6. Wie surreal das Leben ist

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Bob trat in den Flur und schloss die Tür hinter sich. Angenehme Stille empfing ihn. Nur die Küchenuhr gab ihr vertrautes Ticken von sich, ansonsten war es ruhig. Er schaffte es noch irgendwie, die Treppe zu seinem Zimmer hinaufzukommen, dann ließ er sich müde auf sein Bett sinken.

Obwohl er direkt hätte einschlafen können, hielt ihn nun seine Neugier wach. Was hatte Peter nochmal gesagt? Dass der Anführer der Schlägertruppe wahrscheinlich bei der Auktion gewesen war? Bestimmt stand in der Los Angeles Post ein Artikel darüber. Bob wusste, dass er morgen früh in der Zentrale sein musste, doch der Drang, seinem Namen als Herr über Recherchen und Archiv alle Ehre zu machen, war größer als seine Vernunft.

Der Dritte setzte sich an seinen Schreibtisch und fuhr seinen Computer hoch. Das helle Licht des Bildschirms blendete ihn, als er in die Suchzeile aktuelle Auktionen eingab.

Nach kurzem Stöbern wurde er tatsächlich fündig. Die Schlagzeile lautete: „Homophobie-Attacke auf Will Rodriguez – Auktion abgebrochen" Der dritte Detektiv stutzte. Die Auktion war abgebrochen worden? Davon hatte Justus ihnen heute gar nichts erzählt. Er würde ihn wohl morgen danach fragen müssen.

Interessiert überflog er die Zeilen. Der Veranstalter Will Rodriguez war händchenhaltend mit seinem Mann in die Halle gekommen und war daraufhin von einem Besucher bespuckt und beschimpft worden, verriet der Artikel. Der Mann sollte dafür eigentlich der Veranstaltung verwiesen werden, doch der Sicherheitsdienst tauchte nicht auf. Also entschied sich Rodriguez, die Auktion zu beginnen. Als erstes wurde eine Vase versteigert, an der der aggressive Mann bedeutendes Interesse zeigte. Als jemand anders mehr bot und Rodriguez ihm die Vase überreichen wollte, wurde der Mann fast handgreiflich Will Rodriguez gegenüber und wurde von anderen Gästen abgehalten. Der Sicherheitsdienst ließ sich die ganze Zeit über nicht blicken und so wurde die Auktion vorzeitig beendet.

Bob grübelte über den Artikel nach und suchte währenddessen nach Bildern der Auktion. Tatsächlich waren einige Fotos geschossen worden und auf einem von ihnen war etwas unscharf ein Mann zu sehen, der seine Hand nach der Vase ausstreckte, die Will Rodriguez in seiner Hand hielt. Und wahrhaftig, dieser Mann sah dem Schlägertypen verblüffend ähnlich.

Der dritte Detektiv klappte seinen Laptop zu. Zwar handelte es sich bei dem Mann mit ziemlicher Sicherheit um einen ihrer Verfolger, doch der Zusammenhang zwischen der Auktion und dem Ereignis am Strand erschloss sich Bob einfach nicht. Resigniert stützte er den Kopf in die Hände und schaute aus dem Fenster. Es war bereits stockdunkel und einzelne Sterne erleuchteten den Nachthimmel. Er entschied sich dazu, endlich ins Bett zu gehen und stand auf, um sich umzuziehen.

Als er in seinen Schlafsachen auf der Bettkante saß und sich einen Wecker stellte, piepte plötzlich sein Handy. Er schrak kurz zusammen und nahm dann sein Handy vom Schreibtisch, um nachzusehen, wer ihm geschrieben hatte. Auf dem Display war Peters Name eingeblendet und sofort beschleunigte sich Bobs Herzschlag. Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, während er die Nachricht öffnete.

Sein bester Freund hatte geschrieben: „Hey, ich hoffe, ich wecke dich jetzt nicht auf. Aber ich wollte dich eigentlich vorhin noch fragen, ob du übermorgen mit auf den CSD möchtest? In Rocky Beach findet er dieses Jahr auch statt und wenn du möchtest, kann ich dich übermorgen um 10 Uhr mit dem MG abholen und wir fahren zusammen hin. :)"

Der dritte Detektiv konnte sein Glück kaum fassen. Das musste ein Traum sein. Er kniff sich in den Oberarm, stellte aber mit verzerrten Mundwinkeln fest, dass er nicht schlief. Und wenn das ein Scherz war? Und was hatte Peter eigentlich mit dem CSD zu tun? Und warum wollte er ausgerechnet ihn dabeihaben?

Zu viele Fragen schwirrten in Bobs Kopf herum und er war zu müde, um sich mit seinen Zweifeln auseinander zu setzen, deswegen schrieb er „Nein, keine Sorge. Du hast mich nicht geweckt. Und ja, gerne. :)" zurück, machte sein Handy aus und verkroch sich unter seine Bettdecke, wo er nur kurze Zeit später einschlief.

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Am nächsten Tag wurde Bob vom viel zu lauten Piepen seines Weckers geweckt. Genervt haute er auf die Schlummertaste und setzte sich langsam auf. Die Luft in seinem Zimmer war stickig und er gähnte, ehe ein tiefer Seufzer seinen Mund verließ. Es war viel zu früh. Mit den Händen fuhr er sich über sein Gesicht und als der Wecker erneut zu piepen begann, stellte er ihn endgültig aus und stand widerwillig auf.

Erst unter der Dusche fiel ihm wieder ein, was Peter ihm gestern Abend noch geschrieben hatte und schlagartig war er hellwach. Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen und leise summend schnappte der dritte Detektiv sich ein Handtuch vom Haken und band es sich um die Hüften.

Zurück in seinem Zimmer schaute er auf die Uhr seines Handys. Es war erst halb acht, also hatte er noch etwas mehr als eine Stunde Zeit, bis er zum Schrottplatz fahren musste.

Er griff erneut nach seinem Handy und sah, dass Peter ihm gestern Abend noch einmal geantwortet hatte. „Super, ich freue mich!!", hatte er geschrieben und Bob fiel wieder ein, dass er sich immer noch nicht erklären konnte, was Peter auf dem CSD wollte. Schnell schrieb er zurück: „Warum gehst du eigentlich auf den CSD?" Nur einige Sekunden kam die Antwort, so als hätte Peter nur auf eine Nachricht von ihm gewartet: „Das wirst du schon noch sehen. ;)"

Seit wann war sein bester Freund denn bitte so geheimnisvoll? Irgendwie konnte sich Bob keinen Reim darauf machen. Der dritte Detektiv entschloss sich, die Geheimnistuerei von Peter hinzunehmen und suchte im Kleiderschrank nach frischen Klamotten, ehe er sich auf den Weg in die Küche machte, um zu frühstücken und danach zur Zentrale aufzubrechen.

Die drei Fragezeichen und der ganz normale WahnsinnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt