Taehyung

Mit Tränen in den Augen saß ich auf dem Boden vor Jungkooks Schreibtisch und blickte hinab auf das Bild in meinen Händen. Vor mir auf dem Boden, ein aufgeschlagener Ordner mit Zeitungsartikel und Polizeiberichten, über den Tod zweier Menschen in Japan. In manchen Berichten tauchte das Bild derer auf, die ebenfalls auf dem Foto in meinen Händen abgebildet waren. Doch neben ihnen auf dem Bild war noch ein kleiner Junge, vielleicht 5 Jahre alt, zu sehen, der von dem Mann auf dem Arm getragen wurde.
Die Augen des Jungen, waren denen von Jungkook sehr ähnlich. Nach und nach wurde mir klar, dass es sich bei den Menschen in den Berichten um Jungkooks Eltern handeln musste. Ich schnüffelte nicht herum, das würde ich niemals tun. Ich war vorhin beim anziehen gegen den Tisch gestolpert und dabei fiel der Ordner hinunter. Es war keine Absicht.
Mir garnicht vorstellen wollend, wie schlimm es für Jungkook war, seine Eltern durch einen Mord zu verlieren, bemerkte ich nicht die Präsenz einer Person, die zu meiner linken auftauchte.

Erst das dumpfe Poltern eines Kartons riss mich aus meinen Gedanken und legte meinen Fokus auf die Person die vor mir stand.
Sofort sprang ich auf, ließ das Foto dabei fallen und wich leicht zurück.
Ich konnte die Wut die von Jungkook ausging förmlich riechen.
„Jungkook ich...das wollte ich-"
Doch sein Flüstern unterbrach mich.
„Ich bring dich um"

Ohne groß nachzudenken wich ich weiter zurück, bis ich erschreckend feststellen musste, dass mir mein Weg von allen Seiten abgesperrt wurde.
Von hinten und links versperrte mir das kalte Fensterglas den Fluchtweg und rechts von mir der Schreibtisch.
Langsam kam mir Jungkook entgegen und schüttelte nur ungläubig den Kopf.
Die Panik kam in mir auf, die Tränen flossen mir übers Gesicht und meine Atmung glich einem verneinendem Wimmern. Langsam ließ ich mich an der Scheibe auf den Boden gleiten. Er würde mich doch nicht wirklich umbringen, oder? Doch ein Blick in sein Gesicht nahm mir jeden Zweifel, dass er vor nichts zurück schrecken würde.

„Jungkook bitte, lass mich erklär-" ich hielt inne, als ich in den dunklen Lauf der Pistole in Jungkooks Händen blickte.
„Halt dein Maul Taehyung. Da gibt es nichts zu erklären. Du hast mein Vertrauen missbraucht und bist in meine Privatsphäre eingedrungen. Du hast den nächst besten Moment abgewartet um etwas zu finden, das du gegen mich verwenden kannst. Herzlichen Glückwunsch Taehyung. Das hast du geschafft. Nur leider ist es eines der Dinge mit denen du mich nicht wie erhoffst kränkst oder etwas ähnliches. Nein, das ist eines der Dinge durch die ich nicht übel Lust habe dir ein Loch in deinen hübschen kleinen Schädel zu jagen" er hockte sich zu mir hinunter und drückte mir das kühle Metall zwischen die Augenbrauen, bevor er genau so ruhig weitersprach „ Niemand, wirklich niemand schnüffelt in meiner Vergangenheit herum, Taehyung. Auch du nicht. Wie schade, dass unsere gemeinsame Zeit so schnell endet. Du warst eigentlich sehr gehorsam. Was eine Schande, hm." Stumm liefen mir die Tränen über die Wangen. Ich hatte Angst. Angst vor der Situation, Angst vor Jungkook, Angst um mein Leben.

„Bitte Jungkook~" versuchte ich einen erneuten Anlauf und tatsächlich ließ er mich reden. Zitternd hob ich meine Hände und legte sie an seine Wangen, während mir dann doch ein Schluchzen entwich.
„Ich...tu das nicht...bitte~. Ich flehe dich an. Es war ein Versehen. Bitte lass mich leben. Ich...ich liebe dich doch." Beschämt schloss ich meine Augen und wartete, darauf, dass das Metall des Projektils durch meinen Kopf flog
Aber nichts. Rein garnichts. Außer das leise kichern vor mir.
Vorsichtig blinzelnd öffnete ich meine Augen wieder. Vor mir saß Jungkook und grinste mich teuflisch an, während leise Töne seinen Mund verließen.
Alles zog sich in mir zusammen. Es war gruselig mit anzusehen, wie bloß sein Mund lachte, seine Augen aber weiterhin diese Mordslust ausstrahlten.
Plötzlich verstummte das Lachen und Jungkook richtete sich auf, wodurch er die Waffe von meinem Kopf nahm.

„Liebe? Ich brauche keine Liebe. Du...und ich...wissen doch nicht mal was Liebe ist. Ein Wort, vielleicht. Ein Gefühl, vielleicht auch das. Aber soll ich dir mal was sagen Taehyung? Es ist mir eigentlich auch so ziemlich scheiß egal, was Liebe ist. Ich will keine Liebe und schon garnicht deine Liebe. Du bist für mich nur ein weiteres Spielzeug, das ich früher oder später eh entsorgt hätte." er kniete sich wieder zu mir hinunter und kam meinem Gesicht ganz nah „Du bist ein Niemand für mich. Ein Nichts. Ein erbärmliches, jämmerliches Nichts."
„Ich liebe dich" hauchte ich erneut und schon traf seine flache Hand auf meinen Kopf, wodurch dieser hart zur Seite flog.
Durch diesen Schlag wurde ich in meinen Erinnerungen zurückgeworfen, zu dem Tag, an dem meine Familie heraus fand, dass ich schwul war.
Mein Vater...auch er hatte mich damals geschlagen, nicht nur ein Mal. Jetzt sah ich nicht mehr Jungkook vor mir, sondern meinen Vater, der immer weiter auf mich zu kam, was zur Folge hatte, dass ich kaum noch Luft bekam, bis Jungkooks Stimme meine Illusion auflöste.

„Halt dein Maul Taehyung." fuhr er mich an, doch ich achtete garnicht mehr auf ihn. Eine endlos Schleife begann sich in meinem Kopf abzuspielen.
„Ich liebe dich, ich liebe dich, ich..." immer und immer wieder murmelte ich diesen Satz, während ich begann, meine Knie fest umklammert, leicht nach vorn und hinten zu schaukeln, um mich selbst ruhig zu halten, was die Wut in seinen Augen wieder steigen ließ, bevor ich meinen Kopf senkte und mich darauf konzentrierte trotz des Weinens möglichst ruhig zu atmen. Mit einer Bewegung war er wieder auf den Beinen, trat ein paar Schritte zurück und hielt mit ausgestrecktem Arm die Waffe in meine Richtung.
Sofort hielt ich inne und versuchte seinen Blickkontakt aufzunehmen, doch vergebens.
Leise begann ich wieder zu weinen.
Ein lautes Schreien und das Fallen metallener Dinge ließ mich zusammen Zucken.

Die Sachen von Jungkooks Schreibtisch lagen verteilt auf dem Boden. Seine starke Maske fiel und das verletzliche Kind kam nun zum Vorschein. Er konnte diese Maskerade nicht länger aufrechterhalten. Egal wie sehr er es versuchte.
Mein Inneres war taub. Ich spürte nichts, wollte auch nichts spüren. Aber ich wollte mich trotz meiner Angst erklären.
„Ich verstehe, dass...du sauer bist, aber es war nicht mit Absicht. Ich...bin gegen den Tisch gesto-"
Jungkook stand schwer atmend vor seinem Schreibtisch und stützte sich auf diesem mit Tränen in den Augen ab, bevor er mich laut schreiend unterbrach.
„Sei still. SEI ENDLICH STILL MEINE FRESSE. DU VERSTEHST GARNICHTS. KEINER VERSTEHT MICH. KEINER KANN NACHVOLLZIEHEN WIE ES MIR DAMALS GING, WAS DAS FÜR EIN SCHMERZ WAR. HALT EINFACH DEIN VERDAMMTES MAUL. ICH WILL DEINE VERDAMMTE STIMME NICHT HÖREN." Plötzlich schlangen sich zwei Arme um Jungkook und zogen ihn auf den Boden.
Erschrocken, stellte ich fest, dass es sich um Namjoon handelte, der Jungkook am Boden hielt.
Alles spielte sich wie in Zeitlupe vor meinen Augen ab. Wie in Trance stand ich auf, wollte hin zu den beiden und Namjoon von Jungkook wegziehen. Er tat ihm doch weh. Jungkook schrie bitterlich und weinte, während er sich fest in Namjoons Arme krallte.
Plötzlich wurde auch ich am Arm gepackt und von der Situation weggezogen. Doch ich dachte nicht dran.

Mit Händen und Füßen wehrte ich mich gegen den festen Griff. „Nein. Ich will zu Jungkook. JUNGKOOK" schrie ich mir die Seele aus dem Leib, während mir weiter die Tränen aus den Augen liefen und ich vergeblich versuchte mich an irgendetwas festzuhalten.
Doch ich war zu schwach. Die Person zog mich die Treppe hinunter und in ein Zimmer, welches mir bis jetzt unbekannt war.
Mit dem schließen der Tür verstummten alle Geräusche, das Schreien von Jungkook, sowie sein Weinen. Nur noch mein eigenes Schluchzen konnte ich hören, als ich mich mitten auf dem Boden fallen ließ und in mich zusammenrollte.
Als sich dann die Arme eines warmen Körpers um mich legten und sich ebenso dieser Körper an mich drückte, vernahm ich den beruhigenden Geruch von Jin, der mich geradezu umhüllte.

Nach mehreren Minuten begann ich mich zu beruhigen, bis mir die Tränen nur noch stumm über die Wangen liefen.
Unfähig mich zu bewegen drückte ich mich noch näher an Jin heran.
„Er tut ihm weh." murmelte ich nur leise, bevor eine ruhige Stille eintrat.
„Das tut er nicht. Namjoon weiß was er tut. Das ist nicht das erste mal, dass Jungkook einen seiner Anfälle hat. Mach dir keine Sorgen. Taehyung willst du mir erzählen, was passiert ist?"
Bei dieser Frage spannte ich meinen Körper deutlich an, was auch Jin zu bemerken schien, weswegen er begann mit seiner Hand durch meine Haare zu fahren, was mir tatsächlich half mich wieder zu beruhigen.
„Er...er wollte mich...umbringen."
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Aber er hat es nicht getan....💜

~El💜

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