Sache nicht einfacher. Gerade er weiß doch, wie man „ sowas" macht. Es sei denn, wir haben unterschiedliche Interpretationsweisen davon, was er mit „ sowas" meint. Ich hole  tief Luft und scrolle herunter zu dem Chat mit Jayden.

Fame and DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt