Prolog

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Der beißende Gestank von Blut, Verwesung und Zerstörung füllte die schwüle Luft. Unangenehm kroch er ihr in die Nase und hinterließ einen metallischen Geschmack auf ihrer Zunge. Der Gestank war wie ein Ruf zu Tisch, sie leckte sich verkrustete Blutreste von den Lippen und ließ die Augen unruhig umher zucken, noch nicht sicher, ob sie wirklich Raubtier und nicht eher Beute war. Nein, definitiv das Raubtier, hechelnd und sabbernd über ihrem Opfer, die blanken Reißzähne gefletscht.
Keuchend lag der Mann unter ihr auf dem Boden, die Augen halb zusammen gekniffen und unfähig sich zu bewegen. Ihr Messer steckte tief in seiner Brust, nur noch wenige Zentimeter vom Herzen entfernt.
Das war blöd von ihr, eigentlich wollte sie ihn nicht leiden lassen, sie hätte es sofort zuende bringen sollen. Schließlich hatte er die Drecksarbeit für sie erledigt; ein dutzend Killer mit einer Kettensäge zu zerstückeln war sicher kein Spaß. Ihn umzubringen tat ihr fast etwas leid, aber das war nunmal ihr Job.
"Ich sag dir doch jedes Mal wieder, dass du die scheiß Schutzweste anziehen sollst!"
Beinahe sekündlich erstarrte sie zur Salzseule und warf einen panischen Blick über die Schulter. Hatten die Guerillas vor ihrem Tod etwa noch Hilfe gerufen?
"Hätte ja nicht ahnen können, dass noch einer von den Bastarden übrig ist! Es sollten nur zwölf sein!", presste der Mann unter ihr hervor.
"Das hätte auch schon früher passieren können!"
"Jaja, jetzt mach endlich was!"
Sie riss ihr Messer an sich und drehte sich noch gerade so schnell um, dass die Kugel sie nur in die Schulter traf, obwohl auch das höllisch weh tat. Nur eben nicht genug. Blitzschnell zog sie ihre eigene Pistole und stand nun Angesicht zu Angesicht mit einem zweiten Mann, der genau wie ihr eigenes Ziel mit einem blutigen Schutzanzug und einer Schutzbrille bekleidet war. Seine Oberlippe zierte ein dichter Schnurrbart. Von den Haarenden tropfte es rot.
"Weg von meinem Bruder, Arschloch.", stieß er unter schweren Atemzügen hervor. Die Stimme heiser und kratzig.
"Dein Bruder? Wer zum Fick bist du überhaupt?"
"Hast du mich nicht verstanden?"
"Vielleicht solltest du dir mal den Bart stutzen, dann würde man dich besser hören.", die Waffe noch immer starr auf ihren Angreifer gerichtet, warf sie einen schnellen Blick über die Schulter, nur um zu bemerken, daß ihr eigenes Ziel plötzlich wieder auf den Beinen war und direkt hinter ihr stand. Seine Faust in ihrem Gesicht ließ sie alles an empfundenen Mitleid sofort vergessen.
Sie wurde einige Meter weit geschleudert und rappelte sich sofort wieder auf. Nur ihre Pistole lag zu weit weg um sie schnell genug zu erreichen. Ihre Hand suchte panisch nach dem Dolch, der gerade eben noch an ihrem Gürtel befestigt gewesen war.
"Warum muss es immer diesen einen Bastard geben, der alles noch schwerer macht, als es sein müsste!", fluchte der Mann mit dem Schnauzer und riss sich mir der einen Hand die Schutzbrille vom Gesicht, während er mit der anderen weiter auf sie zielte, "Alles okay?"
"Wird schon gehen.", antwortete sein "Bruder". Die Beiden sahen nicht im entferntesten verwandt aus.
"Sind hier noch mehr von deiner Sorte?"
"Sieht ja wohl nicht so aus."
"Werd nicht frech!", er kam näher und hielt ihr die Waffe vor die Stirn doch in diesem Moment bekam sie endlich ihr Messer zu greifen und erwischte ihn im Gesicht, worauf er nach hinten stolperte und sie seine Pistole zu greifen bekam, die sie sogleich auf ihn richtete. Der Schmerz in ihrer Schulter pochte unangenehm, aber sie brachte es fertig ihre Pistole auf den Einen und das Messer auf den Anderen zu halten. Der hatte sich eine der etlichen Waffen, die über den Boden verstreut lagen, einen Baseballschläger, gegriffen und kam jetzt auf sie zu. Sie ärgerte sich, länger als gewollt für die Entscheidung zu brauchen, ob es schlauer war Pistole oder Messer fallen zu lassen. Sie konnte sich nur noch knapp vor dem Schläger weg ducken. Schweren Herzens entschied sie sich, Abschied von ihrem Messer zu nehmen, dann zielte sie auf den Kopf ihres Angreifers. Was auch immer passierte, sie wollte ihren Job zuende bringen. Halbe Sachen gab es nur, wenn sie sie durchgesäbelt hatte.
Ein Klicken ertönte, dann ... kein Schuss?
Keine Munition mehr?, das musste doch ein beschissener Scherz sein! Deshalb verließ sie sich normalerweise nicht auf Kurzwaffen.
Sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, da lag sie schon am Boden, die Arme schützend über dem Gesicht. Der Mann mit dem Schnauzer über ihr, sein Knie in ihrer Magengrube. Er holte mit ihrem Messer aus, sie warf sich zur Seite und er riss nur ihre Maske herunter. Sie hatte vollkommen vergessen, dass sie das Ding noch im Gesicht gehabt hatte. Eine Oni Maske, düster und hässlich.
"Scheiße, das ist ja nur ein kleines Mädchen!", er lachte ihr manisch ins Gesicht.
"Halt die Fresse!", sie kämpfte sich ein Stück hoch und stieß den Schnurrbart von sich, schlug ihm ins Gesicht und trat ihm mit voller Wucht in den Schritt. Er gab einen Schmerzvollen Laut von sich und fiel auf den Rücken.
Ein Hoffnungsschimmer. Wenn sie jetzt an eine Waffe kam, hatte sie eine geringe Chance.
"Kleines Mädchen hin oder her, verpiss dich von meinem Bruder!"
Da verblasste das bisschen Hoffnung. Davon getrieben mit dem Wind. Ihr lief ein bisschen Blut aus dem Mundwinkel, dann noch ein bisschen. Der Katana war von hinten eingedrungen, aber sie sah die Spitze aus ihrem Bauch ragen.
Wie hatte sie auch annehmen können, sie könnte es mit zwei Killern gleichzeitig aufnehmen? Aber ihr war nicht mitgeteilt wurden, dass es zwei waren, was konnte sie also dafür? Sie hätte nur für das Arschloch aus Nowosibirsk verantwortlich sein sollen. Und nichtmal der war tot. Falsche Jobwahl war eben doch sehr weit verbreitet.
Ihre Augen wurden glasig, als sie auf die Knie sank und sie spuckte dem Mann noch mehr Blut in seinen Schnurrbart, als sich dort sowieso schon gesammelt hatte. Ihr wurde schwarz vor Augen als sie versuchte sich aufzurichten, dann brach sie komplett zusammen.
Das Letzte, was sie mitbekam, war, dass jemand sie über den Boden schleifte und zwei Stimmen, die laut diskutierten, dann blieb sie zwischen Dreck und Körpern liegen und schlief endlich ein.

Kill Me Pretty [Bullet Train]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt