Kapitel 15

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»Steven?«, sprach ich seinen Namen aufgeregt. »Was ist los mit dir? Ist etwas passiert?«, meine Stimme war erst ruhig, aber von Wort zu Wort wurde diese stetig hysterischer. Man konnte ja nie wissen. Außerdem machte ich mir weniger Sorgen um ihn. Er war ein Vampir und konnte extrem viel ab. Meine Mutter hingegen war in diesem Moment wichtiger und schlagartig hatte ich Schiss, dass sie überhaupt nicht mehr lebte. Er hustete erneut und krächzte: »Wir hatten einen Unfall. Meine Beine trugen mich aufgebracht Richtung Fenster. Dort schaute ich hinaus. Natürlich konnte ich die beiden nicht sehen, aber ich musste etwas tun. »Seid ihr bei einem Arzt? Wie geht es meiner Mutter?«

Zugleich folgte auch die Antwort. »Wir sitzen noch im Wagen. Ich habe Edan nicht erreicht und deine Nummer durch Tanja in meinem Telefon.« Tränen füllten sich in meinen Augen. Warum sitzt er noch immer mit ihr an einem Unfallort? Ist es nicht wichtiger einen Arzt zu rufen, als irgendwo in einem Graben zu hängen? Zwar wusste ich, dass er sich ebenso um meine Mutter kümmern konnte, aber bei so etwas musste ein Krankenwagen angefordert werden. Eilig ließ ich mich auf mein Bett fallen, stand aber sofort wieder auf. »Was ist mit meiner Mutter?«, zitterte ich. »Sag mir die Wahrheit.« Ich malte mir alles aus. Auch, wenn wir nicht immer ein gutes Verhältnis hatten, wollte ich doch nicht, dass ihr etwas geschah.

»Sie atmet kaum noch.« Mein ganzer Körper bebte auf einen Schlag. »Wie... Weshalb... Wo seid ihr verdammt noch mal?« Er hustete erneut und ich hörte, wie es raschelte und die Leitung knackte. Er musste noch immer im Wagen sitzen. »Da war ein Baum und er knallte Mitten auf die Straße. Sie riss das Steuer herum und wir sind... Dieser Berg. Wir liegen auf dem Kopf im Wald. Ein dicker Ast... Er steckt in ihrer Brust.« Steven schien selbst komplett unter Schock zu stehen und erst nachdem er das sagte, begann seine Stimme panisch den Namen meiner Mutter zu rufen und dass sie die Augen öffnen sollte.

Plötzlich spürte ich nichts mehr. Meine Beine nicht mehr. Nur noch meinen eigenen Herzschlag, der so laut war, dass er in meinen Ohren regelrecht dröhnte und dann war da noch die Erinnerungen. Auf Anhieb sah ich all das beschissenen Leben vor mir, aber auch, wie sie nun zu mir war. Lieb. Nett. So wie eine Mutter sein sollte. Sie trank nicht mehr. War glücklich und hatte endlich einen Mann an ihrer Seite, der zwar ein Vampir, aber doch jemand war, der einen ordentlichen Job hatte. Sie machte etwas aus sich. Sah nicht mehr schlampig aus. Wie eine Mutter halt. »Wo?«, wollte abwesend wissen und schlüpfte nebenbei in meine Schuhe. Es war mir egal, wo sie waren. Auch wenn ich Stunden fahren musste. Wenn sie wieder im Auto saßen, konnten sie nicht allzu entfernt sein.

»Es ist nicht weit. Wir sind schon fast da. Es ist, wenn du aus der Ortschaft nach rechts bei der Schule raus fährst... Du folgst der Hauptstraße in Richtung Stadt. Du weißt doch, wenn die Straße eine scharfe Rechtskurve macht?« Ich nickte, obwohl Steven es nicht mal sah. »Weiter...«, sprach ich schnell und er antwortete: »Dort unten.« Seine Stimme war lediglich ein Hauchen und nebenbei flehte er noch immer, dass meine Mutter die Lider aufmachen muss. »Was soll ich tun? Es tut mir so leid, Larissa.« Ich atmete scharf ein. Es war mir alles egal. Ich durfte sie nicht verlieren. Immerhin lernten wir uns nun erst richtig kennen. »Ich werde gleich da sein. Ich beeile mich. Tu alles! Mir ist das scheißegal. Wenn es sein muss: verwandle sie.«

Eisige Stille herrschte prompt am anderen Ende der Leitung. Erst ging ich davon aus, dass er mir diese Entscheidung niemals abnahm, aber dann flüsterte er: »Okay« und die Leitung wurde unterbrochen. Natürlich durfte ich nicht zwischen leben und Tod entscheiden, doch was blieb mir anderes übrig? Wenn man sich in dieser Lage befand, entschied man sich nicht rational, oder vielleicht dafür, was der andere Mensch will. Nein. Man entscheidet für sich selbst und nimmt auch in Kauf, dass es womöglich falsch sein könnte. Dennoch war mir bewusst, dass auch wenn sie nichts von der Existenz von Vampiren wusste: Es war das Richtige!

Someday III - Lost in youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt