Kapitel 10

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Wir bogen nun in die ersten Altbauten ein. Von Weitem sah man schon mehr Menschen auf der Straße, als wie in unserem kleinen Kuhkaff. »Du kannst es dir noch überlegen. Ich würde dich liebend gern mitnehmen«, aber ich lehnte trotz dessen ab. Es war mir egal ob Lizzi mit dabei war, aber noch einmal über das zu reden, was mit ihrem Bruder passierte und was er mir antat, dass wollte ich nicht. Ich musste vergessen. Das war das Beste. Aber ich bekam auch Angst. Angst von Edan getrennt zu sein hieß auch, auf mich allein zu hören. Sonst hätte ich das getan, was er von mir verlangte, doch nun musste ich auf eigenen Beinen stehen. Zwar war noch Eric, der auf mich aufpasste, aber ich hatte trotzdem Schiss. Ich wollte nicht ohne Edan sein.

Gerade, als er in eine Parklücke fuhr und den Zündschlüssel zog, war ich mir sicher, dass ich es auch so packte. Ich war doch kein Baby mehr. Was soll mir schon hier passieren? Wir würden nur etwas einkaufen und mehr nicht. Ich war ein Vampir und an diesem Ort hielt sich kaum ein Jäger auf, um mitten am Tag drei Vampire entführen. »Es ist alles in Ordnung«, sprach ich zu mir selbst, noch bevor Edan irgendetwas sagen konnte und setzte noch nach: »Du bist knapp dran. Wir sehen uns später.« Ich küsste ihn und lief eilig voraus, nicht ohne schnell nach links und rechts zu blicken.

Eine dreiviertel Stunde später machten wir uns endlich in ein Schreibwarengeschäft auf, in dem ich mein Zeug holen konnte. Zumindest ich ging hinein, die anderen nicht. Eric und Lizzi saßen genau davor auf zwei Stühlen und tranken einen Kaffee. Normalerweise sollten sie bei mir bleiben, aber man konnte es auch übertreiben. Wenn ich wieder herauskam, sahen sie mich sowieso. Drei Schritte waren sie vom Eingang entfernt, um genau zu sein; und blätterten gemeinsam in einer Zeitschrift, die sich Lizzi kaufte. Als wenn sich Eric für Frauenmode interessiert. Ich lächelte und entspannte mich etwas. Langsam lief ich durch die Regale und suchte nach meinen Zeichenutensilien und neue Sachen für die Schule, die ich wieder besuchen wollte. Immerhin waren auch bald meine Prüfungen.

Alles lief ohne Zwischenfälle ab und meine Angst war schließlich umsonst. Im Laden war kaum jemand. Vielleicht lag es daran, dass andere lieber über den Markt schlenderten, als sich Schreibblöcke und Stifte zu kaufen. Gerade, als ich jedoch um die Ecke zu einem anderen Gang bog, sah ich eine Gestalt verschwinden. Ich hielt kurz inne. Mein Herz pochte plötzlich so laut, dass ich dachte es spränge aus meiner Brust. Ich schüttelte grinsend den Kopf. Es war bekloppt, dass ich vor irgendwelchen Kunden Angst bekam. Es war klar gewesen, dass ich nicht die Einzige sein konnte.

Ich drehte mich herum und wollte gerade in die andere Richtung laufen, als ich erneut eine Person verschwinden sah. Normalerweise wäre es mir am Arsch vorbeigegangen, aber mir wurde komisch. Angst machte sich doch wieder in mir breit und es war nichts, was man dagegen tun konnte. Bleib einfach ruhig, dachte ich. Beruhige dich. Da ist nichts, doch ich war mir ziemlich sicher, dass da jemand lauerte, oder mir Angst einjagen wollte. Ein schwarzer Mantel. Ein Hut. Als wäre ein Detektiv oder so etwas hinter mir her. Wie in einem billigen Film aus den sechziger Jahren.

Mein Herz pochte nun noch lauter. Ich wusste, dass nichts sein konnte, aber ich musste sofort hier heraus; brauchte Luft und wollte bloß noch von diesen immer enger werdenden Regalen weg. In dem Moment, als ich unwillkürlich einen Schritt nach hinten machte, stieß ich gegen etwas und als ich mich herumdrehte, war da wieder dieser Mann. Diesmal näher. Sein Kopf so gesenkt, dass ich sein Gesicht nicht sah. Prompt lachte er auf und jagte mir dadurch einen riesigen Schrecken ein. Auf der Stelle hetzte ich auf die Kasse zu, doch wurde schlagartig an der Kapuze nach hinten gerissen. Ich schrie natürlich zugleich auf und schlug um mich.

Plötzlich fühlte ich mich so hilflos. Schwächer noch wie ein Mensch und als ich mich herumdrehte, war da niemand mehr. Nur das Gekicher als Nachwehen in meinem Gehörgang. »Was soll die verdammte Scheiße?«, schnauzte ich. »Ist mit ihnen alles in Ordnung?«, fragte mich eine ältere Dame, die hinter einem Regal mit ein paar Heftern hervorlugte. Sie gehörte eindeutig zum Kollegium. »Ja. Nein!«, stotterte ich. »Haben sie diesen Mann gesehen?«, musste ich noch wissen. »Was denn für einen Mann?«, wollte sie verblüfft wissen. »Ich habe keinen Mann gesehen. In diesem Moment sind sie die Einzige hier, außer vielleicht eine Frau, die mit ihrem Kind dort im Eingang hineinkommt.«

Someday III - Lost in youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt