14. Johannes - Kurzschluss

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„Verfluchte Scheiße, aber auch!", wütend überbrückte ich die wenigen Schritte bis zu meiner Garderobe. Schlüpfte in meine Schuhe, riss förmlich den Schlüssel vom Hacken und trat ins Freie auf dem Weg zu meinem Auto.

Eine geschlagene Stunde war ich nun unruhig in meinem Wohnzimmer hin und her getigert. So schnell konnten wohl schlechte Gewohnheiten abfärben. Und versuchte, mir einzureden, dass es mir völlig egal war, was er jetzt gerade in diesem Augenblick im Heaven trieb. Dass es mich verdammt nochmal erstens nichts anging und zweitens nicht einmal interessieren sollte. Da ich immerhin, nichts, absolut rein gar nichts von ihm wollte. ER war mir egal!

Ein paar Tage noch und er würde aus meinem Leben verschwinden. In eine Stadt, weit weg, ich mein das konnte doch nicht besser für mich laufen, oder? Ich würde ihm nicht mehr im Heaven über den Weg laufen und wenn ich ganz viel Glück hatte, wohl nie mehr in meinem ganzen verdammten Leben. Was für ein Glückspilz ich doch war!

Tja, so viel zur Theorie. Fakt aber war, dass es mich innerlich auffraß ihn in den Armen eines anderen zu wissen und das war noch die harmloseste meiner Phantasien. Wenn er schon mit jemanden in den Darkroom verschwand, dann gefälligst mit mir und sonst keinem! Er gehörte mir! Mir ganz allein! Und während dieses Krieges in meinem Inneren war mir auf einmal eine Sicherung durchgebrannt und nun saß ich im Auto auf den Weg in den Club.

Er wollte mich, ich wollte ihn! Also wieso zum Teufel stellte ich mich dann so blöd an. Es war doch nur Sex, mein Gott, ich tat ja auf einmal wie ein Mauerblümchen. Und wir hatten verdammt guten Sex, da sollte ich jede nur erdenkliche Sekunde mit ihm auskosten, statt hier so ein Drama zu veranstalten.

Während sich also mein Hirn fröhlich weiter überschlug, und mir die Angst im Nacken saß, er könnte bereits jemanden anderen für heute Abend gefunden haben, trat ich das Gas durch.

Wenn ich ehrlich mit mir war, hatte ich in letzter Zeit fast jedes Wochenende diese Panik verspürt, er könnte nicht mehr da sein. Könnte sich jemand anderen angelacht haben. Gott bewahre, sich verliebt haben. Dann wäre es plötzlich vorbei mit unserer Romanze. Romanze, was für ein beschissenes Wort, aber war es das nicht irgendwo auch? Ich mein ein ganzes halbes Jahr! Verlangen, Sehnsucht. Nähe. Angst. Und noch mehr Sehnsucht.

Über so viel Grübelei fuhr ich kopfschüttelnd auf den Parkplatz des Heaven. Wie gewohnt war es sehr voll und es kostete mich unnötige Zeit, einen Parkplatz zu finden. Als ich dann endlich fündig wurde, verließ ich im Eiltempo das Auto und lief auf den Eingang des Clubs zu. Eine kurze Schlange vor dem Eingang stahl mir erneut kostbare Zeit und ich wurde immer ungehaltener.

Mit jeder verdammten Sekunde, die mehr verging, konnte es am Ende zu spät sein. Fröstelnd trat ich von einem Schritt auf den Anderen und bereute jetzt schon, das Haus ohne Jacke verlassen zu haben. Ja, so viel zu meiner Kurzschlussreaktion. Wer lief den auch schon fast Ende November, bei Frost und Schneefall, im T-Shirt durch die Gegend? Genau, nur Verrückte!

Endlich, bevor meine Geduld endgültig gerissen war, war ich an der Reihe. Trat an den Kassierer und bezahlte meinen Eintritt. Mein Herz raste, meine Handflächen schwitzten. Ich fühlte mich aufgewühlt und voll von Adrenalin. Es war schlimmer als jede Wiederbelebung, jeder Kampf mit Gevatter Tod. Verdammt auch, ich wollte ihn endlich wieder sehen! Ihn anfassen, schmecken, mich in ihm verlieren. Ganz gleich, was noch zwischen uns geschah.

Äußerlich beherrscht, innerlich ein Wrack, stampfte ich in den Clubraum und sah mich nervös um. Die Musik dröhnte, die Lichter blitzen und erhellten unzählige Körper, die vor mir wie eine Mauer zum Takt der Musik tanzten. Die Augen zusammenkneifend, versuchte ich ihn in der Menge auszumachen. Während meine Augen unaufhörlich den Raum scannten, schlängelte ich durch die Menge zur Bar, wo ich ihn schon oft angetroffen hatte. Bis ich wie angewurzelt stehen blieb.

Mein Herz setze aus und ich schluckte schwer. Da, nur wenige Meter von mir entfernt, stand er. Aber er war nicht allein. Strahlend umarmte er gerade einen etwas kleineren Mann, der ihn von unten her anschmachtete.

Nein! Das konnte und durfte nicht sein. Er gehörte doch nur mir!!! Erneut setzte ich mich zielstrebig in Bewegung und überbrückte die wenigen Meter zur Bar. Die beiden vor mir hatten sich gerade aus der Umarmung gelöst, als ich auch schon bei ihnen ankam.

„Entschuldige uns ...", wandte ich mich an Mr. Unbekannt, während ich André am Handgelenk griff und mit mir zog.

„Hey!", ertönte es hinter mir. Der Rest ging bei der Lautstärke auf der Tanzfläche unter. Es interessierte mich ehrlich gesagt auch gar nicht. Ich wollte ihn nur noch haben, er sollte endlich mein sein, also zog ich ihn einfach weiter mit mir in den Darkroom. Dort angekommen, war mir der erste leere Platz recht genug. Wortlos schubste ich ihn an die Wand und erntete ein Lachen. Vielleicht etwas zu bitter für meinen Geschmack.

„Wie war das mit deiner Regel, keinen Sex zu haben? Und dann auch noch dein ach so tolles Versprechen?" Wurde ich da auch schon verspottet, aber das alles war mir egal. Er war hier. Bei mir. Mehr brauchte ich nicht.

„Ach, halt doch die Klappe!", antwortete ich wenig freundlich und verschloss zeitgleich seinen Mund mit dem meinem. Natürlich nur, um sicherzugehen, dass er sie auch tatsächlich hielt. Da war es wieder, dieses Flattern in meinem Bauch, als sich unsere Zungenspitzen berührten. Das, welches ich mir verzweifelt auszureden versuchte. So süß und verlockend, wie er. Sein Geschmack, sein Geruch, die Haut unter meinen Händen ließ mich stöhnen, vergessen wo wir waren. Da war nur noch er. In meinem Mund, in meiner Nase, in meinem Kopf, in meinem Herz, das kurz vor dem Platzen schien. Ich wollte ihn, nur noch ihn mit Haut und Haaren.

Ganz von selbst nestelten meine Finger am Saum seines Shirts und wollten es in die Höhe schieben. Noch mehr Haut, noch mehr Hitze, noch mehr er - ja danach sehnte ich mich!

„Nein!", befahl er plötzlich. Löste unseren Kuss und sah mir direkt in die Augen.

„Solltest du nicht die Klappe halten?", fuhr ich ihn erneut an und versuchte wieder, nach seinen Lippen zu schnappen. Doch dieses Mal drehte er sich weg und ließ mich innehalten, während meine Fingerspitzen, wie von selbst, die Haut unter dem Bund seiner Jeans streichelten.

„Stopp!", hielt er mich auch hier ab und drückte meine Hände weg. Würde er nicht mit dem Rücken an die Wand gepinnt sein, wäre er sogar ein Stück weggerückt. So spürte ich lediglich seine Hand an meiner Brust, die versuchte mich von ihm wegzuschieben. Doch eisern blieb ich stehen, ließ ihn nicht aus den Augen.

„Wolltest du nicht genau das, als du mir in meine Küche eine Szene gemacht hattest?" Gleichzeitig hatte ich mich vorgebeugt und hauchte ihm meine Worte ins Ohr. Nur, um kurz drauf in sein Ohrläppchen zu beißen und daran zu saugen. Seine Hand, die immer noch auf meiner Brust lag, griff in mein Shirt und ein Stöhnen verließ seinen Mund, was mich augenblicklich grinsen ließ. Er sollte sich mal nicht so zieren. Er wollte mich, seine ganze Körpersprache sprach Bände.

„Halt! Stopp!" Dieses Mal waren da zwei Handflächen an meiner Brust, die mich konsequent weg drückten, so dass ich letzten Endes tatsächlich einen Schritt rückwärts taumelte.

„Ich bin nicht dein Spielzeug!", fauchte er mich plötzlich an. „Du kannst nicht einfach hier ankommen und über mich hinweg bestimmen!" Und verschränkte, mit funkelnden Augen, die Arme vor der Brust.

Mr. Unnahbar (Mr. 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt