1. Warum wir nur einen Stuhl haben

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Die Schreibtischlampe warf ihren Lichtkegel auf Peters Gesicht. Er saß konzentriert vor dem Computer und war völlig in einen Text vertieft. Wahrscheinlich war es irgendein Artikel, aber auf die Entfernung konnte Bob das nicht so genau erkennen.

Er saß schräg hinter dem Zweiten auf dem alten, schon etwas ranzigen Ledersofa und lenkte seine Aufmerksamkeit nun wieder auf das schöne Gesicht vor ihm. Er starrte auf die vielen kleinen Sommersprossen, die sich überall auf dem Gesicht des zweiten Detektivs befanden. Und er war immer wieder fasziniert davon, wie weich seine Haut aussah, wie dafür geschaffen, sie zu berühren.

Als der Dritte sich dabei ertappte, wie seine Gedanken in die falsche Richtung steuerten, schüttelte er nur kurz energisch den Kopf, um sie aus seinem Verstand zu vertreiben. Gut, dass Peter so in seinen Artikel vertieft war, sonst wäre die Situation wahrscheinlich ziemlich peinlich geworden. Alleine, wenn er Bob darauf angesprochen hätte, warum er ihn die ganze Zeit über so penetrant anstarrte, wäre dieser vor lauter Blut im Kopf höchstwahrscheinlich explodiert.

Plötzlich nuschelte der zweite Detektiv: „Gibst du mir mal eine Cola?"

Der Dritte nickte nur, bemerkte dann, dass Peter dies nicht sehen konnte und schob noch ein „mhm" hinterher, ehe er mühsam aufstand, sich vor den kleinen Kühlschrank kniete und eine kühle Coladose herausholte. Einen Moment lang überlegte er scherzhaft, ob er sich in das kleine Ding hocken sollte, schloss dann aber doch die Tür und reichte dem Zweiten seine Cola. Er ignorierte das Kribbeln, das kurz darauf durch seinen ganzen Körper schoss, als sich ihre Hände berührten und blieb am Schreibtisch stehen.

Während Peter sich für Bobs Freundschaftsdienst bedankte und seine Dose mit einem Zischen öffnete, beugte Bob sich ein wenig nach vorn, um besser erkennen zu können, was der zweite Detektiv dort eigentlich die ganze Zeit las. Doch bevor er überhaupt die Überschrift hatte entziffern können, meldete sich sein Herz mit einem starken Pochen.

Erst jetzt realisierte er, wie nah er Peter war. Ihre Köpfe waren nun direkt nebeneinander, nur einige Zentimeter trennten ihre Ohren noch voneinander. Er roch den süßlichen Duft der Zuckerplörre, hörte das regelmäßige Atmen seines besten Freundes und das Schlucken, als er sich die Cola in den Mund laufen ließ.

Um seine Gedanken wieder zurück auf den Artikel zu lenken, fragte er den Zweiten: „Was liest du da eigentlich die ganze Zeit?"

„Du starrst doch schon seit einer Ewigkeit auf den Bildschirm. Sag mal, hast du das Lesen verlernt, Bob?", bemerkte Peter belustigt, erläuterte dann aber: „Ich lese gerade einen Artikel über eine Überfallserie in San Francisco von vor acht Jahren. Sie ist nie wirklich aufgeklärt worden. Es gab einige Verdächtige, aber ihnen konnte nichts nachgewiesen werden, da sie sehr geschickt ans Werk gegangen sind. Deswegen musste man sie im Endeffekt laufen lassen. Aber setz dich doch dazu und schau es dir selbst an." Er rückte auf seinem Stuhl ein Stück zur Seite und sah Bob aufmunternd von der Seite an.

„Kuscheln? Bei der Hitze?", rutschte es dem Dritten heraus. Erschrocken über seine Wortwahl riss er die Augen auf.

Es war siedend heiß in der Zentrale, die Luft war stickig, das kleine Thermometer an der Wand über dem Schreibtisch zeigte 27 Grad an. Doch kuscheln, hatte er das gerade wirklich gesagt? Doch Peter grinste nur, klopfte auf den Fleck freie Sitzfläche neben sich und Bob setzte sich zögerlich. Und als wäre das nicht schon nah genug, legte der zweite Detektiv jetzt auch noch seinen Arm um den Dritten und meinte grinsend: „Damit du mir auch ja nicht runterfällst."

Warum war Peter nicht einfach aufgestanden und hatte ihm den Platz überlassen, sondern hatte darauf bestanden, dass sie gemeinsam auf diesem viel zu kleinen Stuhl saßen? Bildete er sich das nur ein, oder... Sein Kopf mahnte ihn zur Vernunft und ließ ihn wissen, dass das nur sein Wunschdenken war. Innerlich seufzend fand er sich für den Moment damit ab, dass es zwischen ihm und Peter wohl nie mehr als eine Freundschaft geben würde und versuchte, sich endlich auf den Artikel zu konzentrieren. Da er für Recherchen und Archiv zuständig war, fiel ihm das normalerweise nicht schwer. Er steckte seine Nase meistens den halben Tag lang in Bücher, doch heute konnte er sich einfach nicht fokussieren. Er spürte, wie sich langsam der Schweiß zwischen ihren aneinandergepressten Oberschenkeln bildete, doch trotzdem genoss er die Nähe zwischen ihnen.

Während Bob weiter so tat, als würde er den Artikel vor seinen Augen lesen, obwohl sich die Worte sich nur zu einem wilden Buchstabensalat vermischten, sagte Peter leise: „Wir müssen nur aufpassen, dass Justus den Artikel nicht in die Finger bekommt, sonst wittert er direkt wieder einen neuen Fall." Er sah den Zweiten an, grinste und blieb bei seinen Augen hängen. In diesem leuchtenden Grün konnte er sich ewig verlieren. Doch gerade, als er wieder in seine Gedanken abtauchen wollte, polterte es und die Tür zur Zentrale öffnete sich.

Die drei Fragezeichen und der ganz normale WahnsinnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt