Special - Die T-Shirt Debatte

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„Peter? Wie lange brauchst du denn noch? Ich warte hier schon eine Ewigkeit", rief Bob in Richtung Badezimmertür und drehte sich auf seinem Schreibtischstuhl bestimmt schon zum hundertsten Mal im Kreis.

„Jaha, ich bin ja gleich soweit", schallte die Stimme seines Freundes aus dem Bad zurück.

Der dritte Detektiv seufzte tief. Er saß hier schon seit gut einer halben Stunde und ließ sich von Peter die verschiedensten neuen Errungenschaften seiner letzten Shoppingtour mit Jeffrey vorführen. Für Bob sahen die Shirts alle gleich aus, die sein Freund ihm bis jetzt präsentiert hatte und er selbst machte sich recht wenig aus seiner eigenen äußerlichen Erscheinung. Er gehörte zu der Sorte Menschen, die im Dunkeln die Teile aus dem Kleiderschrank fischten, die oben lagen. Und mit etwas Glück bissen sich die Farben der Zufallsteile nicht allzu sehr.

Peter tickte völlig anders. Er war darauf bedacht, in jeder erdenklichen Situation perfekt gestylt zu sein. Er konnte Stunden im Bad verbringen, um auch die letzte Haarsträhne noch in die richtige Position zu kämmen und mit einer Tonne Haarspray dort zu fixieren. Bob konnte seinen Ehrgeiz nicht verstehen, schließlich musste er mit seinem Aussehen niemanden mehr „anwerben". Sein Freund saß schließlich auf dem Schreibtischstuhl und drehte sich erneut im Kreis, um sich irgendwie die Zeit zu vertreiben.

Manchmal fragte sich der Dritte, ob sein Freund vergessen hatte, dass er schon in einer Beziehung war und dass er sich so hübsch machte, um anderen Männern zu gefallen. Oder ob er es vielleicht für ihn tat, weil er Angst hatte, ihn wieder verlieren zu können.

Alleine bei dem Gedanken daran verzog Bob das Gesicht. Egal, wie Peter aussah, ob frisch gestylt oder gerade aufgestanden, der dritte Detektiv konnte nicht anders, als ihn attraktiv zu finden. Und wenn er ehrlich war, gefiel ihm sein Freund sogar am besten, wenn er nicht krampfhaft versuchte, sich hübsch zu machen. Wenn er ungezwungen mit zerzausten Haaren neben ihm auf dem Bett lag und sie sich über den Klatsch des Tages unterhielten. Vielleicht war jetzt die perfekte Gelegenheit, ihm das zu offenbaren.

Endlich ging die Badezimmertür auf und der zweite Detektiv stolzierte hinaus auf Bob zu. Das Shirt war nun schon das dritte blaue und die Farbtöne unterschieden sich laut Bobs Erinnerung kaum voneinander. Als Peter direkt vor ihm stand und sich einmal im Kreis drehte, bemerkte der dritte Detektiv, wie aus der Puste sein Freund war. Rote Flecken leuchteten auf seinen Wangen.

„Und, wie findest du es?", fragte der zweite Detektiv strahlend.

„Ja, es ist gut", nickte der Dritte und versuchte dabei möglichst überzeugend zu klingen.

„Also ich habe noch drei Shirts, die zeige ich dir auch noch", sagte Peter und wollte sich gerade wieder umdrehen und zurück im Bad verschwinden, als der dritte Detektiv geistesgegenwärtig nach seinem Arm griff und ihn wieder zu sich zog. „Warte mal eben", lächelte er sanft.

„Was denn?" Peter strahlte immer noch, er schien völlig aufgekratzt.

„Komm mal her", meinte Bob nur und zog den Zweiten auf seinen Schoß.

Ein wenig ungewohnt war es zunächst schon, schließlich war Peter der größere von ihnen und saß deswegen normalerweise unten, doch nach einigen Sekunden wurde dem dritten Detektiv bewusst, dass das eigentlich keine Rolle spielte.

„Was gibt es denn jetzt?", maulte Peter mit der Stimme eines Dreijährigen.

„Du bist total aufgekratzt, Peterchen. Was ist denn los mit dir?", murmelte Bob gegen Peters Hals.

„Wieso? Was soll los sein?", antwortete der zweite Detektiv. Etwas zu schnell für Bobs Geschmack.

„Du weißt genau, was ich meine", versuchte der Dritte es noch einmal, „Du tigerst schon eine Ewigkeit zwischen dem Bad und meinem Zimmer hin und her, nur um mir deine blauen Shirts zu zeigen, deren Farbtöne sich nur um winzig kleine Nuancen unterscheiden. Sowieso machst du dich in letzter Zeit total hübsch, verbringst Stunden im Bad. Wenn du das mir zuliebe machen solltest, dann kann ich dir sagen, dass es mir völlig egal ist, welche Farbe dein Shirt hat und ob deine Haare gestylt sind oder nach allen Seiten abstehen. Du als Mensch bist mir wichtig, nicht dein Aussehen zählt."

Eine Weile war es still zwischen ihnen. Peters Blick war aus dem Fenster direkt hinter dem Schreibtisch gerichtet, während er gedankenverloren Bobs Nacken streichelte. „Vielleicht hast du Recht", murmelte Peter kleinlaut, „Ich bin ja immer mit Jeffrey einkaufen und er sieht immer perfekt zurechtgemacht aus. Und ich habe ihn einmal gefragt, wie man es schafft, dass Menschen bei einem bleiben. Und er meinte zu mir, dass man die Menschen beeindrucken müsse und ihnen zeigen soll, dass man es wert ist, dass sie bei einem bleiben."

Er war nun dazu übergegangen, mit seiner Hand durch die blonden Locken seines Freundes zu fahren. „Und dann dachte ich eben, dass ich dich irgendwie beeindrucken muss. Und das Erste, was mir eingefallen ist, war mein Aussehen."

„Och Peter, du kennst doch Jeffrey. Der hüpft von einem Bett ins nächste. Ich glaube, er findet eben Gefallen daran, möglichst viele Menschen nacheinander in seinem Leben zu haben, nicht den einen richtigen Menschen zu finden. Und dass er dir deswegen so eine Antwort auf deine Frage gibt, ist nicht weiter verwunderlich." Der dritte Detektiv lächelte Peter an und fuhr mit den Händen über seine Hüfte.

„Stimmt, ihm geht es mehr darum, sein Leben mit vielen Menschen zu teilen. Aber magst du mich wirklich so ungestylt und ranzig?", fragte der zweite Detektiv unsicher und wuselte sich wie zur Demonstration in den Haaren herum, sodass sie so aussahen, als wäre er gerade erst aufgestanden.

„Ja klar, mag ich dich auch so. Ehrlich gesagt mag ich dich so noch viel lieber. Du bist dann viel authentischer, mein Lieber. Und so viel mehr du", lachte Bob und ging mit seiner Hand durch Peters Haare.

„Ehrlich?" Sein Freund schien noch immer nicht überzeugt.

„Ja, ehrlich", murmelte Bob gegen Peters Lippen, ehe er seinen Kopf in die Hände nahm und ihre Lippen sanft aufeinanderlegte.

Sie küssten sich einige Male, dann kam Peter wieder zu Wort: „Ich sollte die Shirts wieder zurückbringen." 

„Warum das?"

„Weil ich sie jetzt gar nicht mehr so schön finde", antwortete der zweite Detektiv.

Bob seufzte. Sein Freund schaute ihn verdutzt an. „Erst findest du mich auch ohne die neuen Shirts attraktiv und jetzt willst du nicht, dass ich sie zurückbringe? Jetzt entscheide dich mal, du Schlaumeier."

Der dritte Detektiv antwortete ruhig: „Es ist mir völlig egal, ob du deine neuen Shirts behältst oder nicht. Wenn sie dir gefallen, darfst du sie natürlich behalten. Du solltest sie nur nicht ausschließlich wegen mir kaufen und auch nicht ausschließlich wegen mir wieder zurückbringen. Ich liebe dich, ob mit Shirts oder ohne."

Der letzte Satz brachte ihm ein verschmitztes Grinsen seines Freundes ein. „Hast du gerade ohne Shirts gesagt?"

Bob schaute ihn irritiert an und erwiderte: „Ähm, ja?" Peter lachte und zog sich sein Shirt über den Kopf, ehe er grinsend hinzufügte: „Das werte ich jetzt als Einladung."

Immer noch ein wenig verdutzt stellte der Dritte fest, dass sein Freund gerade seine Hände unter seinen Pullover schob und seinen Bauch erkundete. Dann fiel auch bei ihm der Groschen und er seufzte zum wiederholten Male an diesem Tag, ehe er einwendete: „Aber Peter, ich wollte noch die Fotoserie, die ich gestern geschossen habe, bearbeiten."

„Da ist später noch genug Zeit für, Bobbele. Ich habe Besseres mit dir vor", schloss der zweite Detektiv die Unterhaltung und zog seinen Freund in einen innigen Kuss, dem an diesem Nachmittag noch viele weitere folgen sollten.

Die drei Fragezeichen und der ganz normale WahnsinnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt