34. Johannes - Clowns zum Frühstück

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„Sie und mein Sohn also?" Musternd streifte mich ihr Blick vom Kopf bis Fuß und ich hatte das Gefühl, mich daran zu verbrennen.

Frau von Aren und ich saßen zusammen im Schwesternzimmer und tranken einen Kaffee, während sich Robert ganz alleine in die Höhle des Löwen vorgewagt hatte.

Andrés Ma war eine wahre Augenweide, von der er mit Sicherheit das schöne, lange, blonde Haar geerbt hatte. Mit ein Nicken bestätigte ich ihre Frage und nahm einen tiefen Schluck von meinem Kaffee. Ihr abschätzender Blick ruhte immer noch auf mir und machte mich ganz kirre. Bei Robert hatte ich mich von Anfang an deutlich wohler gefühlt. Bei ihr hatte ich das Gefühl, nicht gut genug für ihren Sohn zu sein.

„Laufen Ihre Gespräche mit meinem Sohn immer in dieser Lautstärke und in diesem Ton ab?"

„Öfter als man denkt ...", nuschelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart und hoffte inständig, dass die beiden Herren ihr Gespräch schnellstmöglich beendeten und mich Robert aus dieser, doch eher steifen, Situation erlöste.

„So, so." Ihren Ton missbilligend zu beschreiben, war die Untertreibung des Jahrhunderts. Sie klang, als hätte ich vor ihren Augen einen Welpen getreten.

„Wie lange nochmal, sind Sie schon zusammen?", dabei hüpfte ihre Augenbraue fast in den Haaransatz.

„Emm ...", stotterte ich etwas irritiert von diesem Verhör. „Seit November.", fügte ich, nach einer kleinen Pause, hinzu.

„Und wie genau haben Sie sich kennengelernt?", wollte Sie gleich darauf wissen, was mich schwer schlucken ließ. Sie wollte bestimmt nicht hören, dass ich ihren Sohn monatelang gefickt hatte, dass ihm Hören und Sagen verging, ohne dabei auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln, geschweige denn nach seinem Namen zu fragen. Die Röte kroch mir langsam den Hals hinauf und würde bald meine Wangen zum Leuchten bringen.

„In einem Club.", antwortete ich, so nahe an der Wahrheit, wie mir möglich, ohne dabei in Teufels Küche zu geraten. Aber da hatte ich die Rechnung ohne Frau von Aren gemacht.

„In sooooo einem Club?", wobei sie das „so" extra betonte. Nun brach mir wirklich der Schweiß aus. Was bitteschön sollte ich ihr auf diese Frage antworten? Hinter mir erklang verhaltenes Gekicher. Zwei Schwestern, die gerade scheinbar nichts Besseres zu tun hatten, als hier mit im Zimmer zu sitzen und unserer Unterhaltung zu folgen, schienen sich prächtig zu amüsieren.

„Ich weiß nicht, was sie meinen ...", versuchte ich, ausweichend und kleinlaut, mein Glück mit Ahnungslosigkeit.

„Vergackeiern Sie mich nicht, junger Mann!", wurde ich sogleich todernst angepflaumt und mir fiel der Kinnladen herunter. Hatte diese piekfeine Dame gerade tatsächlich gesagt, ich soll sie nicht vergackeiern? Mein Weltbild geriet gerade gewaltig ins Wanken.

„Emm ... ja ...", stotterte ich immer noch perplex vor mich hin.

„Na, dann hoffe ich, dass sie sich wenigstens geschützt haben!", bekam ich schroff meine Retourkutsche.

Wo bitteschön war das Loch im Boden, dass sich auftat und mich schluckte? Passierte das hier gerade wirklich, oder hatte ich den schrägsten Albtraum meines Lebens? Fassungslos starrte ich sie an. Was zur Hölle war hier schiefgelaufen? Wieso um alles in der Welt sprach ich gerade mit meiner Schwiegermutter in Spe über Verhütung, als wäre ich erst frisch geschlüpft. Ihr strenger und missbilligender Blick ruhte dabei die ganze Zeit auf mir.

Doch plötzlich zuckten ihre Mundwinkel und sie boxte mir gegen die Schulter, nur um anschließend in schallendes Gelächter zu verfallen.

What the fuck??? Regungslos saß nun ich, wie ein geprügelter Hund, da und fragte mich zum wiederholten Mal, ob das hier gerade tatsächlich geschah.

„Werd mal ein bisschen lockerer, Johannes!", presste sie gackernd hervor. „Das war doch nur Spaß! Ihr seid beide alt genug, zu tun, was immer ihr da auch tut.", abwehrend hob sie ihre Hände. „Ich will das auch gar nicht so genau wissen!"

„Okay ...", erwiderte ich erneut etwas kleinlaut und nippte an meinem mittlerweile kalten Kaffee. Robert, bat ich im Geiste, tu mir einen Gefallen und beweg endlich deinen Arsch hier her.
„Es tut mir leid", gluckste Andrés Ma immer noch und wischte sich die Lachtränen aus dem Augenwinkel. „Aber das wollte ich schon immer mal machen! Nur hatte André nie jemanden mit nach Hause gebracht."

Was für ein Glück, für all die anderen! Brav nickte ich nur und sehnte mich tatsächlich nach einem Albtraum.

Die Tür hinter mir öffnete sich, hoffnungsvoll schaute ich über die Schulter und tatsächlich, Robert betrat den Raum. Augenblicklich erhob sich Elisabeth von Aren von ihrem Stuhl und eilte zu ihrem Mann.

„Herzchen, du siehst ja schrecklich aus! Was ist passiert? Habt ihr euch erneut gestritten?", bombardierte sie ihren Mann mit Fragen, ließ ihm aber keine Zeit zum Antworten.

„Alles ist gut, meine Liebe!", versicherte Robert, ihr Luftholen ausnutzend. „Wir haben alles geklärt!"

Ein Stein fiel mir vom Herzen. Es bestand ja immer noch die Möglichkeit, dass die beiden alles verschlimmerten und der Streit zwischen Vater und Sohn ausweglos wurde. Aber mein toller, wunderbarer André hatte sich scheinbar tatsächlich am Riemen gepackt und alles mit seinem Vater geklärt.

„Du kannst zu ihm, er wartet auf dich!", rissen mich Roberts Worte aus den Gedanken und ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich begriff, dass nicht ich, sondern Elisabeth gemeint war.

Freudestrahlend platzierte sie ihrem Mann ein Küsschen auf die Wange und rauschte durch die Tür.

Ich war immer noch dabei ihr nach zu starren, da klopfte mir Robert auf die Schulter. Was für eine verrückte Person, schoss es mir durch den Kopf, während ich meinen Blick hob und mich auf Andrés Vater konzentrierte.

„Danke, mein Junge!", dabei klopfte er mir weiter auf die Schulter. „Für alles!"

„Aber ich hab doch gar nichts gemacht!", erwiderte ich und fühlte mich bei seinen Worten etwas unwohl. Vor allem, weil ich ja wirklich nichts getan hatte.

„Natürlich hast du das! Du hast angerufen und du hast dich mit ihm gestritten, dabei sogar deine Beziehung aufs Spiel gesetzt."

„Das war nicht ganz uneigennützig!", unterbrach ich seine Lobeshymne, weil es ja der Wahrheit entsprach. Ich hatte es allein für André getan.

„Mag sein!", dabei zwinkerte er mir zu. „Ich bin dir trotzdem dankbar!"

Nachdem ich ihm einen Kaffee geholt hatte, setzten wir uns zusammen und er erzählte mir sogar etwas von dem Gespräch mit André. Es schien tatsächlich von Anfang an sehr gut gelaufen zu sein, zwischen den beiden. Das freute mich unendlich für meinen Schatz und ich hoffte inständig, dass er mir nicht mehr böse war.

Wir hatten unsere Tassen noch nicht einmal zur Hälfte geleert, da kam auch schon Andrés Mutter angerauscht. Die beiden verabschiedeten sich von mir und ich begleitete sie noch zum Eingang, bevor ich mich auf den Weg zurück zu André machte.

Der Streit und mein Abgang lagen mir schwer im Magen. Die letzten Stunden waren wir beiden durch die Hölle gegangen und jetzt wollte ich ihn nur noch in meine Arme schließen und die Ruhe genießen. Vorausgesetzt, er würde mich immer noch wollen.

Zaghaft öffnete ich die Tür und betrat sein Zimmer. Er hatte die Augen geschlossen, also versuchte ich, so leise wie möglich zu sein, während ich die Tür schloss und auf Zehenspitzen auf ihn zutrat. Mein wunderschöner, blasser Engel. Das Herz wurde mir schwer. Er hatte so viel durchstehen müssen und ich hatte ihn nicht beschützen können. Vorsichtig trat ich näher ans Bett und wollte ihm gerade eine Strähne aus dem Gesicht streichen, als er seine Augen aufschlug. Erschrocken fuhr ich zusammen und zog meine Hand wieder weg. Sein Blick, der streng auf mir ruhte, verriet nichts Gutes.

„Du hast gar nicht erwähnt, dass deine Ma bei der CSI arbeitet und Clowns zum Frühstück verspeist ...", versuchte ich witzig zu sein, die Atmosphäre etwas aufzulockern, und setzte mich auf den freien Stuhl.

Einen Augenblick starrte er mich nur an, bevor sich seine Mundwinkel kräuselten und er zu glucksen begann. Eins der schönsten Geräusche, die ich je gehört hatte.

„Hör auf, mich zum Lachen zu bringen! Ich bin sauer!"

Mr. Unnahbar (Mr. 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt