16. Johannes - ...reden...

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Oh man... Wieso zum Henker musste ausgerechnet mir so was passieren? Wieso nur krachte dieser Kerl, einfach mir nichts, dir nichts in mein Leben und stellte es auf den Kopf? Wieso sagte er plötzlich so Sachen wie „Ich mag dich" und was noch viel schlimmer war, wieso um alles in der Welt, wollte ich auf einmal, das es der Wahrheit entsprach?

Ich hatte doch mein perfektes Leben. Perfektes Haus, perfekter Job, perfektes Sexleben. Na gut, zumindest beim Letzteren spielte er schon eine entscheidende Rolle. Musste plötzlich alles ins Wanken geraten? Man, man, man! Ja, ich könnte ihn einfach vor die Tür setzten. Besser wäre es sogar gewesen, ihn gar nicht erst mit nach Hause zu nehmen. Aber absurderweise sträubte sich alles ihn mir, ihn gehen zu lassen. Zum Teufel! Ich wollte wirklich, dass er blieb, dass er mich mehr als nur mochte, dass das zwischen uns vielleicht tatsächlich eine Zukunft hatte.

Ich meine, ich hatte hier einen Halbgott auf zwei Beinen. Der Sex mit ihm war herrlich und er konnte kochen. Mit ihm würde ich gewiss nicht verhungern, sowohl als auch. Außerdem verstanden wir uns, wenn wir nicht grade stritten ganz gut. Was wollte man mehr? Also wieso stellte ich mich hier gerade so an? Es ging nicht immer nur darum Sicherheit zu haben. Die Kontrolle zu bewahren. In der Theorie war mir das durchaus klar, in der Praxis hatte ich so meine Probleme damit. Dieses Spiel mit ihm hatte ein zu großes Risiko, was jede nur erdenkliche Alarmglocke in mir wie verrückt läuten ließ. Was, wenn er jetzt blieb und ich mich richtig in ihn verlieben würde, also wenn man die Tatsache außen vor ließ, dass es dafür nicht eh schon bereits zu spät wäre?

„Was ist wirklich dein Problem? Wieso lässt du immer nur dieses Arschloch Mr. Unnahbar raushängen?", wollte er wütend von mir wissen. Verschränkte seine Hände vor der Brust und starrte mich, regelrecht auf eine Antwort lauernd, an.

„Du lieber André bist ein einziges, großes Problem!", dachte ich mir. „Mr. Unnahbar?", fragte ich stattdessen. So hatte er mich schließlich schon des Öfteren genannt. War ich denn wirklich so unnahbar, so ein Arsch, wie er behauptete? Welch Frage, natürlich! Wem wollte ich hier etwas vormachen? Ich war schon immer so, im Job, im Privatleben. Nur so bekam man im Leben schließlich das, was man wollte, und ich wollte verdammt viel! Wer damit ein Problem hatte, sollte sich schleunigst vom Acker machen. Tja, und genau hier wurde es kompliziert. Ich wollte nicht, dass er sich vom Acker machte, dass er verschwand. Wenn ich unverblümt und ehrlich war, wollte ich, dass er blieb.

„Ja! Mr. Unnahbar ...", spukte er förmlich aus und fing an, im Zimmer auf und ab zulaufen. „Ich sollte gehen ..." Dabei blieb er kurz stehen, sah sich um, nur um gleich darauf zu seiner Bettseite zu stürmen und seine Reisetasche darunter hervorzuholen. Sprachlos sah ich ihm dabei zu, wie er anfing, wahllos Sachen hineinzuwerfen.

„Wo willst du auf einmal hin?", fragte ich das Naheliegendste und spürte die langsam aufkommende Panik in mir. Jetzt hatte ich ihn gerade erst wieder unter großem Drama mit nach Hause gebracht, schon schien er mir erneut durch die Finger zu gleiten. Wieso konnte ich diese Situation nicht unter Kontrolle bringen? Tag ein Tag aus tat ich nichts anderes, als zu kontrollieren, zu bestimmten, etwas wieder in Ordnung zu bringen und hier, mit ihm, versagte ich komplett.

„Irgendwohin ... ganz egal...", murmelte er, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und verschwand im Bad, um wohl auch dort seine Sachen zu packen. Die Zeit wurde knapp, ich musste handeln. Wenn ich hier so weiter saß und dämlich vor mich hin glotzte, würde er verschwinden. Aber das fürchtete ich doch noch mehr, als den Kontrollverlust.

„Warte!", bat ich. Gerade kam er mit seinem Kulturtäschchen aus dem Bad, da ergriff ich ihn am Handgelenk und hielt ihn davon ab weiterzugehen. „Bitte ...", fügte ich viel leiser hinzu. Wir mussten das jetzt gleich klären, sonst würde es mich verrückt machen. „Lass uns bitte in Ruhe reden, okay?", fragte ich hoffnungsvoll und klopfte mit meiner freien Hand auf den Platz neben mir. „Was gibt es hier noch zu reden?", halbherzig versuchte er sich, aus meinem Handgriff zu befreien, doch ich ließ ihn nicht los. Wir würden jetzt reden, ob wir wollten oder nicht, und das klären. „Komm schon, André... bitte!" Versuchte ich es noch einmal, und tatsächlich, er setzte sich schnaubend neben mich auf das Bett und sah mich herausfordernd an. Es war wohl an der Zeit aufrichtig zu sein, wenn ich nicht wollte, dass er heute Nacht noch verschwand. Und ich wollte es wirklich nicht.

Mr. Unnahbar (Mr. 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt