Teil 26

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Ihr war nicht bewusst, wie sie aus dem Laden geflohen war und nun in dem weichen warmen Sand inmitten der Abendsonne stand, sich langsam hinkniete und mit verschwommenem Blick auf das Meer blickte.
Sie hätte nie das Kind eines sterblichen bekommen können. Es hätte nicht möglich sein dürfen und doch war es geschehen. Die Schlinge hatte sie in den letzten zwei Jahren so sehr geschwächt, dass ihr Körper fähig wurde etwas zu leisten, was schier unmöglich sein sollte. Und nun würde sie ihre Magie aus diesem Grund nie mehr wiederbekommen. Sie wusste es, weil es ein freiwilliger Prozess war.

Wenn sich ihresgleichen für einen Sterblichen entschied, dann gab es nur eine Möglichkeit. Es gab nur einen Tribut zu zahlen und das war die Unsterblichkeit. Dabei spielte es keine Rolle, dass ihre Entscheidung unfreiwillig durch die Schlinge getroffen wurde. Denara war es gleichgültig, ob sie nun sterblich war. Das was so schlimm war, ist die Tatsache, dass es das Kind jenes Mannes werden sollte, der sie zwei Jahre lang wie ein Haustier gehalten hatte.
Es war nicht Nevans Kind. Es würde sie ihr restliches Leben an eine Zeit voller Grauen erinnern. Eine Zeit in der sie sich nichts sehnlicher gewünscht hatte, dem ganzen zu entfliehen.

>>Denara<< drang die Stimme des Mannes in ihren Kopf, den sie nun nicht mehr ansehen konnte. Starr sah sie auf den Sand und fasste sich dabei unbewusst an ihren Bauch. >>Hey<< hauchte er abermals, bevor sein Schatten auf sie fiel und er sich vor sie hinkniete.

>>Es ist sein Kind<< sprach sie es laut aus. Als würde sie Nevan damit davonjagen wollen.
>>Was wenn es seine Augen hat. Sein Gesicht.<< flüsterte sie gequält. >>Ich werde nie frei sein von ihm.<<
Nevan zog sie in seine Arme. Schwieg eine Weile in der sie stille Tränen weinte und sich fragte, wie es nun weiter gehen sollte. Konnte sie das Kind lieben, dass von diesem Mann stammte? Würde Nevan sie lieben können, wenn das Kind eines anderen in ihrem Bauch heranwuchs und war sie überhaupt dazu in der Lage ein Kind großzuziehen?
Sie hatte gerade erst erfahren, dass sie sterblich war und ihre Magie fort. Denara hatte noch nicht einmal mit dieser Wahrheit abgeschlossen und nun sollte sie Schwanger sein mit dem Kind dieses toten Piraten?

Ihre Lage schien ihr so unglaublich aussichtslos. Die Einzige Möglichkeit wäre es, alles zu versuchen, um das Leben in ihrem Bauch zu töten. Immerhin war ihr das nicht fremd. Sie hatte ihr Leben lang Piraten getötet und das Baby in ihrem Bauch konnte noch nicht so weit entwickelt sein. Es würde...und doch fühlte sie einen nicht bekannten Schmerz tief in ihrer Brust, als sie diese Möglichkeit tatsächlich in betracht zog.

>>Ich bin so schwach<< schluchzte sie an Nevans Brust und klammerte sich halt suchend an ihm.
>>Warum glaubst du das?<< fragte er sanft, während er ihr immer wieder über ihren zitternden Rücken fuhr. Zuerst überlegte sie sich, ob sie tatsächlich ehrlich sein sollte und sprach schließlich aus, was sie belastete.

>>Mein Leben lang habe ich kaltblütig gemordet, ohne Reue. Jetzt tut der Gedanke schon weh das Baby in meinem Bauch loszuwerden, was nicht einmal deins ist, sondern von dem Mann, dem ich zwei Jahre den Tod gewünscht habe.<<
Nevan hielt inne in seiner Bewegung, sodass sie für einen Moment dachte, dass sie ihn verschreckt haben konnte. Vor allem, weil er sie nun wirklich ungläubig ansah.

>>Du bist nicht schwach. Nicht dafür, dass du einem Baby nicht die Schuld an den Taten seines Vaters gibst. Nicht, wenn du selbst unter diesen schrecklichen Umständen nicht fähig dazu bist, dieses Kind in dir zu töten Denara.<< redete er sie ein und griff mit beiden Händen nach ihrem Gesicht.
>>Und eins noch.<< begann er eindringlich und wischte ihr dabei die Tränen mit seinem Daumen fort. >>Dieses Kind wird auch meines sein, wenn du es mir erlaubst. Ich werde dich und dieses Leben in dir lieben Denara. Du wirst niemals alleine sein, weil ich mich schon lange dazu entschieden habe dieser Welt zu entsagen, wenn du nicht mehr da bist. Du bist all das Gute und mehr meine Wassergöttin.<<

Nun war es Denara, die ungläubig zu ihm aufsah. >>Ich habe Angst, dass ich es nicht ansehen kann. Dass ich schlecht zu dem Kind sein werde.<<
Nevan schüttelte den Kopf, bevor er seine Hand auf ihre Brust legte. >>Du bist kein Monster Denara. Egal wie sehr du dich manchmal davon überzeugen willst. Du warst nie eins und wirst es auch nie sein. Wir schaffen das. Du und ich. Gemeinsam.<<

Sie folgte seiner Hand, die hinunter zu ihrem Bauch wanderte. Dort verweilte sie, bis sie ebenfalls ihre Hand auf ihren Bauch legte.
Sie wusste nicht, ob es daran lag wie Nevan sie ansah oder was gesagt hatte. Aber in diesem Moment, inmitten des Sonnenuntergangs und dem friedlichen Schlagen der Wellen, gewann sie neue Hoffnung.
Irgendwas durchbrach die Angst und ersetzte sie durch diese unsagbare Hoffnung darauf, dass alles besser werden würde. Es war nicht so, dass ihre Ängste fort waren. Sie wusste, dass sie noch immer unter der Oberfläche schlummerten und jederzeit ausbrechen könnten.
Aber für den Moment siegte dieser friedliche Moment, in der sie das erste mal einen Lichtblick auf ihr Leben hatte. Auf Nevan und dieses ungeborene Kind, an der Küste einer Insel.
Sie wusste, dass er sie beide lieben würde.
Es war dieser Lichtblick, der dafür sorgte, dass sie ihre Arme um seinen Hals schlang und ihn fest an sich zog.
>>Gemeinsam.<< hauchte sie dankbar ihrer Zukunft entgegen.

Herz aus LeidWo Geschichten leben. Entdecke jetzt