Street Fighter 2

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Hilfe!
Um Himmels Willen!
Konnte jemand mich bitte von Sarah erretten!?
Eigentlich hatte ich in dem Moment etwas viel besseres und wichtigeres zu tun gehabt, wie die kniffligen Codeing-Aufgaben aus dem IT-Kurs zum Beispiel, an den ich schon seit eine geschlagenen Stunde hang.
Meiner Lieblingskommilitonin hielt mich jedoch erfolgreich davon ab.

Ich hätte mich aber für mein Verplappern gerstern auch selbst in den Arsch beißen können.
Wäre nicht der Name "Drogo" und "Gamerabend" im gleichen Satz gefallen, wären mir die einredenden Engelszungen, wie "Hast du nichts aus dem letzten Mal gelernt?", "Hat dir die Faust in deinem Gesicht nicht ausgereicht?", "Denn Bartholys darf man niemals trauen! Sie sich gefährlich!" und viele ähnliche Sprüche erspart geblieben, auf die ich nur meine Augen genervt verdrehte.
Na ein Glück, dass wir nur telefonierten und kein Videochat hatten.
Sie raubte jedes bisschen Nerv, dass ich gewillt war meine Hand klatschend durchs Gesicht zu fahren.
Wäre da nicht meine Brille, die im Weg war und mich dabei aufhielt.

Ich verstand nicht, wieso Sarah nicht aus ihrer alten Haut konnte und immer noch so nachtragend war.
Ja, der Blondschopf hat sich bis jetzt noch nicht offiziell bei mir entschuldigt.
Darauf legte ich jedoch keinen besonderen Wert mehr.
Dafür lief die Uniwoche nach meinem 4-wöchigem Ausfall mit Drogo einwandfrei.
Er wirkte gestern zwar etwas weird und verwirrt aber ich glaubte, dass Peter ihm mein Erscheinen verschwieg, worauf er überhaupt nicht vorbereitet war.

Nun durfte ich mir das Argument "Ihr seid doch keine richtige Freunde und trotzdem lässt du ihn dann ins Haus!?" um die Ohren hauen lassen.
Ein valider Einwand.
Wir waren nichts Dergleichen, das man es als solches definieren konnte.
Ich spürte gestern jedoch diese tiefe umhauende Entäuschung in seinem sonst kessen Ausdruck, der mich erreichte und erweichte.
Am ehesten war es mit bedauernden Gewissensbisse zu vergleichen.
Ich müsste eigentlich nicht so fühlen, doch ich konnte diesen diffusen Frust nicht entrinnen.
Dieses Detail behielt ich allerdings für mich.
Vor Sarah wollte ich mir nicht die Blöße geben, die sie vermutlich noch anders interpretiert hätte und ihren eigenen Film weiter fuhr.

Während des Telefonats versuchte ich seit einiger Zeit das Ende zu finden, doch wurde ich meine Kommilitonin so einfach nicht los.
Sie war um mein Wohl übertrieben besorgt, dass ich durch ihr bemuttern, wie ein kleines Kind fühlte.
"Wenn er komisch rüberkommt, gib mir dann ein Zeichen! Schreib mir. Ruf mich an. Ich komme dann so schnell wie möglich vorbei!" Redete sie ohne Punkt und Komma auf mich ein.
Es war vorauszuahnen, dass Sarah zum nächsten gut gemeinten Rat ansetzte, doch es wurde für mich eindeutig zuviel.
"Kannst du endlich mal deine Überfürsorge sein lassen?!" Platzte es aus mir heraus. "Ich bin kein fünfjähriger Junge der..." Doch ich kam nicht dazu, diesen Satz zuende zu sprechen, als ein ohrenbetäubendes Klirren von zersprungendem Glas mich aufschrak.
"Oh mein Gott! Was war das im Hintergrund?!" Übersteuerte Sarah plötzlich am anderen Ende des Handys.
"Das klang nach sehr vielen Scherben." Kommentierte ich nach dem ersten Schreck so nüchtern wie es ging. "Ich gehe mal nachschauen." Und wollte mir den Schaden genau begutachten.
"Colin, nein! Geh da jetzt bloß nicht hin! Warte bis ich vorbeikomme!" Redete sie panisch auf mich ein.

Habt ihr es gehört!?
Das war mein geplatzer Geduldsfaden.

"Wage es dich einen Fuß nach draußen zu setzen und zu mir zu kommen!" Ranzte ich sie übel an.
Die Stille, die dann aus meinem Handy kam, war ne Genugtuung.
Endlich konnte ich etwas weniger gestresster den Schaden begutachten.
"Der Krach kam aus meinem Balkon." Setzte ich nicht nur für mich, sondern vor allem für Sarah, beruhigende Wörter an. "Es war bestimmt nur ein Vogel, der zu mutig gewesen war und dabei meinen Aschenbecher zerdeppert hat."
Es genügte mir nur einen unbeeindruckten Blick, von meiner Küche aus, durch den Türrahmen zum Balkon.
Auf dem anthrazitfarbenen Fliesenboden lagen die Scherben wie ein explodierter Glitzerhaufen verstreut.
Dazwischen die Asche und Filter.
"Jjjeeepppp der Arscher hat Selbstmord begannen und jetzt liegen seine Leichenteile und Innereien auf den Fliesen verteilt." Berichte ich meiner Kommilitonin vom Schlachtfeld.
Ich war drauf und dran die Scherben zu beseitigen, als ein unerwartetes Klingeln mich erneut ruckartig aufzucken ließ.
Auf diesen Schreck sah ich irritiert drein.
Es war noch nicht um 15 Uhr.
Mein Blick auf die Küchenuhr an der Wand bestätigte es. 
"Sooo früh..." Murmelte ich vor mich hin.
"Geh bloß nicht ran." Redete Sarah wieder auf mich ein, die anscheinend das Klingen mitbekam. "Wenn es Drogo sein so, lass ihn bloß nicht rein!"
Doch ihre warnende Worte, die ich langsam als üble Bevormundung wahrnahm, reichten mir endgültig.
"Wage es hier vor meiner Matte zu stehen." Blöckte ich in den Hörer. "Diejenige, die ich dann nicht reinlasse, bist du! Ich lege jetzt auf. Bis dann" Und beendete das Telefonat ohne eine weitere Erwiderung.

Is It Love? Drogo & Colin "Wie Feuer und Eis"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt