10. Wenn die Zeit still steht

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Peter starrte ihn verdutzt an. Jetzt wird er mich abblitzen lassen, schoss es Bob durch den Kopf. Eine tiefe Enttäuschung machte sich in ihm breit und am liebsten hätte er die Augen zugekniffen, sich die Ohren zugehalten und wäre einfach nach draußen gelaufen. Doch trotz der Gedanken an seine womöglich bevorstehende bitterböse Niederlage schaffte er es irgendwie, dem zweiten Detektiv in die Augen zu sehen. Dieser öffnete gerade seinen Mund, schloss ihn wieder. Öffnete ihn noch einmal. „Sag das noch mal." Seine Worte hätten böse, vorwurfsvoll klingen können, doch stattdessen lag eine gewisse Ungläubigkeit vermischt mit einer leichten Sanftheit in seinem Tonfall.

Noch einmal nahm der dritte Detektiv all seinen Mut zusammen und sprach den Satz erneut aus, dieses Mal ein klein wenig lauter: „Ich habe mich in dich verliebt."

Es dauerte einige Sekunden, die sich zogen wie Kaugummi, ehe Peter einen Schritt auf den Blondschopf zumachte. Dann noch einen. Und schließlich noch einen. Bob konnte die wohlige Wärme spüren, die vom Zweiten ausging, der nun genau vor ihm stand und auf ihn herunterblickte. Der zweite Detektiv war gut einen Kopf größer als sein Kollege und so musste Bob seinen Kopf ein wenig in den Nacken legen, um ihn ansehen zu können.

Da war er wieder. Dieser Drang, über seine Haut zu streichen, die wieder einmal so unfassbar weich wirkte. Wie in Zeitlupe streckte der dritte Detektiv seine Hand aus und gab dem inneren Drang nach.

Sein Herz schien zu explodieren, als seine Fingerspitzen die Wange des Rotschopfs berührten. Und die Erde schien sich langsamer zu drehen, als Peter sich langsam zu ihm herunterbeugte. Bob konnte den schnellen Atem seines Detektivkollegen an seinen Lippen spüren, spürte das Herz in seiner Brust hämmern, als er ihn mit seinem freien Arm näher an sich zog. Und dann berührten sich ihre Lippen. Die Zeit stand für diesen einen Moment still. Der dritte Detektiv erwiderte den Kuss, drängte sich noch ein wenig näher an ihn heran, sodass kein Blatt Papier mehr zwischen sie gepasst hätte.

Das muss der Himmel sein, dachte Bob, während sie sich weiter küssten, als hätten sie nie etwas anderes getan. Er spürte Peters Hände an seiner Hüfte. Sein Griff war nicht grob, aber auch nicht zu leicht. Genau richtig. So, als wolle er ihn festhalten und nie wieder loslassen, aber liebevoll, nicht krampfhaft.

Dem dritten Detektiv ging die Luft aus. Obwohl er noch eine Ewigkeit so hätte verweilen können, löste er sich langsam von Peter. Ein leises Schmatzen fand seinen Weg in die Stille, als ihre Lippen wieder etwas Abstand zueinander gewannen. Bob vermochte nicht, auch nur einen Ton von sich zu geben. Dieser Moment hier war sein persönliches Paradies und er wollte es nicht mit unüberlegten Worten in Ruinen stürzen, die niemals würden erklären können, was er fühlte. Also sah er ihn einfach nur an. Merkte, wie sich erst ein kleines Lächeln in Peters Gesicht bildete und dann eine schimmernde Träne in seinem Augenwinkel erschien. Und dann sah er, wie der zweite Detektiv seinen Mund öffnete und ein paar Worte flüsternd in seine Richtung purzelten: „Ich habe mich auch in dich verliebt, Bob."

Der dritte Detektiv traute seinen Ohren kaum. Und noch weniger verstand er in diesem Moment, warum der Zweite weinte. Doch das einzige Wort, das seinen Mund verließ, war: „Wirklich?"

Schon eine Sekunde später fühlte er sich dämlich, diese Frage ausgesprochen zu haben, doch mehr hätte sein Magen nicht zugelassen. Er fühlte sich, als hätte er sich auf einer Kirmes an Zuckerwatte überfressen und gleichzeitig war er einem innerlichen Liebestaumel verfallen. Dieser Junge, der gerade genau vor ihm stand und ihm soeben seine Gefühle gestanden hatte, würde bald zu ihm gehören.

Doch Peter schien seine Frage nicht komisch zu finden. Er nickte, ein breites Grinsen lag auf seinem Gesicht und er wischte sich verstohlen die Träne vom Gesicht. Und ehe Bob sich versah, hatte der zweite Detektiv sein Gesicht in die Hände genommen, fuhr mit dem einen Daumen über seine Wange und mit der anderen Hand durch seine Haare.

„Ich würde dich so gerne noch einmal küssen", flüsterte er mit einem verschmitzten Grinsen. Da war er wieder. Der ‚alte' Peter. Der Peter, den er kannte. Es beruhigte den dritten Detektiv, das ein Kuss aus ihnen wohl keine neuen Menschen machen würde, sondern die ständige Nervosität in der Gegenwart des anderen es gewesen war, die sie hatte anders werden lassen.

Bobs Antwort bestand aus einem Lächeln und einem sanften Nicken. Kurz bevor sich ihre Lippen erneut berührten, sagte er: „Ich wusste gar nicht, dass wir jemals so nervös in der Gegenwart des anderen sein würden."

Peter lachte sein wundervolles Lachen, das kurz darauf in einem zärtlichen Kuss verschwand.

Die drei Fragezeichen und der ganz normale WahnsinnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt