Teil 20

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Warum tat es so weh, wenn es doch noch nie so etwas wie Schmerz in ihrem Leben gab? Warum fühlte es sich an, als würde eine Faust sich durch ihre Brust graben und ihr Herz quälend langsam zerquetschen, während ihre Lungenflügel zu kollabieren drohten? Denara wusste nicht die Antworten auf diese Fragen. Denn sie kannte all diese Gefühle nicht. Bevor sie in diese Welt getreten war, war alles was sie fühlte ein tiefes Nichts und der Drang zu zerstören. Und doch saß sie nun in dieser Wanne, sich an diesen Mann klammernd, der zum Teil für diesen Schmerz verantwortlich war und weinte salzige Tränen. Sie fühlte sich jämmerlich und doch zerbrach sie in den Armen des Mannes, nach dem ihr misshandeltes Herz sich sehnte.
Wann war es geschehen?
Wann hatte sie aufgehört sich nach dem tosenden Meer zu sehnen und stattdessen seine Nähe zu suchen? Diese Frage konnte sie genau so wenig beantworten. Und so verdrängte sie all die Fragen und atmete irgendwann erleichtert auf, als ihr Körper aufhörte zu Beben und die Tränen auf ihren roten Wangen begannen zu trocknen, während Nevan sie an seine Brust drückte und sanfte Kreise auf ihrem Rücken zog.
Er war ohne ein Wort mit seiner Kleidung in die Wanne gestiegen und hatte ihr stillschweigend Trost gespendet, obwohl sie ihn zu Beginn noch von sich gestoßen hatte. Nun war ihr alles egal. Sie ließ ihn sogar gewähren, als er nach der Seife griff und begann ihren Kopf und ihren Körper vorsichtig zu waschen. Als seine Hand kurz ihren Bauch streifte, viel zu nahe an ihrer Intimzone, zuckte sie doch zusammen und schob sich unbewusst von ihm. >>Ich..<< krächzte sie mit trockenem Hals, unwissend darüber, was sie eigentlich sagen wollte. >>Tut mir Leid.<< hauchte er nur sanft und stieg aus der Wanne. Er wartete mit einem Handtuch auf sie, welches sie sich schnell um den Körper schlang und lief voraus in das Zimmer.

Denara sagte kein Wort, als er wieder ins Badezimmer ging und zog sich stattdessen die frische Kleidung an, die er auf das Bett gelegt hatte. Kurz nachdem sie fertig war, trat er ebenfalls aus dem Bad mit trockener Kleidung und blieb am Türrahmen stehen.
>>Ich schlafe auf dem Boden. Du kannst das Bett haben.<< Sie nickte nur, bevor sie sich in das große Bett legte und die Decken über ihren Körper zog. Es dauerte eine Weile, als ihr bewusst wurde, dass sie so nicht schlafen konnte. Eine ganze Weile, bis der Drang Nevan neben sich zu haben und sicher zu wissen, dass das kein Traum war, stärker wurde.
>>Nevan.<< durchbrach sie die Stille der Nacht und atmete erleichtert auf, als er ihr antwortete. >>Ja Denara?<<
Sie schluckte schwer, bevor sie an den Rand des Bettes rutschte und ihm Platz machte. >>Kannst du hier im Bett schlafen? Neben mir?<<
Er antwortete nicht, sondern stand wortlos auf und packte sein Kissen wieder auf seine Seite des Bettes, bevor die Matratze heruntersank, weil er es mit seinem Gewicht nach unten drückte. Sein herber Duft drang ihr in die Nase und sorgte für ein warmes Gefühl in ihrer Brust. Sie wollte mehr von dieser heilenden Wirkung und mehr von dieser Wärme, die seine Haut ausstrahlte. Diesen Gefühlen folgend, rutschte sie zu ihm rüber und schmiegte ihren Kopf an seine Brust, noch immer in der getrennten Decke umschlungen, berührte sie seine Haut nur mit ihrer Wange.
>>Darf ich meinen Arm um dich legen?<< flüsterte er und tat es direkt, als sie nickte.

>>Ich habe das Gefühl, dass ich mit jedem Monat, dass ich diese Schlinge trage, mehr Mensch werde. Es ist...es ist als hätte ich einen erheblichen Teil von mir verloren Nevan.<< beichtete sie und genoss es, wie seine Fingerkuppen sanft über ihre Schläfe fuhren.
>>Und dennoch sehe ich jene Frau, der ich in dieser Höhle begegnet bin. Jene Frau, vor der ich damals schon auf die Knie gehen wollte.<< erwiderte er und sorgte dafür, dass ihr Herz gegen ihre Brust schlug. >>Erzähl keine Lügen Pirat.<<
>>War ich nicht immer ehrlich zu dir Wassergöttin?<< raunte er ihr sanft zu.
Denara schwieg, während ihr Herz gegen ihre Brust hämmerte und seine Wärme ihre kühle Haut wärmte. Sie schwieg so lange, bis das heben und senken seiner Brust, sie in einen traumlosen Schlaf sog und sie für einige Stunden vergessen ließ.

Herz aus LeidWo Geschichten leben. Entdecke jetzt