5. Warum man seine Jacke nicht vergessen sollte

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„Was ist passiert, Kollegen? Gehe ich recht in der Annahme, dass am Strand etwas vorgefallen ist?", fragte der erste Detektiv und Peter ließ sich augenrollend auf das Sofa sinken.

„Ja, das kannst du laut sagen", sagte Peter genervt. Bob ließ sich neben ihn fallen. Er wollte jetzt nicht mit Justus sprechen. Er wollte einfach nur ins Bett und den Rest des Abends schlafen. Nicht mehr an das Vorgefallene denken und diesen Tag einfach aus seinem Gedächtnis streichen.

„Darf man fragen, was vorgefallen ist?", fragte Justus weiter ohne zu bemerken, wie unwohl Bob sich fühlte. Peter erzählte daraufhin in aller Breite, was sich am Strand zugetragen hatte. Als er die Rauferei im Sand erwähnte, schaute der erste Detektiv zwar verdutzt drein, unterbrach den Zweiten aber nicht. Erst, als er die Typen um Skinny Norris erwähnte, wurde der Erste hellhörig und hakte nach. „Wie sahen die Typen denn aus? Und was ist eigentlich mit dir, Bob? Du wirkst so verschlossen."

Bob konnte endgültig nicht mehr an sich halten und platzte heraus: „Kaum möchte man mal einen schönen Abend am Strand verbringen, wird man wieder in kriminelle Machenschaften verwickelt! Wir wurden von irgendwelchen gruseligen Typen verfolgt, denen ich so ziemlich alles zugetraut hätte. Und du fragst mich, warum ich verschlossen bin? Mir ist es ehrlich gesagt schnurzpiepegal, wie diese Typen aussahen und wer sie sind. Ganz ehrlich, Just, dein Kreuzverhör kannst du dir sparen, ich bin weg!" Damit stapfte er nach draußen, schlug die Tür der Zentrale hinter sich zu und rannte nach Hause, er konnte ja schlecht Peters Auto nehmen.

Keuchend kam er an der Haustür an und kramte in seinen Hosentaschen nach dem Haustürschlüssel. Vergeblich. Erst jetzt fiel ihm ein, dass er seine Jacke am Nachmittag, bevor sie zum Strand gefahren waren, in der Zentrale liegen gelassen hatte und in seiner Wut hatte er sie eben dort vergessen.

Resigniert ließ er sich an der Tür nach unten gleiten und saß schließlich erschöpft mit angewinkelten Beinen auf der Fußmatte. Klingeln konnte er nicht, seine Eltern waren mal wieder auf einer ihrer glorreichen Geschäftsreisen und Just oder Peter fragen, ob sie ihm seine Jacke vorbeibringen konnten, ging auch nicht. Dafür hatte er sich gerade zu sehr daneben benommen.

Die Situation war zum Heulen. Warum hatte er auch so aus der Haut fahren müssen? Er grübelte eine Weile sinnlos vor sich hin, bis es ihm wie Schuppen von den Augen fiel. Ihm war die Situation mit Skinny einfach nur unangenehm gewesen. Verfolgungsjagden waren für ihn nichts Neues und so aufgewühlt war er danach normalerweise nicht. Und über einen neuen Fall freute er sich normalerweise genauso wie seine beiden Kollegen. Nur, dass der Fall jetzt mit ihm persönlich zu tun hatte und Peter nebenbei seine komplette Gefühlswelt auf den Kopf stellte, machte alles viel komplizierter.

Er vergrub das Gesicht in den Händen und seufzte tief. Er wünschte sich, dass er seine Gefühle für Peter einfach vergessen konnte und sie alle als Freunde einfach weiter als Detektivteam ermitteln konnten. Früher, als er Freundinnen gehabt hatte, waren die Prioritäten klar verteilt gewesen. Erst kamen die drei ??? und dann das Privatleben. Doch was war, wenn sich Privatleben und Detektivarbeit plötzlich überschnitten?

Als er ein immer näher kommendes Motorengeräusch vernahm, hob er den Kopf und schaut nach links. Er blickte direkt in die runden Scheinwerfer von Peters MG. Der Zweite stoppte den Motor, stieg aus und hatte zu Bobs Glück dessen Jacke in der Hand.

Peter steuerte direkt auf ihn zu und setzte sich zu ihm auf die Fußmatte. Ruhig sagte er: „Ich habe deine Jacke in der Zentrale liegen sehen und hatte mir fast schon gedacht, dass du nicht ins Haus reinkommst."

Bob nickte nur und nuschelte ein „Danke", schaute den zweiten Detektiv aber nicht an. Sanft fragte dieser: „Was ist denn los? Ich mache mir wirklich Sorgen um dich." Jetzt blickte Bob Peter direkt an. Die Sorge und Anteilnahme stand ihm ins Gesicht geschrieben.

„Naja, also irgendwie..." Er stockte. Was sollte er Peter denn jetzt erzählen? Die Wahrheit wohl kaum. Also versuchte er es mit einer Halbwahrheit: „Normalerweise haben wir einen Klienten, dem wir beim Lösen eines Falles helfen. Aber jetzt sind wir ja irgendwie die Klienten und gleichzeitig die Detektive. Dass wir persönlich, ganz ohne einen Klienten, ins Visier von Verbrechern geraten sind, gefällt mir gar nicht. Wie kannst du da eigentlich so ruhig bleiben, obwohl du doch sonst der ängstlichere von uns beiden bist?"

Der Zweite nickte und nahm seinen besten Freund in den Arm. Bob ließ seinen Kopf auf Peters Schulter fallen. Ihm war gerade egal, ob Peter genauso fühlte wie er. Er war einfach nur müde.

Doch der Zweite antwortete noch auf seine Frage: „Weil ich eine Information habe, die du noch nicht hast. Ich habe Just unsere Verfolger beschrieben und einer von ihnen kam ihm sehr bekannt vor. Erinnerst du dich noch daran, dass Justus heute Morgen von einer Versteigerung gesprochen hat?"

Bob nickte an Peters Schulter und sein bester Freund berichtete weiter: „Einer der Bietenden auf der Auktion sieht einem unserer Verfolger, nämlich dem Anführer der Schlägertruppe sehr ähnlich. Und laut Justus hat der sich auf der Auktion ziemlich daneben benommen. Er hat den Veranstalter der Auktion wohl als Schwuchtel beschimpft, da dieser mit seinem Mann zur Auktion gekommen ist und soll ihm gegenüber sogar fast handgreiflich geworden sein. Trotzdem hatte er es sehr auf die Vase abgesehen, die versteigert worden ist. Also sind wir gar nicht das Problem, sondern der Mann hat ein Problem."

Bob stand auf, zog Peter an einer Hand nach oben und sagte: „Danke, dass du mir die Jacke gebracht hast und danke für den Bericht. Ich fühle mich schon wieder etwas besser. Aber trotzdem klingt es fast so, als hätten wir einen neuen Fall. Was sagt Justus eigentlich zu der ganzen Geschichte?"

„Der hat erstmal eine Weile an seiner Unterlippe gezupft und meinte dann, dass wir uns morgen um 9 Uhr in der Zentrale treffen", grinste Peter.

„Das klingt ja fast so, als hätte unser Meisterdetektiv schon wieder einen Plan", lächelte Bob zurück. Das Grinsen seines besten Freundes war mehr als ansteckend.

Er holte den Schlüssel aus seiner Jackentasche, schloss die Tür auf und rief Peter noch „Gute Nacht!" hinterher, während dieser in seinen MG stieg und aus der Straße verschwand.

Die drei Fragezeichen und der ganz normale WahnsinnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt