„Wieso???", stellte ich zum wiederholten Mal die Frage der Fragen, auf die mir mein allerliebster Arsch von einem Freund einfach keine Antwort gab. Stattdessen hielt er mich immer noch fest an sich gepresst und gackerte rum wie ein Huhn. Bald ein Gerupftes, wenn es so weiter ging.
Klar freute ich mich! Zuerst holte er mich ab und küsste mich unter einem Mistelzweig. Eigentlich war ja das schon zu viel für meinen unnahbaren Grinch, aber dann das Wohnzimmer ... ich konnte es immer noch nicht fassen. Ein riesiger Baum, in den Fenster leuchtende Schneeflocken, auf dem Tisch ein beschissener Adventskranz. Den ich ja eigentlich schon vor 4 Wochen haben wollte! Es war einfach alles da. Ein bisschen so, als wäre im Wohnzimmer Santas Schlitten explodiert! Selbst auf dem Sofa lagen Rentierkissen. Das war auch der Punkt, der mich vielleicht etwas ausflippen ließ. Dieser Dreckskerl ließ mich vier Wochen schmollen, schmoren und betteln und dann das. Ich freute mich wirklich! Aber gleichzeitig war da auch diese Mordlust tief in mir!
„Wieso ...", wiederholte ich zum xten Mal, zur Abwechslung knurrend, meine Frage und funkelte ihn böse nieder.
Er hörte auf zu lachen und ein liebevolles Lächeln erschien auf seinen Lippen. Für einige Zeit, da sah er mich einfach nur an. Fast rechnete ich damit, erneut keine Antwort mehr zu erhalten.
„Weil ich dich liebe ...", flüsterte er nach einer geschlagenen Ewigkeit in die Stille des Raums. Todernst. Fassungslos starrte ich ihn an. Mein Herz hingegen sackte herab, blieb einfach stehen. Das war das aller erste Mal, dass er das wirklich voller Seriosität zu mir sagte. Keine Faxen, keine dummen Sprüche. Gar nichts. Nur diese vier Worte. All meine Gefühle überschlugen sich, rauschten auf einmal auf mich ein. Mir wurde heiß und kalt zugleich.
„Ist das dein Ernst?", stotterte ich mühevoll hervor. Meine Kehle war wie zugeschnürt, jede Silbe musste hervorgewürgt werden und tat weh.
„Ich liebe dich auch, Johannes ...", erwiderte Jo mürrisch und drückte mich ein Stück weg von sich. „Das wäre die richtige Antwort gewesen! Und natürlich meine ich es ernst ... sonst hätte ich es doch gar nicht erst gesagt." Dabei trat einen Schritt zur Seite und verschränkte die Arme. Gott, mein Hirn überschlug sich immer noch. Er sah verletzt aus. Das wollte ich doch gar nicht! Ich wollte doch nur wissen, ob das nicht auch wieder einer seiner flapsigen Sprüche war, wie letztens beim Plätzchenbacken. Da hat er mich ausgelacht und meinte, mein Gesichtsausdruck wäre nur zu göttlich gewesen. War es da nicht verständlich, dass ich nachfragte?
„Johannes ...", flüsterte ich seinen Namen sanft und griff nach seiner Schulter, weil er sich soeben von mir abgewandt hatte. „Schon ok, André!", brummte er und versuchte, meinen Arm abzuschütteln.
„Nein! Nicht ok!" Von dieser halbherzigen Geste ließ ich mich gewiss nicht abschütteln, trat stattdessen näher an ihn ran und umschlang ihn von hinten. „Natürlich lieb ich dich auch!", flüsterte ich rau, zog ihn noch näher an mich heran und inhalierte seinen Duft. Ich würde diesen Mann blind unter Tausenden wieder erkennen. „Es tut mir leid! Du hast mich mit dieser ganzen Aktion ziemlich überrumpelt!" Ich schluckte schwer. „Und dann auch noch dein Liebesgeständnis! Ich war einfach nur ...", irgendwie fehlten mir die richtigen Worte. „Ich liebe dich auch ...", wiederholte ich stattdessen und küsste ihn auf den Nacken. „Ich glaube sogar mehr, als mir lieb ist ..." Endlich entspannten sich seine Muskeln unter meinem festen Griff, wurden weich und nachgiebig.
„Dann ist ja gut ...", seufzte er, drehte sich in meiner Umarmung um, beugte sich vor und küsste mich. Mein armes Herz, das sich bis dato nicht entscheiden konnte, was es so in meiner Brust vor sich hintrieb, schien sich endlich zu besinnen und galoppierte wild drauf los. Um mich war es geschehen, wie noch nie in meinem Leben zuvor.
Und eigentlich hätte alles so schön sein können, wenn da nicht diese fiese leise Stimme in meinem Kopf wäre, die mir zuflüsterte, Johannes endlich alles erzählen zu müssen. Unsere Liebesschwüre auf Halbwahrheiten zu bauen, konnte doch nur nach hinten losgehen. Aber jetzt? Wo er sich so viel Mühe gegeben hatte, mit all dem Weihnachtszeug? Seinem Liebesgeständnis ... Ich würde diesen tollen Augenblick zerstören. Das konnte doch auch nicht richtig sein, redete ich der Stimme gut zu. Ich würde ihm alles beichten, gleich nach den Weihnachtsfeiertagen, wenn es etwas ruhiger werden würde, dann, ja dann erzähle ich ihm alles. Warum, wieso und weshalb ich nicht der war, für den er mich hielt. Dann würde er mich verstehen! Ganz bestimmt würde er mich verstehen. Verstehen und verzeihen. Dann konnten wir alles klären, und es stand nichts mehr zwischen uns. Endlich können wir uns gemeinsam eine Zukunft aufbauen. Verdammt, ich wollte das hier so sehr!
„Was ist los?", riss mich Jo aus meinen düsteren Gedanken. Überrascht schlug ich die Augen auf und sah in sein fragendes Gesicht. „Hmm?", machte ich ratlos und betrachtete seine wunderschönen, dunklen Augen. „Na, weil du so geseufzt hast ..." Sein Blick ruhte immer noch fragend auf mir. „Es ist schön hier mit dir ... ich könnte so ewig weiter stehen!", erwiderte ich ihm flüsternd und kuschelte mich tiefer in seine Umarmung. Und es war nicht einmal gelogen.
„Ja, dass ... oder wir fangen an, den Christbaum zu schmücken und das Abendessen vorzubereiten ..." „Wie? Kein perfekter Vogel im Ofen?", entkam es mir voll von gespielter Entrüstung, dabei löste ich mich widerwillig aus seiner Umarmung. Da war es wirklich sehr schön gewesen. Warm und behaglich ... wie ein herzliches zu Hause.
„Was gibt's den?", wollte ich stattdessen wissen, während ich mir schon mal die Ärmel hochkrempelte, um meinen Arbeitswillen zu symbolisieren. „Wie findest du Rouladen in Dornfeldersoße aus dem Römer? Dazu Rotkohl und Knödel?" „Ohha ..." Überrascht hüpften meine Augenbrauen in die Höhe. Da wollte Einer aber auftischen. „Ja, da schaust du, was? Wenn wir sie jetzt vorbereiten und in den Ofen schieben, können wir in Ruhe den Baum schmücken." Da schien sich jemand aber mächtig Gedanken gemacht zu haben, was mich noch mehr freute. Dann war das Ganze hier, wohl nicht nur eine spontane Idee gewesen, sondern wirklich von langer Hand geplant.
„Auf geht's! Lass uns los legen!" Voller Tatendrang stürzten wir uns in die Arbeit. Während ich die Rinderrouladen würzte, schnippelte Johannes Zwiebeln und Essiggurken klein. Schnell waren die Rouladen gefüllt, im gewässerten Römer verstaut und mit Brühe und Wein begossen. Nun mussten sie nur noch 3 Stunden im Ofen schmoren. Mir lief bereits jetzt das Wasser im Mund zusammen. Das würde heute ein verdammt gutes Abendessen werden. Nachdem wir zusammen noch die Brezeln für die Knödel gehobelt hatten, verließen wir mit einem Glas Wein die Küche, um nun in aller Seelenruhe den Baum zu schmücken.
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Mr. Unnahbar (Mr. 1)
Roman d'amourEin Club. Samstagnacht für Samstagnacht. Heiß, hart, anonym. Zwei Männer, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Zwei Welten, die aufeinander prallen. Der eine - ein typischer Workaholic, null Privatleben. Nimmt das Leben immer todernst und g...