23. André - Driving home for Christmas

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„Ich wünsch euch beiden schon mal frohe Weihnachten!"

„Gott, Lu ...", fuhr ich meinen Chef an, nach dem ich mich von dem gröbsten Schrecken erholt hatte. „Musst du mich so erschrecken?" Vorsorglich griff ich mir theatralisch an die Brust.

Ich war gerade dabei, mich warm einzumummen, da draußen ein wahres Schneechaos herrschte. Aber Weihnachten stand vor der Tür und auf dem Kalender vor mir stand dick und fett der 24. Dezember. Es war kurz nach Mittag und wir machten gerade das Steuerbüro von Luigi für heuer dicht.

„Memme ...", wurde ich gleich drauf wenig liebevoll geschimpft, aber was hatte ich auch anderes von dem Italiener erwartet.

Ja Luigi, mein Chef, der war irgendwie noch das Beste an der Arbeit hier. Ich sollte und wollte mich wahrlich nicht beschweren. Die Bezahlung war gut und die Arbeit einfach. Und genau da lag das Problem. Es war immer und immer wieder das Gleiche und begann mich jetzt schon, bereits nur nach ein paar wenigen Wochen, zu langweilen. Mir fehlte die Abwechslung, dieses immer wieder etwas aufs Neue erschaffen und allen voran fehlte mir das Zeichnen. Seit Wochen schon hatte ich keinen Bleistift mehr in der Hand, saß nicht an meinem Zeichenprogramm und es fehlte mir von Tag zu Tag immer mehr. Dennoch konnte ich mich nicht dazu überwinden, selbstständig wieder loszulegen, auch wenn mein Kopf von neuen Ideen nur so überquoll.

„Ja klar, Weihnachten ...", brummte ich vor mich hin und knöpfte weiter meinen Mantel zu. „Mit meinem Mr. Unnahbar alias Grinch, da werden es eher Eistage, statt fröhliche Weihnachtstage."

Ja, mein liebster Johannes hat sich seit unserem Plätzchen-Marathon nicht wirklich für das Thema Weihnachten erweichen können. Hat alle meine Vorschläge rigoros abgelehnt und absolut keine Adventsstimmung aufkommen lassen. Es gab Tage, da war ich kurz davor ihm an die Gurgel zu gehen. Aber ich blieb tapfer, schluckte meine Sehnsucht nach Weihnachtsfeeling hinunter und begnügte mich mit dem, was ich bekam. Denn wenn man mal das Tabu-Thema außen vor ließ, lief es richtig gut zwischen uns. Jo war gar nicht mehr so unnahbar, wie er oft tat, und ich genoss jede freie Minute mit ihm. Wir kochten und scherzten zusammen, kuschelten bei Filmen auf dem Sofa und vögelten uns natürlich die Seele aus dem Leib. Ab und an waren wir sogar im Heaven, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass Jo nicht wirklich damit klar kam, das ich von anderen, mir oft bekannten Kerlen angesprochen oder noch schlimmer angetanzt wurde. Aber der Stinkstiefel wollte ja selbst nicht auf die Tanzfläche.

„Na, Eis hat ja auch indirekt was mit Weihnachten zutun.", bekam ich lachend als Antwort. „Du mich auch, Lu!" Konterte ich und steckte ihm mit finsterer Miene den Mittelfinger entgegen.

„Nun komm schon ..." Dabei stieß er mir in die Seite. „So schlimm wird es schon nicht werden, du hast ihn doch bis jetzt immer um den Finger wickeln können."

Wieder so etwas! Wieso ging alle Welt nur davon aus, dass ich den großen, unnahbaren Johannes um den Finger gewickelt hatte? Derweil stimmte das doch gar nicht. Egal, was ich machte, ich kassierte meist eine Abfuhr oder musste Ewigkeiten auf ihn einreden, bevor ich auch das bekam, was ich wollte, und sei es bloß in abgespeckter Version. Bevor ich ihm Antworten konnte, unterbrach mich das Läuten meines Handys.

„Wenn man vom Teufel spricht ...", hielt ich den Bildschirm Lu hin, auf dem ein Bild von Jo prangerte, bevor ich annahm und es mir ans Ohr hielt.

„Wo bist du?", wurde ich ohne Begrüßung angepflaumt. Ja, das war mein liebster Mr. Unnahbar. „Im Büro, wo sonst?", erwiderte ich im gleichen, zickigen Ton. Feuer mit Feuer bekämpfen, das war das Einzige, was bei Jo ab und an wirklich gut funktioniert. „Ich dachte, du hast schon längst aus. Schwing also deinen süßen Arsch vor die Tür, ich warte schon sehnsüchtig." Und ohne eine Antwort abzuwarten, legte er einfach auf. Irritiert sah ich auf den Bildschirm, der nun schwarz wurde.

Mr. Unnahbar (Mr. 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt