Die Zeit im Krankenhaus setzte Genne ziemlich zu, weshalb sie die Tage bis zu ihrer Entlassung zählte. Obwohl sie die Zeit überwiegend im Koma verbracht hatte, fühlte sie sich in ihrem Zimmer wie eingesperrt und konnte nichts tun ohne vorher um Erlaubnis zu bitten. Sie fühlte sich wie ein Tier im Zoo, der aus seinem natürlichen Lebensraum geholt wurde, um hinterher ein Leben in einem kleinen Gehege zu verbringen und anschließend darin zu sterben - Die Tiere hatten es zwar viel schwerer als sie, dennoch fühlte sie sich wie eins.Bis vor kurzem war sie in ihrem eigenen Körper eingesperrt. So sehr sie nach ihren Geschwistern rufen und auf sich aufmerksam machen wollte, kam aus ihrem Mund kein Ton. Sie schaffte es noch nicht einmal ihren Mund zu öffnen oder ihre Hand für einen Millimeter zu bewegen. Total machtlos lag sie in ihrem Bett und konnte nichts anderes tun, als eine sehr gute Zuhörerin zu spielen - Sie bekam alles mit, was ihre Familie ihr zu erzählen hatte. Die Hälfte verstand sie gar nicht, da sie darüber nichts wusste. Sie wusste nicht, dass sie ihren Masterabschluss gemacht hatte und sich dazu entschied mit Lando zusammenzuarbeiten. Ebenfalls wusste sie nicht, dass sie ihr Leben in London aufgegeben hatte und hinterher mit ihrem kleinen Bruder in ein Land zog, wo niemand wirklich Steuern zahlte.
Es kam ihr alles wirklich fremd vor.
»Woran denkst du gerade?«, unterbrach ihr Freund ihre Gedanken und hörte für einen kleinen Augenblick damit auf, ihre Klamotten in ihre große Tasche zu werfen. »Was für ein Gedanke ist gerade viel wichtiger als deine Sachen zu packen und den Saftladen zu verlassen?«, harkte er mit einem breiten Grinsen auf den Lippen nach und freute sich momentan wohl mehr als sie auf ihre Entlassung. So sehr er die Insel mochte, wollte er das Krankenhaus nicht mehr von Innen sehen.
»Übers Eingesperrt sein.«, antwortete sie ihm ehrlich und ließ sich seufzend auf die harte Matratze fallen, die sie nie vermissen würde. »Ich habe viele Wochen im Koma verbracht und war somit in meinem eigenen Körper eingesperrt.«, betonte sie und starrte einen Punkt an der Wand an. »Ich konnte mich nicht bewegen oder überhaupt meinen Mund öffnen, Ben. Ich konnte nur zuhören und das durchgehend! Am Morgen, Mittag und Abend habe ich die beschissenen Geräte piepen hören. Ich konnte niemandem wirklich signalisieren, dass ich es wirklich gehasst habe. Es war nervtötend und ich schwöre, dass es mich innerlich kaputt gemacht hat.«, erzählte sie ihm und ließ ihn das erste Mal wissen, wie sie sich die ganze Zeit fühlte.
Er wusste nur, wie sich ihre Familie fühlte.
»Das tut mir leid.«, war das Einzige, was ihm gerade dazu einfiel. Die Jeans in seinen Händen schmiss er achtlos in die Tasche, bevor er sich neben sie setzte und einen Arm um sie legte. Sofort lehnte sie sich an ihm an und fühlte sich in seiner Nähe geborgen. »Ich kann mir wirklich kein bisschen vorstellen, was du alles durchmachen musstest. Es tut mir leid, dass du Monate deines Lebens durch die Dummheit anderer verloren hast und mit den Konsequenzen leben musst.«, sprach er sein Mitleid aus und fühlte sich schlecht.
»Du kannst nichts dafür, Benji.«, murmelte sie und ließ sein Herz bei dem Spitznamen für ihn höher schlagen. Es gab nicht sehr viele Menschen in seinem Leben, die ihn Benji nannten. Es bevorzugten sehr viele, auch er, den Namen Chilly - Ein Spitzname für seinen Nachnamen. Aber aus ihrem Mund, einen komplett selten ausgesprochenen Spitznamen zu hören, ließen ihn Dinge fühlen. Dinge - sowie Gefühle, die er jetzt nicht haben durfte.
»Es tut mir trotzdem leid.«, erwiderte er daraufhin und sah ihr in die Augen, als sie ihren Kopf anhob und auch ihm in die blauen Augen schaute.
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FAKIN' IT ▷ m.mount
FanfictionIN WELCHE Genevieve Moretti wieder in ihr altes Londoner Stadtleben zurückkehrt und auf altbekannte Gesichter trifft, die ihr mehr Schmerz als Freude bereitet haben.