-69-

324 30 147
                                    

Es war ironisch; es war leichtsinnig. Es war zu einfach. Viel zu einfach. Wie sie vor mir lag. In diesem Bett; mit diesen weißen Laken. Ihr Körper bandagiert; ihre Blessuren im Gesicht blutunterlaufen. Ihr dunkles glattes Haar bildete einen Kontrast auf dem weißen Kissen; und sie bildete einen Kontrast zu mir. Sie; beliebt und wunderschön. Ich; unsichtbar und angsteinflößend. Ein Monster.

Es gab einen weiteren Unterschied; einen immensen Unterschied, der diesen Zustand bloß noch ungerechter wirken ließ. Sie hatte ein unreines Herz, voller Hass und Lügen; ich hingegen ein reines Herz, voller Liebe und Geborgenheit. Und dennoch; sie würde leben; ich würde sterben.

,,Du weißt, dass sie es verdient hat, Nova." ertönte ihre Stimme erneut in meinem Kopf.
,,Ich weiß." antwortete ich nachdenklich.
,,Töte sie; bring sie endlich zum Schweigen, kleine Schwester. Gib ihr was sie verdient."
,,Was habe ich dann verdient?" fragte ich zögernd, als ich einige Schritte näher trat; eine ihrer Haarsträhnen zwischen meine Finger nahm. ,,Sie hat Fehler gemacht; doch was ich nun tun werde ist schlimmer."
,,Du verdienst dir so deine Macht." erwiderte sie, als ich nach meinem Zauberstab griff. ,,Ansehen."

,,Ansehen." wiederholte ich leise.
,,Du wärst nicht mehr unsichtbar; du wärst mächtig und stark." sprach sie weiter auf mich ein. ,,Nach all der Zeit würden sie dich endlich beachten. Sie alle."
,,Draco würde mich hassen-"
,,-er würde dich verehren." unterbrach sie mich ernst. ,,Astoria steht euch im Weg; sie wäre verschwunden. Sie würde für immer schweigen. Tu es. Vertrau mir."

Mit schwitzigen Händen umgriff ich meinen Zauberstab; stand an ihrem Bett. Sah auf sie hinab. Ich beobachtete ihren Brustkorb wie er stieg; sich wieder senkte. Wie dort drin ein Herz schlug, dass keinerlei Liebe verdient hatte. Ein schwarzes Herz; ein totes Herz.

,,Wie soll ich sie töten?" flüsterte ich zittrig; vollkommen unkonzentriert.
,,Wie sie es verdient hat; qualvoll." lachte ihre Stimme lautstark, als ich meinen Zauberstab wieder in der Robe verschwinden ließ; mich ein wenig umsah, ehe ich nach einem herum liegenden Skalpell griff; es mir ein wenig genauer ansah. Wie meine Augen in den Silber aufblitzten.

,,Ein langsamer tiefer Schnitt; ein Stich ins Herz und sie wird für immer schweigen." flüsterte die Stimme diabolisch. ,,Das warme Blut an deinen Händen; du wirst es lieben."
,,Ich mag kein Blut." widersprach ich emotionslos. ,,Ich mag kein Leid."
,,Du wirst es lieben; vertrau mir." sprach sie weiter, als eine einzelne Träne völlig emotionslos meine Wange hinunter fiel; auf ihr weißes Laken traf.
,,Hör nicht auf sie." ertönte eine dunkle Stimme hinter meinem Rücken. Ganz leise und vorsichtig. Unfassbar besorgt.

,,Sie ist Schuld für meinen Schmerz, Draco." widersprach ich kalt und umklammerte das Skalpell bloß fester. ,,Ich habe wegen ihr so viel gelitten; so lange. So intensiv, Draco. Du verstehst das nicht."
,,Du hast Recht. Ich verstehe es nicht; habe sie eine lange Zeit dazu gebracht dich so zu behandeln." fuhr er fort, als er langsam auf mich zukam.

,,Sie verdient keinen Frieden; doch du tust es, Darling." flüsterte er, als er noch näher kam; seine Hand langsam auf meine legte. ,,Tötest du sie, dann wirst du für immer leiden. Unter Schuldgefühlen; sie werden dich vernichten, Nova. Ich kenne dich; ich habe gesagt, dass ich auf dich aufpasse. Und das tue ich hiermit. Vertrau mir; nicht ihr."

,,Ich werde sterben." lächelte ich, als sich meine Augen mit Tränen füllten. ,,Ich wollte doch bloß leben, Draco. Ohne jemanden verletzen zu wollen." fuhr ich fort als meine Haut eiskalt wurde; ich die Farbveränderung in meinen Augen spüren konnte. Wie meine Haare weiß wurden. Wie ich mich erneut in dieses abscheuliche Monster verwandelte. Ich konnte es spüren.

,,Hey, hey-" sprach er hektisch, als er mein eiskaltes Gesicht zwischen seine Hände nahm. ,,-sie manipuliert dich, Nova."
,,Er lügt." widersprach ihre Stimme in meinem Kopf. ,,Hör nicht auf ihn; vertrau mir. Ich weiß was gut für dich ist."
,,Nova; sie manipuliert dich, hörst du?" wiederholte Draco ernst, als er meine Oberarme festhielt; mir panisch in meine kalten Augen sah. ,,Darling; bitte-" flehte er. ,,-wenn du ihr etwas tust, dann werden sie dich mitnehmen! Dann kann ich dich nicht mehr beschützen!"

,,Es tut mir leid." flüsterte eine dritte Stimme furchtbar leise und weinerlich. ,,Es tut mir so leid, Nova. Bitte; tu mir nichts." wisperte Astoria ganz blass und panisch, als ich ein letztes Mal zu Draco sah; ich Astorias Hand auf meiner spüren konnte.
,,Darling; kämpf gegen sie an-"
,,-nun tu es endlich!" ertönte ihre Stimme grell und schmerzerfüllt; so laut, dass ich zusammen zuckte. Vor lauter Schmerzen das kleine scharfe Messer umgriff; es wutentbrannt und kraftvoll ins Herz rammte.

Tief. Über das Messer hinaus. Es versank förmlich im Körper. Ertrank unter dem dunkelroten warmen Blut. Ich ließ es nicht los; konnte nicht. Der Anblick; das Gefühl des Durchdringens des Herzens, hatte mir die Worte geraubt. Die Fähigkeit zu atmen. Es raubte mir die Realität. Den Moment. Doch ich hatte Recht behalten; ich mochte kein Blut.

,,Nova-"
,,-lauf." keuchte ich blutspuckend, als ich auf meine Knie fiel; auf das Skalpell in meiner Brust hinab sah. ,,Astoria, lauf!" forderte ich mit blutdurchtränkter Robe, als sie aus ihrem Bett aufsprang; aufgelöst den Krankenflügel verließ. Ich mit zittrigen Händen an den Griff des Messers griff; es mir mit einem schmerzhaften Schrei aus der Brust zog. Das Blut mehr wurde; wir bereits in einer Pfütze aus Blut standen. Lagen.

,,Nova." flüsterte Draco ganz blass; völlig unter Schock. Er war neben mir auf seinen Knien; hatte meinen Oberkörper auf seinen Schoß gezogen. ,,Was hast du getan?" fragte er ohne zu blinzeln; mit tränengefüllten Augen. Zittriger Unterlippe. Panischen Händen.

,,Ich habe auf dich gehört." lächelte ich mit einem blutüberströmten Lächeln. ,,Ich habe sie nicht gewinnen lassen, Liebster."
,,Nova-" sprach er völlig gelähmt. ,,-du bist nicht mehr unsterblich. Darling; du-"
,,-sie wird nicht gewinnen, Draco." unterbrach ich ihn geschwächt und legte meine blutrote Hand auf seine blasse Haut.

,,Wir; ich, ich helfe dir, Nova." antwortete er überfordert, als er meine verklebten Haarsträhnen von meinem Oberkörper strich; seine Hände auf meine klaffende Wunde presste. Er schrie lautstark nach Hilfe; ließ mich diesen Moment in vollkommener Zeitlupe erleben. Ließ mich erkennen, dass er mich niemals gehen lassen würde. Er alles dafür tun würde, dass mein Herzschlag auf ewig in meiner Brut weiter leben dürfte. Alles.

,,Wir bekommen das schon wieder hin." lächelte er, als die ersten Tränen auf mich hinab fielen; sich mit meinem Blut vermischten.
,,Ich war stärker als sie, Draco." lächelte nun ich; weinend. ,,Ich war stärker."
,,Das warst du, Darling." erwiderte er, als er seine Hand auf meine Wange legte. ,,Du warst schon immer stärker als sie."

,,Danke." antwortete ich, als die Tränen in meinen Augen, diese wieder Blau werden ließen. Ganz langsam mein weißes Haar wich; mein Blond zurückkehrte. Ich konnte spüren, dass die Kälte aus meinen Händen wich; ich konnte sie nicht mehr hören. ,,Danke, dass du mit mir gesprochen hast, Draco. Danke für alles."

,,Nein!" widersprach er dominant und ernst. ,,Du fängst nicht an dich zu verabschieden! Es ist noch nicht so weit! Du brauchst deinen Frieden; wir haben deine Leiche noch nicht! Hör auf, Nova. Das hier wird nicht unser Abschied sein! Nicht so! Nicht hier!"

,,Du bist ein guter Mensch, Draco." sprach ich ungehindert weiter, als er erneut nach Hilfe rief; ich seine Brosche an seiner Robe richtig drehte. Es war meine; des Hauses Hufflepuff. Er hatte sie nicht mehr abgelegt; niemals. ,,Hör nicht auf deinen Vater; du bist wundervoll."
,,Nova, hör auf-" weinte er. ,,-bitte."

,,Wir haben uns etwas versprochen." lächelte ich unbekümmert; mit einem immer schwächer werdenen Herzschlag. ,,Im nächsten Leben; da sehen wir uns wieder. Erinnerst du dich?"
,,Natürlich, Darling." flüsterte er leise.
,,Ich werde schonmal vor gehen; und dort auf dich warten. Ganz aufgeregt und überglücklich. Doch lass mich warten; lass mich lange warten. Du wirst für uns beide leben müssen, blonder Junge." lächelte ich verliebt.

,,Du irrst dich." widersprach Draco ernst, als er meinen Körper hoch hob; mich auf einem der Betten niederließ. ,,Ich spüre, dass es noch nicht so weit ist. Es fühlt sich falsch an; du wirst nicht gehen, Nova. Nicht so." sprach er ernst, als er die Blutung weiter zu stoppen versuchte; im selben Moment die Tür des Krankenflügels aufgerissen wurde. Diese eine dunkle Gestalt die letzte war, die ich erkennen konnte; ehe sich meine Augen schlossen.

Fallen Angel - Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt