8. Was wir über uns ergehen lassen müssen

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Im Auto ließ Peter eine Playlist laufen, die Bob wohl niemals seinem besten Freund zugeschrieben hätte. Die Musikrichtung bewegte sich irgendwo zwischen schmalzigem Pop und melancholischen Klängen. Der zweite Detektiv trällerte schief mit, er schien alle Songs auswendig zu kennen. Die Situation wirkte so surreal, dass Bob zu lachen anfing.

„Was denn?", fragte Peter ebenfalls grinsend.

„Och nichts", lachte Bob weiter und der Zweite stimmte in sein Gelächter mit ein. Kurze Zeit später fügte der dritte Detektiv keuchend hinzu: „Schau auf die Straße, Zweiter! Wir wollen doch noch in einem Stück ankommen."

Seine Nervosität steigerte sich, je näher sie ihrem Ziel kamen. Auch Peter wurde ruhiger und beschränkte sich nur noch auf ein leises Mitsummen. Bob hingegen tippte mit seinen Fingerkuppen nervös auf seinem Knie herum, als sie sich der Innenstadt näherten und nach einem Parkplatz suchten.

Die Lage war mit brechend voll fast schon untertrieben beschrieben. Die Straßenränder waren zugeparkt, an vielen Stellen standen hupende Autos, auf den Gehwegen zogen Gruppen ausgelassen feiernder Menschen an ihnen vorbei.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis der zweite Detektiv seinen MG in eine kleine Parklücke gezwängt hatte und die beiden ausstiegen. Peter schien Bobs Nervosität zu bemerken, nahm ihn bei der Hand und zog in Richtung der Parade, die sich langsam in Bewegung setzte. „Komm schon, Bob! Das wird super!" Der Zweite war vollkommen in seinem Element und schleifte den unsicheren Bob einfach hinter sich her.

In der Menschenmenge angekommen entspannte der dritte Detektiv sich etwas. Alle hier sahen unterschiedlich aus, niemand interessierte sich dafür, wie er aussah, sondern alle tanzten und sprangen ausgelassen einem großen Wagen hinterher, der den Zug anführte. Von dort aus beschallte Musik die gesamte Straße und Bob kam langsam in Tanzstimmung. Leicht bewegte er sich zu dem Beat, der aus den Boxen dröhnte und sah, wie sich immer mehr Menschen zu der Gruppe gesellten. Manche von ihnen schwenkten Regenbogenfahnen, anderen hielten ihre Partner im Arm, wieder andere kamen entfesselt angetanzt. Es war ein buntes Durcheinander und so viel Angst, wie Bob vorhin noch gehabt hatte, so viel Glück verspürte er jetzt.

Er merkte, wie sehr er sich mit diesen Menschen verbunden fühlte. Denn irgendwie gehörte er ja zu ihnen. Denn er hatte sich in einen Jungen verliebt. In den Jungen, der gerade neben ihm durch die Menge lief.

Noch kurz dachte er daran, dass sie einen Auftrag zu erledigen hatten und eigentlich nach einem Mann suchten, doch seine Gedanken lösten sich von jetzt auf gleich in Luft auf, als Peter einige Augenblicke später völlig unvermittelt nach seiner Hand griff und ihn eine Pirouette drehen ließ. Bobs Herz machte einen Hüpfer und setzte danach kurz komplett aus, als der zweite Detektiv seine Hand nicht losließ, sondern sich noch seine andere Hand schnappte und mit ihm wild durch die Menge tanzte. Das Grinsen im Gesicht der beiden wurde immer breiter, während sie sich beim Tanz in die Augen blickten.

Bob vergaß für einen Moment die ganze Welt um sich herum. Da waren nur Peter und er. Ihre ineinander verschränkten Hände. Sein pulsierender Herzschlag. Ihre fließenden Bewegungen. Alles schien so leicht.

Dann bewegte sich Peter näher an ihn heran. Er konnte seinen Atem in seinem Gesicht spüren. Bob hielt die Luft an. Ihre von der Sonne brennende Haut berührte sich, als Peter seinen Kopf zu Bobs Ohr neigte und der ganze Körper des dritten Detektivs begann zu kribbeln. Der zweite Detektiv rief über die laute Musik hinweg in sein Ohr: „Ich wollte dir schon lange etwas sagen. Ich bin-„ Weiter kam er nicht. Ein panischer Schrei zerschnitt die glühende Luft, dann fielen Schüsse. Bob zählte drei.

„Weg hier!", schrie Peter und der dritte Detektiv sah direkt in die vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen seines besten Freundes. Er war wie gelähmt, konnte sich nicht bewegen, doch der zweite Detektiv zog ihn einfach hinter sich her. Bobs Beine fühlten sich an wie zerkochte Nudeln, während er versuchte, mit Peter mitzuhalten, der auf das Auto zu sprintete. Ein Blick nach hinten verriet dem Dritten, dass die Menge angsterfüllt auseinander stob und sich in alle Himmelsrichtungen verteilte. Er konnte nicht mehr denken, sein Kopf war wie leergefegt. Nur die panische Angst, das hier nicht zu überleben, pulsierte in seinen Adern.

Am Auto angekommen sackte er endgültig zusammen. Unbeweglich saß er auf dem Asphalt direkt vor der Beifahrertür. „Och, komm schon, Bob. Wir müssen hier weg!" Peters Stimme überschlug sich beinahe, während er Bob nach oben zog, ihn stützte und die Tür zum Wagen öffnete. Als Bobs Beine sich nach wie vor nicht bewegen wollten, hob er ihn hoch und setzte ihn in den MG. Wäre der dritte Detektiv nicht schon genug damit beschäftigt gewesen, sich selbst zu beruhigen, hätte er bei dieser Situation vor lauter körperlicher Nähe wahrscheinlich einen Herzkasper erlitten.

Die ganze Rückfahrt über redeten sie nicht miteinander. Der Schreck saß ihnen tief in den Gliedern. Verfolgungsjagden schön und gut. Aber dass geschossen wurde, kam doch nicht alle Tage vor.

Als Bob sich wieder ein wenig beruhigt hatte und sein Kopf langsam wieder zu arbeiten begann, verfluchte er wieder einmal seine Gefühle für Peter. Immer wenn sie zu zweit Zeit miteinander verbrachten, passierten unheimliche und gefährliche Dinge. Und danach fragte er sich, was sein bester Freund ihm vorhin eigentlich hatte sagen wollen. Wenn er an die Situation zurückdachte, konnte er noch immer das Kribbeln spüren, das seinen ganzen Körper geflutet hatte.

Bob war so in Gedanken versunken, dass er zuerst gar nicht bemerkte, wie Peter mit quietschenden Bremsen vor seinem Zuhause hielt. Dann sah der dritte Detektiv seinen besten Freund an. „Komm doch noch mit rein. Ich lass dich so aufgelöst nicht alleine Auto fahren."

Er sah, dass der zweite Detektiv etwas erwidern wollte, doch er ließ ihn nicht zu Wort kommen: „Egal was, kein Aber. Du kommst jetzt mit rein."

Peter seufzte ergeben, stieg dann aber mit aus und lief hinter Bob zur Haustür. Dieser kramte seinen Schlüssel hervor und wollte gerade ins Haus gehen, als der Zweite ihn am Arm festhielt. Verwundert drehte er sich um und wurde im Bruchteil einer Sekunde in eine Umarmung gezogen. Peter umschloss ihn fest mit seinen Armen und Bob atmete sein süßliches Deo ein. Vorsichtig legte er seine Arme um Peters Körper und kuschelte seinen Kopf an seine Schulter, als der zweite Detektiv plötzlich flüsterte: „Ich bin schwul, Bobbele."

Die drei Fragezeichen und der ganz normale WahnsinnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt