6. Johannes - wie heißt du eigentlich?

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Draußen begann es schon zu dämmern, als ich endlich total erschöpft und ausgelaugt die Tür zu meinem Haus aufschloss. Stille und Dunkelheit empfing mich, nichts deutete darauf hin, dass ich einen unliebsamen Hausgast hatte. Vielleicht war er tatsächlich durchgebrannt, kam es mir in den Sinn. Na dann hoffentlich nicht mit meiner halben Einrichtung. Schnell verwarf ich diesen Gedanken, immerhin war mir sein Gesichtsausdruck nicht entgangen, als ich ihm an den Kopf warf, ein Krimineller zu sein. Irgendwo tat es mir jetzt im Nachhinein sogar ein bisschen leid, schließlich hatte er auf mich nie wie ein Verbrecher gewirkt.

Nachdem ich mir die Schuhe von den Füßen getreten hatte, verschloss ich die Tür hinter mir und stieg müde die Treppe zu meinem Schlafzimmer hinauf. Auf halben Weg dorthin machte ich im Bad halt, um mich endlich auf meinen wohlverdienten Schlaf vorzubereiten.

Als Erstes stach mir die noch immer nasse Glaswand der Dusche ins Auge, zumindest bis hier her schien mein Überraschungsgast gekommen zu sein. Schulterzuckend gesellte ich mich ebenfalls unter die Dusche, mit dem schwachen Versuch mir den Stress der Nacht abzuwaschen.

Eigentlich hätte ich schon längst wieder zu Hause sein müssen, in meinem Bett, tief schlafend. Schließlich sollte mein Besuch vor Ort nur ein schneller Routinebesuch sein, ein Quickie sozusagen. Ein Patient von mir wurde über mehrere Tage hinweg aus dem künstlichen Koma geleitet und war endlich erwacht, da sah ich immer gerne selbst nach dem Rechten.

Ich hatte meinen Kontrollbesuch noch gar nicht beendet, da wurde eine Massenkarambolage auf der Autobahn angekündigt, von der die Verunglückten jeden Augenblick eingeliefert werden sollten. Zwar nichts allzu Dramatisches, so dass ich im OP gebraucht wurde, aber dennoch einige Verletzte mit Schnittwunden, Prellungen und Brüchen. Sie alle wollten so schnell wie möglich versorgt werden. Und da es hier, wie in jedem anderen Krankenhaus auch, besonders in der Notaufnahme an Personal mangelte, war ich geblieben und hatte die Fälle, die genäht werden mussten, übernommen.

Nach vier Stunden harter, ununterbrochener Arbeit, hatten wir endlich alle Patienten soweit versorgt, dass sie entweder in einem Zimmer untergebracht, oder wieder entlassen wurden. Erst dann konnte ich guten Gewissens meine Zelte abbrechen und schließlich nach Hause fahren. In dieser ganzen Hektik hatte ich sowohl die Zeit, als auch meinen unliebsamen Hausgast vergessen.

Jetzt hatte ich aber erst einmal zwei Tage frei. Wirklich frei. Konnte mich endlich ausschlafen, etwas entspannen, wieder runterkommen. Doch tief in meinem Inneren wusste ich, dass ich spätestens morgen Abend, wenn ich genügend Schlaf intus hatte, wieder vor Ort nach dem Rechten sehen würde. Ja ja, mir war durchaus bewusst, dass ich per Definition einen Workaholic darstellte, aber die Arbeit war nun mal mein Leben. Für mehr war keine Zeit, brauchte ich auch nicht. Dieser Job, dieser Wunsch Menschen zu retten, füllte mich vollkommen aus.

Nach der heißen Dusche war es im Bad arschkalt, so dass ich mich ganz schnell abtrocknete und nach dem Zähneputzen ins Schlafzimmer huschte.

Die Rollos von meinem Schlafzimmerfenster waren nicht herunter gelassen worden, wodurch das Zimmer im Zwielicht erschien. Ein kurzer Blick in den Raum genügte, um innezuhalten. Ganz automatisch schlich ein Lächeln auf meine Lippen. Da lag doch tatsächlich ein sehr nackter Kerl in meinem Bett. Mitten in meinem Bett, um genau zu sein, und kuschelte mehr mit meiner Decke, als dass er sich damit zudeckte.

Auf ein Mal war mir gar nicht mehr so kalt, bei diesem, sich mir nicht zu verachtendem bietendem Anblick. Ein Engel von Gott erschaffen, in all seiner ganzen Pracht, lag hier ausgebreitet vor mir. Wurde aber wohl eher vom Teufel höchstpersönlich gesandt, als vom lieben Gott. Der mich zu Fall, völlig um den Verstand bringen sollte. Die Sünde in Person, wie er da lag, auf dem Bauch, mir frech seinen knackigen Hintern entgegenstreckend. Lediglich sein wunderschönes Gesicht konnte ich nicht sehen, weil er es in meinem Kopfkissen versteckte. Das blonde Haar, wie einen Heiligenschein, um seinen Kopf liegend. Ich hatte eindeutig zu wenig Schlaf und zu viel Desinfektionsmittel inhaliert, so wie sich hier mein Kopfkino samt Gedankenwelt verabschiedeten.

Na super, dieser Möchtegern Gott hatte das ganze Bett für sich alleine beansprucht, sowie mein Kissen und meine Decke und ich hatte lediglich eine ausgewachsene Latte. Dafür war meine Müdigkeit wie weggeblasen. Anders herum wäre es mir durchaus lieber gewesen. Bevor ich aber sowas wie einen klaren Gedanken fassen konnte, übernahm mein Körper das Handeln und so lag ich kurzerhand neben ihm im Bett und fuhr die Kontur seines Beckens nach. Hatte er vorhin nicht noch behauptet, dass seine Sehnsucht nicht bis Samstag warten konnte? Tja, meine nach diesem Anblick, definitiv auch nicht mehr.

Immer noch total andächtig über seinen Anblick, fuhr ich nun sachte seinen Rücken auf und ab. Beugte mich vor und ließ Küsse meinen Fingern folgen. Ein leises Seufzen ertönte. Kurz darauf kamen ganz gemächlich die Muskeln unter meinen Fingern in Bewegung und der Kerl in meinem Bett erwachte langsam.

„Hi ...", nuschelte er blinzelnd, drehte sich auf den Rücken und strich sich verschlafen eine Strähne aus den Augen.

„Hi...", flüsterte ich zurück, ergriffen von seiner Schönheit, von vorne sah er nämlich noch hinreisender aus, als von hinten, nur um gleich darauf seine Lippen mit einem Kuss zu versiegeln.

Sie waren so weich und doch fest, warm und verlangend. Es war unser erster richtiger Kuss, stellte ich eher beiläufig, als primär fest, weil seine Zunge bereits fordernd über meine Unterlippe fuhr. Ich stöhne, öffnete für ihn meine Lippen und ließ mich nur zu gerne auf sein Spiel ein. Zeitgleich zog ich ihn näher an mich heran, musste ihn spüren. Erkundete fahrig seinen Körper und genoss im Gegenzug jede seiner Liebkosungen.

Irgendwie fühlte sich heute alles anders an. Es fehlte der Drang, dass Reine übereinander herfallen, was im Heaven stets Vorrang hatte. Das Abbauen von Adrenalin, die pure, schnelle Lustbefriedigung. Dass, was hier gerade geschah, war sanft, wie in Watte gehüllt. Ein bisschen wie ein süßer, qualvoller Traum. Doch nicht im Mindesten weniger erregend. Also genoss ich seine Wärme, seine Nähe, seine Berührungen. Merkte, wie ich mich entspannte. Wie der Stress, die Strapazen der Nacht von mir abfielen. Wie nur noch er in meinem Bewusstsein existierte. Mich völlig einnahm.

Als alles in mir drin endgültig in Flammen stand und das Streicheln und Küssen nicht mehr ausreichte, griff ich blind nach meiner Schublade um Kondome und Gleitgel zu organisieren. Ich wollte ihn jetzt und hier besitzen. Das er für diesen einen, diesen perfekten Augenblick, mir allein gehörte.

Er hingegen drehte sich nicht auf den Bauch, ließ sich lediglich zurück auf den Rücken fallen und spreizte aufreizend die Beine. Wollte, dass ich ihn ansah, ihn so nahm. Wie konnte ich da nur widerstehen? Wie er da lag, mit zerzaustem Haar, die Augen glänzend vor Verlangen, die Wangen gerötet und dabei mit einem frechen Grinsen auf der Unterlippe kauend. In diesem Moment war ich mir sicher, noch nie in meinem Leben einen schöneren Mann gesehen zu haben. Ich wollte keine Zeit mehr verlieren, musste mich endlich in diesem Körper versenken. Ihn um mich spüren, mit ihm verschmelzen.

Kondom, Gleitgel, alle Handgriffe waren Routine. Ich hingegen konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden, während ich endlich meine Schwanzspitze positionierte und vorsichtig und langsam in ihm eindrang. Seine Enge und die mich in sich ziehende Hitze ließen mich stöhnend innehalten. Also schloss ich die Augen, holte tief Luft und versuchte, den Aufruhr in meinem Innersten zu beruhigen. Doch die Zeit ließ er mir gar nicht, da spürte ich auch schon seine langen Finger in meinem Nacken, die mich zu ihm hinunterzogen. Seine Lippen, die glühend heiß auf meine trafen und seine Arme, die sich dabei um meinen Hals schlangen und mich an ihn zogen. Langsam, fast schon fahrig fing ich an, mich in ihm zu bewegen, währenddessen wir uns in unserem Kuss verloren. Nur wenige Stöße reichten aus, um zusammen über die Klippe zu stürzen.

Immer noch innerlich bebend, rollte ich mich von ihm runter und entledigte mich dem Kondom. Mein Hirn bestand nur noch aus Brei. Jetzt war ich wirklich fertig. Fix und fertig.

„Sag mal, wie heißt du eigentlich?" Drehte ich meinen Kopf hundemüde in seine Richtung. „André ...", nuschelte er und schenkte mir ein zuckersüßes, fast schon schüchternes Lächeln. „Gute Nacht, André ...", gähnte ich schmunzelnd zurück. „Nacht, Jo ...", kam es ebenso müde von ihm, bevor sich ein heißer Körper an mich schmiegte und sich mit meinen Gliedmaßen verschlang. Mit bereits geschlossenen Augen ließ ich es einfach zu. Ihn, seine Nähe, einfach alles.

Was für eine Nacht. Eine Nacht voller Prämieren. Man könnte sich glatt dran gewöhnen. Waren meine letzten Gedanken, bevor seine Wärme mich einlullte und Morpheus mich mit sich nahm.

Mr. Unnahbar (Mr. 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt