-43-

378 27 80
                                    

,,Nova!" ertönte Dracos Ruf, als ich nur wenige Stunden später die große Halle betrat; mich völlig verschlafen umsah.
,,Draco." flüsterte ich müde und sah zu ihm hoch.
,,Du hast nicht geschlafen." stellte er schnell fest, als er mein Gesicht umgriff; ich einen Schritt nach hinten wich.

,,Nicht hier, Draco." ermahnte ich ihn. ,,Nicht, dass Dumbledore uns sieht-"
,,-denkst du wirklich, dass mich Dumbledore interessiert?" unterbrach er mich und griff nach meiner Hand. Er zog mich mit ihm in eines der leeren Klassenzimmer; verschloss die Tür. ,,Es tut mir leid wegen gestern; ich weiß nicht was mit mir los war."
,,Schon gut." lächelte ich schwach, als er erneut zu mir kam; mein Gesicht umgriff und mir ernst in meine Augen blickte.

,,Hast du geweint?" fragte er besorgt. ,,Deine Augen sind ganz rot."
,,Bloß müde." log ich. ,,Ich konnte nicht schlafen."
,,Nova, ich fühle mich nicht wohl den ganzen Tag an Astorias Seite zu verweilen, wenn es dir ganz offensichtlich nicht gut geht."
,,Gib mir eine Woche." sagte ich nachdenklich.

,,Wenn wir nach einer Woche nicht weitergekommen sind, dann lösen wir diese Scheinbeziehung auf. Ich möchte bloß wissen und sehen, wie sich dein Vater verhält. Und Dumbledore. Warum haben sie damals Astoria ausgewählt? Es muss einen Grund dafür geben. Ich sollte mich von dir fernhalten; sie waren regelrecht erleichtert, als ich ihnen von Astoria und dir erzählt habe. Doch es war mehr als die Erleichterung, dass die ehlendige und unerwünschte Freundin fort war. Es war viel mehr. Es war, als wäre ihnen eine unfassbare Last abgefallen. Beinah schon-"
,,-als wäre die Angst in ihren Augen verschwunden?" fragte er leise, als ich ihn mit großen Augen ansah.

,,Ja." gestand ich. ,,Als hätten sie ständig Angst gehabt; um dich, Draco."
„Um mich? Wie kannst du dir da so sicher sein?"
,,Sie würden sich wohl kaum um eine Waise sorgen." lächelte ich verlegen und strich über seine Wange. ,,Es schien, als hätten sie Angst um dein Wohlergehen gehabt. Immer wenn ich in deiner Nähe war; sie hatten... ja, sie hatten Angst, Draco. Sorge. Ungewissheit; ich weiß es nicht. Doch seit Astoria an deiner Seite ist halten sie sich von mir fern. Von dir. Es ist ruhiger geworden."

,,Doch zu welchem Preis?" fragte er ernüchternd, als er mich an meiner Hüfte zu ihm ran zog. ,,Ich möchte bei dir sein, Nova. Nicht bei Astoria. Und besonders nicht, wenn ich bloß wegen Dumbledore und meinem Vater bei ihr sein muss."
,,Bitte." flehte ich. ,,Nur noch wenige Tage. Ich möchte heute mit Snape sprechen."
,,Was? Wieso?" entgegnete er irritiert.
,,Cedric hat ihn und Dumbledore bei einem Streit beobachtet. Er schien nicht mit Dumbledores Vorhaben einverstanden zu sein; und Dumbledore scheint ihm nicht zu vertrauen."

,,Und du schon?" fragte er kritisch. ,,Snape scheint mir zu verschlossen zu sein; wieso sollte er dir Informationen geben, Nova?"
,,Irgendwo muss ich anfangen, oder nicht?" lächelte ich müde. ,,Ich werde es versuchen; und ja ich werde vorsichtig sein." lachte ich, als ich seine nächsten Worte bereits vorausschauen konnte.
,,Unter einer Bedingung." forderte er streng.

,,Ja?"
,,Geh mit mir aus." antwortete er, als er unter seine Robe griff; mir eine kleine goldfarbene Blume überreichte. Sie funkelte und schimmerte ganz verträumt; die Pollen tanzten kleinlich um die Knospe herum.
,,Draco." lächelte ich liebevoll, als ich die Blume an mich nahm; ihm verliebt in seine Augen blickte.
,,Ein nein werde ich nicht akzeptieren." fuhr er fort. ,,Nur wir beide; heute Nacht."

,,Aber-"
,,-um 23 Uhr werde ich beim Astronomieturm auf dich warten." unterbrach er mich, als er mich dominant an ihn zog; meinen Lippen einen lang ersehnten und leidenschaftlichen Kuss gab. ,,Ich liebe dich, Nova; und das werde ich dir jeden Tag unseres Lebens beweisen. Versprochen, kleiner Stern." sagte er noch, als er das Klassenzimmer verließ; ich ihm verträumt und nachdenklich hinterher sah.
,,Ich liebe dich auch, blonder Junge." flüsterte ich noch, als die goldene Blume zu leuchten aufhörte; meine Mundwinkel nach unten gingen.

Ich hatte ihn belogen; ihm nichts von der letzten Nacht erzählt. Das ich mit Cedric geredet hatte; das auch ich in den Spiegel Nerhegeb geblickt hatte. Das ich Cedric belogen hatte; das ich niemandem die Wahrheit gesagt hatte. Über dieses eigenartige Grinsen; diese Kälte in meinem Gesicht oder über das, was ich im Spiegel sehen musste.

Mit einem traurigen Lächeln fixierte ich die Blume in meinem Haar; verließ das Klassenzimmer und machte mich auf den Weg zum Unterricht. Ich hatte nicht vorgehabt am Unterricht teilzunehmen, doch die vergangene Nacht hatte mich vom Gegenteil überzeugt. Ich wollte dem Spiegelbild keinen Glauben schenken; mir beweisen, dass der Spiegel die Unwahrheit gezeigt hatte. Er hatte mich zum weinen gebracht; hatte mich zwingen müssen Cedric anzulügen. Es seien Freudentränen gewesen; Tränen des Glückes und der Hoffnung. Wie sehr verabscheute ich Lügen; wie wütend war ich auf mein totes Herz, meinen egoistischen Verstand.

Ich lief schnell in mein Zimmer; griff nach meiner Tasche und machte mich endlich wieder auf den Weg zum Unterricht. Durch Dumbledores erbärmliche Versuche Draco und mich auseinander zu halten, waren die Häuser noch immer getrennt. Sylterin war den heutigen Tage mit Ravenclaw eingeteilt; Hufflepuff mit Gryffindor.

Müde durch die vergangenen Stunden nahm ich schließlich in der letzten Reihe des Klassenzimmers Platz; ignorierte die Blicke und Gespräche um mich herum. Es war anstrengend gewesen ihnen Beachtung zu schenken; es war sinnlos gewesen.
Ich konnte deutlich spüren wie jemand neben mir stehen blieb; seine Augen ununterbrochen auf mir lagen.

„Kann ich dir weiterhelfen?" fragte ich leise und sah starr auf mein weißes Pergament.
„Du sitzt auf meinem Platz." antwortete die bekannte Stimme, als ich zu ihm hinauf sah; Harry vor mir erblickte. Wie er mich frech anlachte; die Erleichterung sofort mein Herz umhüllte.

„Oh." flüsterte ich und rutschte zur Seite. Er nahm neben mir Platz; kramte seine Bücher heraus. Ich fing an zu lächeln; verspürte seit langem wieder das Gefühl der Normalität. Das ich bloß ein normales Mädchen sei, das einem Klassenkameraden seinen Sitzplatz genommen hatte. Ein Mädchen, das nicht mit Samthandschuhen angefasst werden musste oder anderen Schülern Angst machte.

„Wo warst du gestern?" fragte er interessiert, als er zu mir blickte.
„Mir ging es nicht gut." log ich ausweichend und sah durch den Raum. „Möchtest du wirklich hier sitzen?" entgegnete ich unsicher, als ich bereits die Augenpaare, die auf uns lagen, zu zählen begann.
„Ich werde seit dem ersten Schuljahr so angeschaut; irgendwann gewöhnt man sich daran. Merk dir eins, Nova; die Menschen um dich herum werden immer reden; das haben sie immer schon gemacht. Zeig ihnen, dass es dir egal ist und sie werden dich in Ruhe lassen."
„Danke, Harry." lächelte ich dankbar, als die kleine goldene Blume in meinem Haar wieder zu leuchten begann; der Professor den Unterricht fortfuhr.

Die Zeit verging schnell; der recht langweilige Unterricht hatte mich ablenken können. Stunde für Stunde hatte ich die vergangene Nacht vergessen; weder an das Spiegelbild noch an meine Lüge denken müssen. Es war nach langer Zeit der erste normale Schultag für mich gewesen.

„Hey, Nova!" grinste Ron, als er gemeinsam mit Hermione auf mich zukam; ich meine Bücher in meine Tasche schob. „Kommst du mit zum Mittagessen?"
„Vielleicht morgen." lächelte ich schwach. „Ich muss noch woanders hin, aber wir sehen uns später im Unterricht, ja?" sagte ich noch, als ich bereits das Klassenzimmer verließ; mir meinen Weg durch die vollen Korridore erkämpfte.

Ich blieb kurz stehen, als ich Draco und Astoria erblickte. Daneben Pansy und Blaise. Sie lehnten alle an einer der Steinwände; sie lachten. Es wirkte furchtbar authentisch; wie eine wahre Gruppe aus Freunden. Wie zwei verliebte Paare. Ich sah wie Astoria Dracos Hand hielt; wie sie sich an seinen Arm schmiegte. Es war wie eine Sucht, doch ich konnte meine Augen nicht mehr von ihr nehmen. Alles um mich herum begann zu schwinden; alles was ich jetzt nur noch sah, war Astoria. Mir wurde kalt; ich wurde wütend. Unfassbar wütend. Ich konnte fühlen wie meine Wimpern wieder zu Eis wurden; ich das Gefühl in meinen Lippen verlor.

„Astoria." flüsterte ich hasserfüllt, als ich meine Hand zu einer Faust ballte; ich einen Schritt vorging.
„Kämpfen Sie dagegen an." forderte eine dunkle Stimme hinter meinem Rücken die mich zum stehen bleiben zwang. Sofort verlor ich die eisigen Wimpern; konnte wieder die Wärme in meinen Wangen spüren. „Sie sollten behutsam sein; die Aufmerksamkeit sollte nicht noch weiter auf Sie fallen."
„Aber wie-"
„-folgen Sie mir." unterbrach er erneut, als ich Professor Snape in sein Büro folgte.

Fallen Angel - Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt