Beleidigt sah ich weg. Was regte sich Mr. Unnahbar auch immer so künstlich auf? Erst musste man Stunden länger auf ihn warten, wie es eigentlich zuvor ausgemacht war, und dann kam er natürlich, im gerade ungünstigsten Moment, als mir diese doofe Mehlpackung aus der Hand rutschte und die gesamte Küche von oben bis unten einstaubte. Ich meine, ja ein bisschen katastrophal sah es schon aus, aber nichts, was man nicht im Nu wieder sauber bekommen könnte. Aber nein, der Herr schrie wieder mal lieber cholerisch rum. Statt mich zu begrüßen. Ich hatte ihn immerhin vermisst.
„Das ...", riss er mich aus den Gedanken und ich saß wieder zu ihm hoch, während er eine Handbewegung vollführte, die den ganzen Raum mit einschloss. „Machst du gefälligst sauber!" Mit verschränkten Armen vor der Brust und einem Blick, der keine Widerrede duldete, funkelte er mich wütend nieder. „Alleine!", setzte er schlussendlich hinzu, wandte sich ab und stiefelte davon. Sprachlos sah ich ihm hinterher. Wo wollte er denn auf einmal hin? Ich dachte, wir wollten gemeinsam backen? Immerhin hatte er es mir doch versprochen!
„Johannes?", rief ich ihm also nach. Auch mein Stimmungsbarometer sank gerade kontinuierlich bergab und hatte den Nullpunkt fast erreicht. „Was ist mit den Plätzchen?", wollte ich wissen. Klar würde ich anschließend alles aufräumen, verstand sich doch von selbst. Aber zuerst sollten wir den bereits angerührten Teig verbacken.
Sein eiskalter Blick über die Schulter hätte genügt, aber nein, er musste ja noch einen drauf setzen. „So wie das alles aussieht, solltest du es lieber in die Tonne hauen." Und verschwand letztendlich im Wohnzimmer.
„Arschloch!", murmelte ich wütend vor mich hin. Das hatte ich nun davon, mir solche Mühe gegeben zu haben. Ihn interessierte gar nichts, außer seine Arbeit und Sex. Der ganze, große Rest, das Leben dazwischen sozusagen, blieb auf der Strecke. Das wusste ich eigentlich und doch hatte ich gehofft, heute einen schönen Abend mit ihm zu verbringen. Ohne Arbeit, ohne Sex ... na ja, Letzteres musste man ja nicht gänzlich ausschließen. Aber einfach mit ihm zusammen diese Plätzchen zu backen und etwas in weihnachtliche Stimmung zu kommen, mehr wollte ich doch gar nicht.
Gut ich war etwas über das Ziel hinaus geschossen, mit meiner etwas größeren Auswahl an Plätzchen als ursprünglich geplant. Das gab ihm aber kein Recht, sich wie ein riesen Arsch aufzuführen und mich hier einfach so, alleine stehen zu lassen.
Immer noch sauer, ging ich zum Kühlschrank und holte den erstbesten Teig heraus. Klatschend landete dieser auf dem Tisch. Dann würde ich halt diese verdammten Plätzchen alleine backen. Wer brauchte dabei schon diesen arroganten Schnösel? Mit voller Wucht landete das Nudelholz auf dem harten Teig und ich drückte ihn mehr, als das ich ihn walzte, auseinander. Irgendwie tat mir diese Sorte jetzt schon leid. Die musste das Ausbaden, was der Herr Miesepeter verbrochen hatte, und hatten dabei nicht den Hauch einer Chance sich zu wehren.
Völlig im Rausch, bemerkte ich jetzt erst den stechenden Geruch nach Verbranntem. Schlagartig fielen mir die Kokosmakronen ein, die ich kurz vor Jo's Auftritt noch in den Ofen geschoben hatte. Dank des ganzen Theaters hatte ich sie gänzlich vergessen. Wie von der Tarantel gestochen, ließ ich alles stehen und liegen und eilte zum Ofen. Vielleicht konnte man ja noch was retten, auch wenn mich meine Nase vom Gegenteil überzeugen wollte.
Beim Ofen ankommend, riss ich erst einmal die Tür auf, nur im gleichen Augenblick von der Hitzewolke und dem beißenden Gestank nach Verbrannten zurückzuweichen. Meine schönen Makronen waren zwar noch keine Kohlebriketts, aber essen würde ich sie jetzt auch nicht mehr. Immer noch voller Adrenalin, griff ich nach dem erstbesten Geschirrtuch und wollte das Blech erstmal aus dem Ofen holen. Leider war das Tuch nicht gerade dafür geschaffen, das heiße Blech zu transportieren. Keinen Moment später, drang die Hitze an meinen Daumen, wo das Geschirrtuch nur einlagig vorhanden zu sein schien, und der Schmerz brannte sich in meinen Finger.
„Scheiße ... scheiße ... scheiße ...", fluchte ich vor Schrecken und Schmerz gleichzeitig und pfefferte das Blech auf die Herdplatte, um meinen Finger in Augenschein zu nehmen, der immer mehr zu brennen begann. Was für eine verdammte Scheiße! Tränen schossen mir in die Augen. Mein Daumen pochte immer mehr und ich stand nur da und starrte ihn an.
„Das muss gekühlt werden!", ließen mich Johannes durch seine Worte erschrocken zusammen zucken, während er von hinten an mir vorbei nach meiner Hand griff und gleichzeitig mit der anderen das Wasser aufdrehte. Ich konnte gar nicht so schnell schauen, da wurde mein malträtierter Daumen schon vom kalten Nass gekühlt, was unendlich guttat.
„Kannst du nicht aufpassen...", knurrte mich mein Arschloch von Freund an. Ich sollte ganz dringen mal meinen Männergeschmack überdenken, denn das hier konnte doch wirklich nicht das Gelbe vom Ei sein.
„Lass mich ...", zischte ich mit brüchiger Stimme zurück und versuchte, meinen Arm aus seiner Umklammerung zu befreien, doch Johannes ließ nicht locker. Wütend starrte ich über die Schulter und konnte nicht verhindern, dass mir dabei eine Träne über die Wange rollte. Dieser ganze Abend war die reinste Katastrophe! Mein Leben war eine Katastrophe! Mein Freund ein Desaster und mein Finger tat immer noch höllisch weh. Wem wäre da nicht zum Heulen zu Mute?
„Hey ...", flüsterte Johannes plötzlich liebevoll, stellte das Wasser ab und drehte mich zu sich herum. „Tut es so weh?" Dabei besah er sich, ganz der Doktor, meinen Daumen. Von seinen Stimmungsschwankungen bekam man ja ein Schleudertrauma! Wenn ich es nicht selbst hin und wieder erleben würde, dass er auch nett sein konnte, ich würde es niemanden glauben. Aber grade eben konnte er mir mal den Buckel runter rutschen, darum entriss ich ihm meine Hand. „Ich werd's schon überleben!"
„André ...", seufzte er und zog mich an sich zurück. Sein „André" konnte er sich ebenfalls sonst wohin schieben. Also versuchte ich mich erneut, aus seiner Umarmung zu befreien, was mir nicht gelang. Stattdessen presste mich Johannes nur noch fester an sich und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Es tut mir leid ...", flüsterte er dagegen.
„Was?", wollte ich irritiert wissen und hielt in dem kläglichen Versuch, mich von ihm zu befreien, inne. „Das wäre nicht passiert, wenn ich mich nicht wie ein Arsch aufgeführt hätte und du sauer auf mich wärst ..." Blinzelnd sah ich zu ihm hoch und wollte erst mal ganz automatisch widersprechen, besann mich aber.
„Ganz genau!", fuhr ich ihn stattdessen an und versuchte ihn, mit funkelnden Augen zu erdolchen. Was lediglich bei einem Versuch blieb.
„Was stellst du nur mit mir an...", flüsterte mein Holder seufzend, bevor er sich vorbeugte und mich, von seinen Worten noch ganz sprachlos, küsste. Emm ... ja ... und mein Hirn verabschiedete sich gleich mal von selbst. Was sollte ich da bitte schön drauf sagen? Was zum Henker machte er mit mir?!
„Lass uns deine verdammten Plätzchen backen.", nuschelte er heiser gegen meine Lippen, bevor er sich löste und mich zurück zum Tisch zog.
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Mr. Unnahbar (Mr. 1)
RomanceEin Club. Samstagnacht für Samstagnacht. Heiß, hart, anonym. Zwei Männer, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Zwei Welten, die aufeinander prallen. Der eine - ein typischer Workaholic, null Privatleben. Nimmt das Leben immer todernst und g...