16. Wenn wir uns aussprechen

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„Komm rein. Willst du auch etwas zu trinken haben?", antwortete Bob und sein Blick blieb an Peters völlig durchnässtem Haar hängen. Die rote Farbe war durch das Wasser etwas dunkler als sonst und seine völlig wuselige Frisur sah mehr als attraktiv aus.

„Ja, gerne. Hast du Cola da?", riss der zweite Detektiv ihn aus seinen Gedanken.

„Ja klar, geh schon mal hoch. Ich komme gleich nach."

Nachdem Bob zwei Flaschen Cola aus dem Kühlschrank geholt und sich noch zwei Gläser von der Anrichte geschnappt hatte, machte er sich auf den Weg in sein Zimmer.

Als er im Türrahmen stand, sah er durch die halb angelehnte Tür, wie der Zweite sich gerade sein Shirt über den Kopf zog und es vorsichtig über Bobs Schreibtischstuhl hängte. Da war es wieder. Dieses heftige Herzklopfen, das den dritten Detektiv immerzu verfolgte, wenn er sich in vermeintlich doppeldeutigen Situationen mit Peter befand.

Er machte einen Schritt nach vorne, öffnete seine Zimmertür ganz und setzte einen Fuß in den Raum. Der zweite Detektiv schien ihn erst jetzt bemerkt zu haben und drehte sich zu ihm um. Schlagartig wurde Bob heiß. Seine Augen lagen auf dem Oberkörper seines Detektivkollegen, der weichen Haut, den definierten Muskeln. Er sah perfekt aus. Doch nichts in Bob verlangte danach, so auszusehen wie er. Er wollte nicht so sein wie er, er wollte bei ihm sein, Zeit mit ihm verbringen, ihn lieben dürfen.

Und obwohl die Worte zwischen ihnen ausgesprochen worden waren, fühlte der dritte Detektiv noch immer diese tiefe Unsicherheit in sich aufkommen. Mochte Peter ihn wirklich? Durfte er gerade diesen perfekten Körper ansehen? Sich danach sehnen, ihn zu berühren, obwohl es noch immer Tag Null war?

Endlich riss er seinen Blick los und stellte die Flaschen und Gläser auf seinem Schreibtisch ab und befreite somit seine bereits zitternden Hände. „Ach so, keine Sorge. Das sollte eigentlich kein zweideutiges Angebot sein. Ich wollte nur mein Shirt ausziehen, weil meine Haare es nass gemacht haben. Kann ich eins deiner Shirts haben?", las Peter Bobs Gedanken.

„Ja- ja klar. Nimm dir ruhig etwas aus meinem Schrank. Ich habe nur die Befürchtung, dass es dir vielleicht nicht passen könnte", antwortete der dritte Detektiv noch immer ein wenig zittrig. Der Zweite war schließlich mindestens einen Kopf größer als er.

Dieser öffnete gerade den Kleiderschrank, holte ein Shirt heraus und hielt es sich vor den Bauch. Dann zog er eine Augenbraue nach oben und verkündete: „Du hast Recht, das könnte doch ein wenig eng werden."

„Ich habe aber auch noch einen großen Pulli, der könnte dir passen", schob Bob ein und deutete auf einen anderen Stapel im Schrank. Peter nickte und griff nach einem beigen Pulli, zog ihn sich über den Kopf und bewunderte sich im Spiegel. Dann sagte er grinsend: „Passt doch!" Anschließend ging er zum Schreibtisch, goss sich Cola in ein Glas, trank einige Schlucke und ließ sich auf Bobs Bett fallen. Der dritte Detektiv setzte sich neben ihn.

„Worüber wolltest du mit mir sprechen?", eröffnete Bob das Gespräch.

„Über die Situation heute Mittag vor Wavers Wohnung. Zuerst einmal tut es mir wirklich leid, wie ich dich angefahren habe. Ich glaube, um das zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen."

Der dritte Detektiv nickte aufmunternd und Peter ließ seinen Kopf auf Bobs Schoß fallen. Nun bot sich endlich die Gelegenheit, durch seine Haare zu fahren. Innerlich breit grinsend legte der Dritte eine Hand in die noch feuchten Haare und strich sanft hindurch, während der zweite Detektiv zu erzählen begann: „Ich habe dir ja schon erzählt, dass ich dich schon länger toll finde. Angefangen hat alles damit, dass ich mit Jeffrey surfen war. Ich habe ihm irgendwas von dir erzählt und plötzlich meinte er zu mir: ‚Shaw, du erzählst verdammt viel von Bob. Hast du dir eigentlich mal überlegt, ob du vielleicht doch nicht hetero bist?' Das hat mich damals völlig aus der Bahn geworfen, denn ich bin doch immer ein Mädchenschwarm gewesen und konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ich nicht hetero bin. Aber nach und nach ist mir immer mehr klar geworden, dass ich dich eben doch mehr mag. Und dann hat Jeffrey an einem Nachmittag erzählt, dass er auch nicht immer so selbstbewusst mit seiner Homosexualität umgegangen ist, sondern dass viele Anfeindungen in der Öffentlichkeit irgendwann dazu geführt haben, dass er allen zeigen wollte, dass man ihn nicht beliebig herumschubsen kann wie eine Spielfigur. Deswegen hatte ich vorhin solche Angst. Es geht mir nicht um dich oder um uns, sondern ich habe Angst. Wie so oft."

Bob hatte still gelauscht und rang nun nach den richtigen Worten. „Ich finde es schwierig, die richtigen Worte dafür zu finden. Gib mir einen Moment, okay?"

Der zweite Detektiv nickte stumm, richtete sich aber wieder auf, setzte sich mit ausgestreckten Beinen auf das Bett und öffnete seine Arme für den Dritten. Dieser krabbelte auf den Zweiten zu und ließ sich auf seinen Schoß ziehen.

„War der Moment lang genug?" Peter rang sich ein Lächeln ab und Bob merkte, dass seine Erzählung ihn viel Überwindung gekostet hatte.

„Ja, keine Sorge. Danke für dein Vertrauen. Es ist so stark, dass du mir das erzählt hast. Und es ist okay, wenn du Angst hast. Es ist in Ordnung, wenn du nicht möchtest, dass man uns in der Öffentlichkeit so sieht. Vielleicht findest du es irgendwann okay und dann können wir es ausprobieren. Es gibt keinen Zwang, kein Datum, das man nicht überschreiten darf. Es ist alles in Ordnung, okay? Wir haben alle Zeit der Welt."

„Ich habe eben das Gefühl, dass wir nicht alle Zeit der Welt haben", erwiderte der zweite Detektiv.

„Wie meinst du das?"

„Durch unsere Arbeit als Detektive befinden wir uns sehr oft in Gefahr. Und in den letzten Monaten habe ich mich immer wieder dafür verflucht, dir meine Gefühle nicht schon gestanden zu haben. Es fühlt sich an, als wäre jeder noch so kleine Moment so unendlich kostbar, dass ich Angst habe, ihn nicht mit dir verbringen zu können", beichtete Peter. Er sah nun ernsthaft verzweifelt aus.

„Oh Peterchen, ich habe mich genauso gefühlt. Und wenn man am Abgrund steht, wird es immer Dinge geben, die man bereut. Man bereut, etwas getan zu haben oder eine Chance verpasst zu haben. Etwas gesagt zu haben oder stumm geblieben zu sein. Aber weißt du was? Jeder Moment mag unendlich kostbar sein, aber das sollte uns nie dazu bringen, über unsere eigenen Grenzen zu gehen. Wenn du dich in der Öffentlichkeit unwohl fühlst, höre darauf! Das Schicksal kennt seinen Weg und anstatt auf Zwang zu versuchen, jeden Moment auszukosten und der Magie hinterherzurennen, sollten wir sie zulassen, wenn sie auf uns zukommt. So wie jetzt gerade."

Peter nickte und Bob sah, wie eine kleine Träne seine Wange hinunterlief. „Danke", flüsterte er und umschloss den Körper des dritten Detektivs fester mit seinen Armen. Der Dritte ließ sich gegen den Körper seines Freundes fallen und genoss die Ruhe des Ausgesprochenen, die nun zwischen ihnen lag.

Die drei Fragezeichen und der ganz normale WahnsinnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt