Es fühlte sich verlassen an. Es war ungewöhnlich und die Stille machte sich unaufhaltsam breit. Meine Mutter war mit meinem Baby, ihrem Freund Steven, Eric und Henry unterwegs. Das war gut. So konnte der alte Mann auch mal wieder vor die Tür und ich hörte keine Stimmen, außer die von Edan, der sprach: »Ich würde sagen, dass wir die Zeit nutzen. Am besten du ziehst dich schon mal aus. Ich gehe schnell runter und suche in der Garage noch etwas für Henry zusammen, damit er später an seinem Zaun basteln kann.« Ich hingegen nickte gut gelaunt, lief nach oben in unsere gemeinsame Wohnung auf dem Dachboden und zog mich binnen weniger Sekunden mit einem breiten Grinsen bis auf die Unterwäsche aus.
Natürlich nagte die Nervosität an mir. Immerhin hatten wir lange keinen Sex mehr und ich fühlte Edan so wahnsinnig gern. Ich vermisste die intimen gemeinsamen Momente. Wir kannten keine Zweisamkeit mehr. Das lag nicht bloß daran, weil sich ständig einer im Haus befand oder auf dem Grundstück herumrannte, sondern ich ungern meine Tochter hergab. Allerdings bekamen nun wohl drei Vampire es hin, sie zu beschützen. Des Weiteren musste ich endlich lernen loszulassen. Einerseits waren es die anderen, die ständig auf mich einsprachen, ich wäre eine Glucke. Außerdem war sie nicht aus der Welt und insgeheim freute ich mich sogar etwas Luft zu haben und diese langersehnten Stunden mit Edan zu teilen.
Zugleich überfuhr mich bei der Vorstellung eine Gänsehaut und die Vorfreude wurde stetig größer. Ich konnte gar nicht erwarten, dass er endlich wieder bei mir war, mich in den Arm nahm, und alles andere um uns herum vergessen ließ. Kurzerhand überlegte ich einen Moment und beschloss mir schließlich noch etwas Schickes anzuziehen; gerade, weil ich ja nun nicht wenig Klamotten durch ihn besaß. Augenblicklich kramte ich eilig im Schrank herum und zog schwarze Unterwäsche mit edler Spitze heraus. Dazu halterlose Strümpfe und ein paar Schuhe mit etwas höherem Absatz. Dabei dachte ich nicht nach, was dieser ganze Kram kostete. Eigentlich spielte es für mich keine Rolle so etwas zu tragen, dennoch wollte ich Edan gefallen.
Nachdem ich in meine hübschen Klamotten hineinschlüpfte, stellte ich mich schließlich vor den Spiegel und betrachtete meinen Körper. Meine langen Haare reichten mittlerweile weit über meinen Hintern, wenn ich sie offen trug. Einen Wimpernschlag überlegte ich... Sollte ich sie schnell hochstecken, oder doch offenlassen? Edan liebte sie. Vielleicht sollte ich doch... Noch bevor ich mich allerdings entscheiden und meinen Gedanken zu Ende denken konnte, spürte ich schlagartig einen wahnsinnigen Schmerz in meinem Rücken, der so unvorhersehbar kam, dass ich stark taumelte. Reflexartig drehte ich mich herum, aber da war nichts. Rein gar nichts. Verwirrt zuckte ich zusammen. War ich verrückt? Ich spürte es eindeutig. Tiefe Nadelstiche bohrten sich in meine Haut, obwohl mein Spiegelbild zeigte, dass da nichts war.
»Was?«, winselte ich und versuchte mit der Hand an die Stelle zu gelangen, an der es zuvor wehtat, doch sie war glatt wie eh und je. Nichts. Noch einmal starrte ich meinen Rücken an. Nein. Automatisch schüttelte ich den Kopf. Was ist das? Leider verschwand der Schmerz nicht, sondern wurde sogar noch intensiver. Nervös drehte ich mich herum. Meiner Tochter ging es gut, das wusste ich, aber was war mit Edan? Automatisch versuchte ich mich auf ihn zu konzentrieren. Erneut Schmerz, wobei ich mich krümmte. Allerdings konnte ich nicht an Ort und Stelle verweilen und eilte gedankenlos durch unser Wohnzimmer. Dort wusste ich genau, dass sich in der Schublade ein Dolch befand und schnappte mir diesen lautlos. Weshalb ich das tat wusste ich nicht. Ein Reflex, der mich vereinnahmte und handeln ließ, noch bevor ich einen Gedanken daran verschwendete, was überhaupt geschah.
Und das bereute ich auch nicht. Entweder hatte Edan sich verletzt, was ich nicht glaubte, oder etwas war passiert. Fester schnappte ich den kühlen Griff, sodass meine Fingerknöchel knackten. Im Anschluss hetzte ich auf Anhieb, ohne nachzudenken, die Stufen nach unten. Trotz der Absätze, die meine Schuhe besaßen, schwebte ich fast. Langsam hatte ich den Dreh heraus und man hörte mich fast gar nicht mehr, wenn ich es darauf anlegte. Ich atmete tief ein. Versuchte einen Geruch, den ich nicht zuordnen konnte, zu erkennen. Wieder Schmerz. Edan war verletzt. Da war ich mir sicher. Das hieß: Ich muss mich beeilen.
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Someday III - Lost in you
Vampire3. Band (Trilogie) Dieser Teil schließt komplett am 2. Band an; d.h. die anderen müssen vorher gelesen werden. Lara und Edan sind endlich wieder vereint, doch es hat sich viel nach ihrer Entführung verändert. Stephan ist zwar tot, aber doch nicht ve...