„Oh Gott, ich platze gleich!," stöhnte ich vor mich hin und lehnte mich in meinem Stuhl zurück. Nach diesem überaus leckeren Risotto zauberte er auch noch ein selbstgemachtes Tiramisu aus dem Kühlschrank. Was wir auch noch bis auf den letzten Rest verputzt hatten. Ein bissen noch und ich würde tatsächlich platzen. Wie konnte jemand, der sich scheinbar um nichts großartig scherte, etwas so Leckeres zaubern? Er war doch sicherlich nicht auf die Welt gekommen und konnte auf einmal kochen. Irgendwie faszinierte er mich immer mehr und mehr, je länger ich Zeit mit ihm verbrachte. Und das, was ich dabei herausfand, klang gar nicht so verkehrt.
„Dann tu es doch einfach ...", bekam ich zur Antwort genuschelt und verschluckte mich an meinem Wein, welchen ich gerade zum Trinken an die Lippen gesetzt hatte. Das war doch mal eine Ansage!
„Was hast du da gesagt?", fragte ich nach, obwohl ich ihn haargenau verstanden hatte. Immerhin hatte er es mit Sicherheit absichtlich so Laut von sich gegeben. Schon das ganze Essen über, schien André missmutig vor sich hinzustarren, als das er sich tatsächlich mit mir unterhielt. Und ich war gewiss nicht dumm genug, um nicht genau zu wissen, dass es an mir lag. An unserem beinahe Kuss, um es genau zu sagen. Sicher, er hatte sich verdammt gut unter meinen Fingern angefühlt und ich musste wirklich meine ganze Beherrschung aufbringen, um nicht von seinen Lippen zu kosten, aber wir wussten beide nur allzu gut, wohin das Ganze geführt hätte.
„Was sollte das vorhin?" Er verschränkte seine Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. Diese Geste machte er scheinbar ziemlich gerne, zu mindestens mir gegenüber. Als würde er nicht selbst wissen, was das vorhin war. Hatte wohl was mit Versuchungen zu tun, denen man lieber nicht nachgehen sollte.
„Wir haben doch vereinbart, dass es keinen Sex mehr zwischen uns gibt ..." stellte ich die eine Bedienung, die ich gefordert hatte, klar. Eine andere Erklärung konnte ich ihm zu diesem Zeitpunkt nicht bieten. Entweder es wären alles Ausreden gewesen, oder Bekundungen, die ich nicht bereit war zu fühlen.
„DU hast das gefordert! Und ich verstehe nicht warum!" Aufgebracht erhob er sich von seinem Stuhl und fing an, im Raum auf und abzulaufen. Oh nein, irgendwie hatte ich das Gefühl, dass jeden Augenblick die Fetzen zwischen uns fliegen würden. Was wohl noch immer meine Schuld war. Wieso nur konnte ich mich bei ihm nicht beherrschen? Gott weiß, er war nicht mein Erster und ich hatte bis jetzt sicherlich nicht als Mönch gelebt. Aber mit ihm war es von Anfang an anders. Eine Faszination, die nicht abebben wollte. Sich eher noch steigerte, je mehr man sich kennen lernte. „Vor allem, dir ist schon klar, dass du derjenige bist, der meist seine Finger nicht von mir lassen kann? Immer! Jedes gottverdammte Mal!", beendete er wütend sein Plädoyer.
Ja, das war mir durch aus bewusst, aber ich konnte trotzdem aus undefinierbaren Gründen nicht anders. Na ja, ehrlich gesagt konnte ich schon und so undefiniert waren die Gründe auch nicht. Verdammt auch! Aber das zwischen uns konnte doch gar nicht gut gehen. Ich hatte schlicht und ergreifend weder Lust noch Zeit, mich auf eine Beziehung einzulassen. Und darauf lief es über kurz oder lang wohl zwischen uns hinaus. Wir lebten schon zusammen, aßen zusammen und wenn wir jetzt auch noch anfingen, zusammen zu schlafen, dann war das für mich nichts anderes als eine Beziehung. Eine ziemlich übereilte Beziehung sogar. Herrgott, wir kannten uns doch gar nicht! Und daran sollte sich auch, wenn es nach mir ging, nichts ändern!
„Ja ich weiß, und es tut mir leid! Ich werde damit aufhören!" Gab ich hier leichtfertig ein Versprechen, das ich mit großer Sicherheit nicht halten würde können. Aber die Alternative bestand darin, zuzugeben, dass ich ihn jede Sekunde die wir zusammen verbrachten, wollte. Richtig wollte! Nackt und willig. Im Bett, hier in der Küche, ganz gleich wo. Hauptsache er unter mir! Somit keine wirkliche Alternative.
„Ich will aber nicht, dass du damit aufhörst!", schnaubte er mich an und seine Stimme bebte. „Johannes, vor was hast du Angst?", fuhr er fort, bevor ich die Gelegenheit hatte, etwas zu erwidern. Da mir aber nichts Vernünftiges darauf einfiel, nahm ich es gerade nicht so genau.
Hmm ... Angst - hätte ich das jetzt gerade nicht genannt. Aber Beziehungen mussten gepflegt werden, erforderten Zeit. Im schlimmsten Fall entwickelten sich Gefühle und man wurde zum Schluss hin verletzt. Somit konnte man sich das ganze Theater genauso gut sparen. „Liegt es daran, dass du denkst, du wirst mich nicht mehr los? Ist es das, was dir Sorgen macht?" Wild gestikulierend flogen seine Arme umher und untermalten seinen Ärger. „Dann kann ich dich beruhigen, ich habe nämlich beschlossen, die Stadt zu verlassen. Also keine Angst, mich bist du bald sowieso los!" Wirbelte auf dem Absatz herum und rauschte durch die Tür davon.
Blinzelnd saß ich auf meinem Stuhl und konnte immer noch nicht verarbeiten, was sich hier gerade in nur wenigen Augenblicken abgespielt hatte. Nur langsam kristallisierte sich heraus, dass er tatsächlich weggehen wollte. Also nicht nur jetzt und von mir, sondern weg aus der Stadt. Schwerfällig erhob ich mich ebenfalls von meinem Stuhl. War das nicht genau das, was ich wollte? Hatte ich ihm nicht sowieso prophezeit, dass wir uns nach dieser Woche nicht mehr sehen würden? Das lief doch grad wie am Schnürchen für mich. Richtig gut! Alle Probleme auf einen Schlag gelöst. Ich sollte mich freuen...
Im Hintergrund hörte ich Schritte auf der Treppe und mein Herzschlag setzte aus. André lief diese scheinbar im Eiltempo herunter, nur um im Anschluss an der Garderobe herumzukramen. Sofort setzte ich mich in Bewegung, ich und das nun wild rasende Herz in meiner Brust. Jetzt hatte ich tatsächlich so was wie Angst. Er würde doch nicht jetzt gleich einfach so gehen? Raus in die Kälte, in den Schnee. Ganz allein und ohne Dach über den Kopf.
„Wohin gehst du?", wollte ich mit rauer Stimme wissen, kaum dass ich ihn erreicht hatte. Und stieß erleichtert Luft aus meiner Lunge. Er hatte seine Tasche nicht dabei, also würde er mich nicht für immer verlassen. Noch nicht zu mindestens.
„Ins Heaven ..." Dabei beugte er sich vor und band seine Schuhe zu. „Heute ist immerhin Samstag!", klärte er mich auf, während er wieder in die Höhe kam und seinen Schall vom Hacken nahm. Schwungvoll wickelte er sich diesen um den Hals und starrte mich herausfordernd an.
„Aha..." stellte ich also weniger klug fest, während mein Hirn sich mit Fragen überschlug. Der würde doch jetzt nicht tatsächlich in den Club gehen? Um was zu tun? Party zu machen? Jemand Neues kennen zu lernen, oder noch weitaus Schlimmeres? „A ... a ... aber wieso??", stotterte ich etwas planlos vor mich hin. Irgendwie überforderte mich diese ganze Situation. Ich wollte nicht, dass er ging. Verdammt auch! Das war genau der Grund, warum ich keine Beziehungen wollte! Ich war nicht geschaffen für solche Dramen.
„Weil du immer eins auf Mr. Unnahbar machst und mich ständig nur von dir wegschiebst! Da geh ich lieber unter Leute, die gerne Zeit mit mir verbringen!", beantwortete er meine Frage völlig ernst und schlüpfte dabei in seinen Mantel.
„Auch komm!", fauchte ich ihn an. Die Wut über ihn und vor allem auch über mich selbst stichelte mich dazu an. Derweil versuchte ich, diesen fiesen Gedanken ihm Keim zu ersticken. Denn Herrgott nochmal, es war nicht nur Wut, die mich hier dominierte, es war blanke Eifersucht! Ich wollte nicht, dass er ging. Wollte nicht, dass ihn ein anderer mit in den Darkroom nahm. Und hatte doch kein Recht dazu, auf Exklusivität zu bestehen, wenn immer ich derjenige war, der ihn selbst von sich stieß. Was für eine katastrophale Situation.
„Hast du es jetzt schon so nötig?", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Hatte mich, meine ganze Gefühlswelt nicht mehr im Griff. „Nur weil ich dich nicht vögle, muss sofort ein Neuer her?"
Er war gerade dabei den letzten Knopf zu schließen, als er innehielt und zu mir aufsah. Sekunden, in denen wir uns nur noch wütend anstarrten, die Zeit schien still zu stehen. Nur das Grün seiner Augen funkelte fassungslos.
„Ich bin nicht dein beschissenes Spielzeug, Jo! Mit dem du erst spielst, wie es dir gefällt und es dann wegwirfst, sobald du es satthast!" Durchbrach André die Stille, riss die Tür auf und verschwand in der Dunkelheit.
Entsetzt über den Verlauf unseres eigentlich schönen Abends, konnte ich ihm nur noch fassungslos hinterherschauen. Er war weg! Tatsächlich weg! Und ich, ich hatte es verbockt. Aber so richtig!
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Mr. Unnahbar (Mr. 1)
Roman d'amourEin Club. Samstagnacht für Samstagnacht. Heiß, hart, anonym. Zwei Männer, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Zwei Welten, die aufeinander prallen. Der eine - ein typischer Workaholic, null Privatleben. Nimmt das Leben immer todernst und g...