19. Warum ich der Erste im Jenseits bin

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Triggerwarnung: Androhung von Gewalt, Homophobie


Ein tiefes, hässliches Lachen verließ die Kehle des Mannes, ehe er die drei Freunde und Skinny zurück in die Wohnung drängte und die Tür hinter sich schloss. „Ab ins Wohnzimmer mit euch!", befahl er barsch. Bob wurde abwechselnd heiß und kalt. Dieser Mann war Waver. Der Mitbietende auf der Auktion, der Anführer des Schlägertrupps am Strand, der Schütze auf dem CSD, der Vasendieb.

„Ach, jetzt erkenne ich euch wieder. Ihr seid doch die beiden Schwuchteln vom Strand", lachte der Mann und zeigte dabei auf Peter und Bob. Der dritte Detektiv linste zur Seite und sah, dass Peter am ganzen Leib zu zittern begonnen hatte. Bleib stark, Zweiter, bleib stark, betete er innerlich.

„Und du bist wohl der Anführer der Truppe von Möchtegerndetektiven, Dickerchen. Skinny hat nicht gelogen."

Mittlerweile standen die drei Detektive in einer Reihe an der Wohnzimmerwand, während sich Skinny grinsend zu Waver gestellt hatte. Skinny, diese hinterlistige Ratte, dachte Bob. Warum waren sie wieder einmal auf ihn hereingefallen?

„Mit wem von euch fange ich denn an? Obwohl, letztendlich müsst ihr sowieso alle dran glauben. Ihr wisst zu viel", überlegte der Verbrecher laut und erst jetzt fiel dem Dritten das Gewehr in seiner Hand auf. Augenblicklich wurde ihm klar, was hier gespielt wurde. Sie sollten ein für alle Mal aus dem Weg geräumt werden. Nun verstand er auch, wie Peter sich in diesem Moment fühlte.

Und da war es wieder, dieses schlechte Gewissen, die Reue. Dass er dem Zweiten nicht schon früher gebeichtet hatte, dass er ihn liebte. Dass er ihn nicht früher hatte küssen dürfen. Dass er nicht früher hatte seine Hand halten können. Dass er nun nie wieder die weiche Haut unter seinen Fingerkuppen spüren würde. Wie sehr er sich gerade wünschte, den Moment eher genutzt zu haben. Doch der Ganove ließ ihm keine Zeit, weiter darüber nachzudenken.

„Fang ich doch bei euch Schwuchteln an. Eurer Ableben dürfte kein großer Verlust für die Menschheit sein. Wie ekelhaft, zwei Männer, die rummachen. Das sollte verboten werden. Ihr seid wie eine Seuche, wie eine Krankheit, die die Menschheit nach und nach ausrottet. Ich könnte kotzen bei eurem Anblick. Wie ihr da im Sand lagt. Ihr könnt schon froh sein, dass ich da keine Waffe bei mir hatte, sonst wärt ihr jetzt schon lange Geschichte. Ich will mir gar nicht vorstellen, was ihr sonst so miteinander treibt." Bob konnte deutlich sehen, wie sich Waver unter seinen eigenen Gedanken wand. Er schien es wirklich ekelerregend zu finden.

Der dritte Detektiv konnte keine Worte finden für das Gefühl, das sich in ihm breit machte. Es war eine explosive Mischung aus Angst, Wut und Hass. Was interessierte es diesen Menschen, mit wem er sich ein Bett teilte? Mit wem er gerne Händchen hielt, wen er gerne küsste? Wen er ansah und sich jedes Mal dabei verlor? Wen er in seinem tiefsten Inneren liebte? Es spielte doch keine Rolle.

„Ach, und Sie meinen, mir vorschreiben zu müssen, wen ich zu lieben habe? Haben Sie noch nie jemanden angesehen und konnte sich nicht mehr von ihm losreißen, weil sie sich in ihm verlieren? Weil Sie alles an dieser Person lieben? Weil Sie sich ein Leben ohne diese Person nicht mehr vorstellen können? Alles, was Sie sich wünschen, ist, den Rest Ihres Lebens mit diesem Menschen zu verbringen. Händchen halten, sich küssen, zusammen kochen, sich über die Menge der Zutaten streiten, abends auf dem Sofa gemeinsam einschlafen. Was ist so falsch daran? Was ist falsch daran, dass ich ihn liebe?", platzte es aus Peter heraus. Er schrie fast und deutete dabei immer wieder auf Bob. Der Dritte konnte aus seinem Blickwinkel erkennen, wie Tränen über die Wangen seines Freundes liefen. Er hatte jegliche Selbstbeherrschung verloren.

Justus sah verwirrt zwischen dem Mann, Peter und Bob hin und her. Er schien die Welt nicht mehr zu verstehen.

„So so, du gibst also auch noch zu, dass du eine beschmutzte Seele hast. Du bekennst dich zu deinem ekelhaften Verhalten. Das nutzt dir nur leider nicht viel." Waver lachte wieder sein hämisches Lachen.

„Ihr werdet alle sterben. Aber du bist als Erster dran." Die Stimme des Verbrechers strotze nur so vor Hass. Sein Atem ging schwer, er ballte die Fäuste, fixierte den zweiten Detektiv mit seinen Augen, der nun wie zu einer Salzsäule erstarrt vor ihm stand. Dann richtete er seine Waffe direkt auf seine Brust. „Noch irgendwelche letzten Worte?"

„Ich will als Erster dran glauben", warf Bob einige Worte in die entstandene Stille. Dann stellte er sich zwischen Peter und Waver. „Die Polizei wird sicher gleich hier sein. Und wenn Sie unbedingt einen von uns umbringen wollen, nehmen Sie mich. Meinen Freund kriegen Sie nicht." Seine letzten Worte sagte er mit so viel Nachdruck wie möglich. Er hoffte, dass sein Bluff wirkte und sie durch sein Gerede etwas Zeit gewinnen konnten.

Und ja, es stimmte. Wenn es sein musste, würde er sein Leben für Peter geben. Er wollte, dass Peter am Leben blieb und wenn er dafür sein eigenes opfern musste.

„In Ordnung. Dein letzter Wille sei mir Befehl", lachte der Mann höhnisch und entsicherte mit einem Klicken seine Waffe. „Noch irgendwelche letzten Worte?", wiederholte er seinen Satz von vor einigen Minuten.

Noch einmal blickte Bob zu Peter und Justus, die angewurzelt neben ihm standen, unfähig auch nur ein Wort zwischen ihren Lippen hervorzupressen. Sogar der Erste schien überfordert von der Situation zu sein. An Peter gerichtet, murmelte Bob: „Ich liebe dich, Peter Shaw. Vergiss das nie. Ich liebe dich."

„Nein, nicht!", schrie Peter.

Dann gab mit einem Krachen das Holz der Tür nach. Wie in Zeitlupe stürmten Cotta und seine Leute in die Wohnung und die tiefe, kräftige Stimme des Inspektors schallte durch den Raum: „Lassen Sie die Waffe fallen! Sie sind verhaftet!"

Die drei Fragezeichen und der ganz normale WahnsinnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt